Duisburg. .
Der Jet mit Claudia Kortschakowski an Bord sollte am 11. September gerade in Richtung USA abheben, als sich die Attentate in New York ereigneten. Auf der Startbahn in Düsseldorf bremste der Pilot ab.
Das schönste Geschenk zu ihrem 33. Geburtstag bereitete sich Claudia Kortschakowski selbst: Mit ihrem Ehemann Uwe wollte die Neumühlerin zu einer dreiwöchigen Reise durch die USA aufbrechen. Der Abflugtermin fiel dann zufällig genau auf ihren Ehrentag: den 11. September 2001.
Die Kortschakowskis sind seit den 90er Jahren bekennende Fans einer Sportart, die es in Deutschland in punkto Popularität traditionell sehr schwer hat: Baseball. Claudia Kortschakowski war vor allem von Mark McGwire angetan. Der zählt noch heute zu den größten Stars, die jemals den Schläger geschwungen haben. Und er ist noch in Besitz einiger Allzeit-Rekorde. Im Sommer 2001 sollte die Karriere des „First Baseman“ von den St. Louis Cardinals ihr glorreiches Ende erleben. „Das war für uns der Anlass, in die Staaten zu reisen“, erzählt Kortschakowski, die bei einem Duisburger Unternehmen im Verkauf beschäftigt ist.
Mit dem Flieger sollte es von Düsseldorf nach Chicago gehen – und von dort weiter mit dem Leihwagen zum Spielort St. Louis. „Unsere Entscheidung ist damals recht kurzfristig gefallen. Als wir dann erfuhren, dass es nur Flüge an meinem Geburtstag gab, habe ich mit meinem Mann Witze darüber gemacht, dass noch keiner von uns beiden jemals so viele Stunden Geburtstag feiern durfte. Denn wegen der Zeitverschiebung wäre das ja ein besonders langer 11. September für uns geworden.“ Wurde es aber nicht.
Nachdem die Schwiegereltern das Paar am Abflug-Bereich des Düsseldorfer Flughafens abgesetzt hatte und beide dann kurze Zeit später in der ersten Sitzreihe des Jets als Passagiere saßen, sollte es losgehen. Die Maschine rollte in Richtung Startbahn, der Kapitän gab ordentlich Schub – um ihn Bruchteile von Sekunden später herunterzufahren. An Bord herrschte Ratlosigkeit. Ist etwas geschehen?
„Plötzlich lief jemand völlig aufgeregt auf die beiden Stewardessen zu, die direkt vor uns saßen, und flüsterte ihnen was ins Ohr“, beschreibt Kortschakowski die Szenerie aus ihrer Erinnerung. Erst schauten sich alle drei ungläubig an, dann begann eine der Frauen zu weinen. Der abgebrochene Start wurde nicht wiederholt. Ohne eine klärende Durchsage machte der Jet kehrt und rollte zum Terminal zurück. Die Sorge wuchs.
„Alle an Bord sind völlig verdattert ausgestiegen und zurück zu den Gepäckbändern gegangen. Erst dort haben wir auf den Monitoren Fernsehbilder gesehen. Und die zeigten, wie in New York Flugzeuge in die Twin Towers flogen. Immer und immer wieder. . .“ Die unfassbare Katastrophe in der Endlosschleife.
Claudia Kortschakowski ist fassungslos. Wie alle. Nachdem sie sich zumindest ein Stück weit wieder gesammelt hat, fällt ihr erster Blick auf die Menschen um sich. Darunter sind viele US-Amerikaner, die in die Heimat reisen wollten und nun bestürzt und betroffen nach Halt suchen. Körperlich und emotional. „Was passiert nun?“ ist die erste Frage, die ihr durch den Kopf schießt. „Wie kommen wir jetzt nach Hause?“ lautet die zweite. Und die dritte Frage verrät, dass auch Menschen unter Schock im Moment größter Katastrophen an sich denken. Denn Claudia Kortschakowski dachte: „Wieso passiert das alles ausgerechnet an meinem Geburtstag?!?“
Überhaupt ihr Ehrentag: Der 11. September als solcher hat durch die Attentate einen negativen Touch bekommen. „In den ersten Jahren danach war das wirklich sehr belastend für mich. Ich hatte kaum noch Lust aufs Feiern.“
Das ist inzwischen wieder anders. Am morgigen Sonntag, wenn Claudia Kortschakowski ihren 43. Geburtstag feiert, will sie mit Familie und Freunden daheim in Neumühl einen schönen Tag verbringen. Unbeschwert, unbelastet und unbekümmert – so wie alle anderen Ehrentage vor dem 11. September 2001 auch.