Duisburg.

Als Frank Switala 1985 fürs Abi büffeln musste, hat er sich zum Innenhafen zurückgezogen. „Hier war absolut nichts los, alles lag in Schutt und Asche“, sagt der Stadtführer. Gut 25 Jahre später vergnügen sich an einem schönen Sommerabend 4000 Menschen in den Kneipen und Restaurants am Hafenbecken. Und aus den Ruinen sind schicke Lofts entstanden, die mit zehn Euro die höchsten Quadratmeterpreise Duisburgs erzielen. Seit der IBA (1989-99), die den Anstoß gab, Industriebrachen wie den Innenhafen mit neuen Leben zu füllen, ist viel passiert.

Die Gruppe hat sich zur sonntäglichen Führung durch den Innenhafen angemeldet – und jetzt stehen alle hier am Rathaus. Von Wasser keine Spur, mal abgesehen von dem bisschen, das im Mercatorbrunnen plätschert. „Um den Innenhafen zu verstehen, muss man etwas von Duisburgs Stadtentwicklung wissen“, sagt der Gästeführer.

Bis ins 12. Jahrhundert floss der Rhein vorm Rathaus lang. Danach verlegte er sein Flussbett und schnitt Duisburg von der Hauptwasserstraße ab – „da war dann wirtschaftlich nichts mehr zu reißen“, erzählt Switala auf seine betont legere Art. Bis sich die Duisburger entschlossen einen Kanal zu graben, um für Schiffe erreichbar zu bleiben. Das Endstück dieses Kanals ist der Innenhafen.

Bis in die 60er Jahre wurde Korn gelagert

Bevor die Stadt zum wichtigen Zentrum der Montanindustrie wurde, machte sie Karriere als „Brotkorb“ des Ruhrgebiets. Mit der Industrialisierung wuchs die Bevölkerung und damit der Nahrungsbedarf. In Getreidespeichern und Mühlen des Innenhafens wurde bis in die 60er Jahre Korn gelagert, verarbeitet und anschließend gekauft. Oder auch nicht.

Günter Bitz, der nach dem Krieg als Maurer an der Instandsetzung der lädierten Mühlen gearbeitet hat, erinnert sich an die „Kneiselbahn“. In schlechten Zeiten haben Schlawiner die Getreidewaggons angezapft und klammheimlich Korn für den Eigenbedarf abgezweigt – „kneiseln“ heißt im Jargon soviel wie klauen.

Wir stehen mittlerweile am Stadtmuseum in der alten Rossinimühle und schauen auf die Baustelle des Landesarchivs, das Mitte 2012 eröffnet werden soll. „Ich bin inzwischen vorsichtig mit Daten“, kommentiert Switala mit Seitenhieb auf die Küppersmühle. Der Stadtführer erzählt ausgesprochen unterhaltsam – „ich halte mich an Billy Wilder: ,Du darfst alles, nur nicht langweilen’“.

Aber auch informativ. Man erfährt, dass das Schwanentor nichts mit den Wasservögeln zu tun hat, sondern ursprünglich von Morast kommt. Und davon, dass „Lissi“, also Queen Elisabeth II., persönlich anreiste, um die Städtepartnerschaft mit Portsmouth zu besiegeln.

Garten der Erinnerung

Die häufigste Frage bezieht sich auf die Ruinen vorm jüdischen Gemeindezentrum. Ist das Kunst oder kann das weg? wollen die Leute von Switala wissen, wenn sie die Reste der ehemaligen Lagerhallen anschauen. Da die Ruinen zum „Garten der Erinnerung“ gehören, handelt es sich selbstverständlich um Kunst.

Einfallsreiche Architektur, Wohnen am Wasser, Museen, Raum für Konzerte und Theater – und das alles 500 Meter von der Innenstadt entfernt. „Duisburg ist eine der am meisten unterschätzten Städte Deutschlands“, so Switala.

Und im Innenhafen geht die Entwicklung noch weiter. „Ich glaube fest an Eurogate.“ Der Gästeführer ist zuversichtlich, dass sich ein Luxushotel und weitere Unternehmen am Amphitheater ansiedeln werden und er hofft auch immer noch darauf, das der „Schuhkarton“ auf der Küppersmühle installiert wird.