Duisburg. . Der Duisburger Stadtteil mit geschätzten 4000 Roma steht im Brennpunkt von Schwarzarbeit, Prostitution und Verwahrlosung. Kinder hausen zwischen Kakerlaken im Dreck. Aber trotz aller Schwierigkeiten: Aufgegeben hat sich Hochfeld längst noch nicht.
Duisburg-Hochfeld ist ein Stadtteil, der mit wenigen Strichen trist gezeichnet ist. Hier bröckelt der Putz von verfallenden Häusern - nur einen Steinwurf von der Innenstadt entfernt. Auf dem Brückenplatz, dem Tor zum Quartier, liegen Schnapsflaschen unter Bänken. Neben einem knietiefen Brunnen vergammelt eine Handtasche. Ein paar Schritte weiter stehen vier Jugendliche auf einem Kindergartendach, schmeißen Lehmbrocken auf Passanten.
Und die Situation verschlimmert sich ständig. Seit knapp zwei Jahren ist Hochfeld zu einem Anlaufpunkt für Roma aus Bulgarien geworden. In etlichen Nebenstraßen bestimmen sie das Bild: abgerissene Frauen, armselige Männer, dürftig bekleidete Kinder, vor kaputten Fenstern. Mittlerweile sollen über 4000 Roma hier leben. In dunklen Hinterhöfen verkaufen Roma-Frauen ihre Körper; oft für wenige Euros. Und auf einem Arbeitsstrich mitten im Viertel lassen sich Roma-Männer in aller Öffentlichkeit für schwarze Handlangerjobs mieten. Die meisten von ihnen kommen aus der bulgarischen Kleinstadt Shumen.
Aufgegeben hat sich Hochfeld längst noch nicht
Doch dieses Bild beschreibt nur einen Teil der Wahrheit. Hochfeld hat sich nicht aufgegeben. Entlang der Hauptstraße boomen türkische Cafés neben Billigshops. Die Straßen sind dicht bevölkert. Die Verwaltung unterstützt mit einem Stadtteilbüro den Umbau des Quartiers, und in einigen Straßen finden sich renovierte Altbauten neben Bruchbuden.
Michael Willhardt ist einer von denen, die nicht aufhören für ihr Hochfeld zu streiten. Er hat den Klüngelclub mitbegründet, einen Zusammenschluss von Immobilienbesitzern aus dem Viertel. „Hochfeld ist toll“, sagt er. Hier seien die interessantesten Parks von Duisburg, es gebe eine einzigartige, geschlossene Bebauung aus der Gründerzeit – zehn Minuten vom Hauptbahnhof. „Hochfeld hat was zu bieten.“ Umso wichtiger ist es für ihn, dass die akuten Probleme gelöst werden.
Hochfeld im Brennpunkt
Und die sind in der Tat vielfältig. Die meisten Roma kommen an der Wanheimerstraße, Ecke Heerstraße an. Hier halten am Abend die maroden Kleinbusse aus Shumen und bringen neue Menschen. Gegenüber auf einem Parkplatz stehen zerrissene Ledersofas in einem Gebüsch. Jetzt am Vormittag vertreiben sich vor allem Roma-Männer hier ihre Zeit. Sie warten auf irgendjemanden, der ihnen Geld gibt für ein wenig Arbeit. Ein Türke aus Recklinghausen hält mit einem Transporter an. Er bietet zehn Euro für zwei Stunden Arbeit. Zwei Roma steigen ein. Ob sie ihr Geld kriegen, ist offen. Das wissen hier alle.
Schräg gegenüber vom Arbeitsstrich hat der Verein „Zukunfts-Orientierte Förderung“ sein Büro. Eduard Pusic ist hier Sozialarbeiter. Im Auftrag des Jugendamtes kümmert er sich Roma-Familien. Pusic berichtet von den Problemen. Davon, dass Roma-Männer oft kein Geld für ihre Arbeit bekommen würden. Wie sollten sie sich auch wehren? Sie haben Angst vor der Polizei und kennen deutsche Gerichte nicht. Es gebe Vorarbeiter, die würden den Roma ein Drittel des Lohnes abziehen und sich das Geld in die eigene Tasche stecken. Selbst wenn Sozialarbeiter wie Pusic nachfassen, ändern die Vorarbeiter nichts. Warum auch, wenn ein Roma abhaut, gibt es einen neuen, der übernimmt. „Manchmal wird denen gesagt, die sollen einen Monat zur Probe arbeiten und dann werden sie gefeuert für den nächsten Arbeiter auf Probe.“
Etliche Roma bezahlen zudem in den schlechtesten Häusern in Hochfeld die höchsten Mieten im westlichen Ruhrgebiet. Pusic berichtet von Kosten in Höhe von 200 Euro je Matratze. „Die Roma wissen nicht, was das Leben hier kostet. Sie sind froh überhaupt Arbeit und einen Platz zum Bleiben zu finden.“ Anders gesagt: Sie werden ausgebeutet.
Offene Tuberkulose
Und dann die Kinder. Ein Jugendamtsmitarbeiter berichtet davon, wie sie in Kakerlakenverseuchten Wohnungen hausen. Krankheiten sind die Folge. Erst vor kurzem sind hier Menschen an offener Tuberkulose gestorben – mitten in Duisburg. „Oft können wir wenig für die Kinder machen. Wir dürfen erst kommunales Geld für sie ausgeben, wenn das unmittelbare Kindswohl bedroht ist. Das ist es aber nicht, wenn sie im Dreck leben.“
Nun will die Stadt reagieren. Allen voran der zuständige Jugenddezernent Karl Janssen setzt auf eine langfristige Strategie, um das „schwierige gesellschaftliche Problem“ in den Griff zu kriegen. „Die Menschen müssen integriert und ihre Würde geschützt werden“, sagt er. Die Roma hätten wie alle Europäer das Recht auf Hilfe. Jedoch: „Wir werden darauf achten, dass die Gesetze eingehalten werden.“ Illegale Prostitution, Schwarzarbeit und Sachbeschädigung würden nicht geduldet.
Die Schulpflicht, so Janssen, müsse durchgesetzt werden, zur Not müssten die Roma-Kinder mit Bussen in andere Stadtteile und Städte gebracht werden. Zudem müssten Bildungs- und Sprachbarrieren abgebaut werden. Das alles könne aber Duisburg nicht allein leisten. „Wir bezahlen den Preis für die europäische Freiheit. Das ist richtig. Aber diesen Preis müssen alle zahlen.“
Janssen sagt, er erwarte finanzielle Hilfe von der EU und vom Bund. Und er erwarte die Unterstützung der Nachbarstädte, wenn die Roma in Hochfeld integriert würden. „Wenn wir wie Dortmund auf Verdrängung setzen, dann haben als nächstes Oberhausen und Mülheim das Problem.“
Michael Willhardt freut sich über die Aktivität. „Das Problem muss grundsätzlich gelöst, nicht eingemauert werden, da hat Janssen recht.“ Bis das geschafft sei, müsse man viel Geduld haben. Insoweit wäre es schön, wenn schon mal die Straßenreinigung öfter käme.