Duisburg. .

DerWesten stellt in loser Folge Bürger vor, die sich nach der Loveparade ehrenamtlich engagieren. Der nicht unumstrittene Verein „Never forget“ kämpft dafür, dass die Rampe und die Treppe am Unglücksort als Gedenkstätte erhalten bleiben.

Nach der Loveparade-Katastrophe haben sich viele Menschen zu Gruppen, Vereinen, Initiativen zusammen getan. DerWesten stellt sie in loser Folge in Steckbriefen vor - nach der Initiative Spendentrauermarsch, der Abwahl-Initiative Neuanfang für Duisburg, dem freien Journalisten Lothar Evers und seiner Plattform „DocuNews.org “nun den Verein „Never forget den Opfern der Loveparade“. Er kämpft für eine würdige Gedenkstätte direkt am Unglücksort. Unter den Loveparade-Gruppen ist „Never forget“ diejenige mit den wenigsten Kontakten zu anderen Initiativen. Zudem können sich viele Hinterbliebene und Verletzte nicht mit den Aktionen des Vereins identifizieren.

Wer?

Der Verein „Never forget den Opfern der Loveparade“ besteht laut Kornelia Hendrix aus derzeit rund 80 Mitgliedern. „Hervorgegangen ist er aus einer Gruppe engagierter Bürger, die sich schon kurz nach der Katastrophe am Unglückstunnel an der Karl-Lehr-Straße getroffen hat.“ Kopf des Vereins sind die beiden Vorsitzenden Kornelia Hendrix (43) und Dirk Schales (42). Der Verein hat eine eigene Homepage und stellt seine Arbeit auch bei Facebook dar.

Kornelia Hendrix ist Vorsitzende von „Never forget“. Hier eine Aufnahme von Mitte August 2010 während einer Kundgebung am Rathaus. Das Bild zeigt ihren Vorschlag für ein Mahnmal. Foto: Volker Hartmann/ddp
Kornelia Hendrix ist Vorsitzende von „Never forget“. Hier eine Aufnahme von Mitte August 2010 während einer Kundgebung am Rathaus. Das Bild zeigt ihren Vorschlag für ein Mahnmal. Foto: Volker Hartmann/ddp © ddp

Kornelia Hendrix selbst hat die Loveparade in Duisburg nicht besucht, aber ihre Familie war auf dem Partygelände. Wie viele andere Menschen, die um ihre Bekannten, Freunde, Familien-Mitglieder bangten, hatte auch sie ihre Angehörigen erst nach Stunden erreichen können.

Dirk Schales hatte schon die Loveparades in Berlin und Essen gesehen und wollte die Duisburger Loveparade, wenn sie schon einmal in seiner Heimatstadt ist, besuchen. Als er und seine Freunde das Gelände verlassen wollten, kamen sie gerade bis zur Treppe, kurz bevor die Massenpanik ausbrach. „Dort zum Zuschauen verdammt musste er mit ansehen, wie die Menschen an der Treppe um ihr Leben kämpften“, während hinter ihnen die Parade fast unbeeindruckt weiterlief, erklärt der Duisburger auf der Vereins-Homepage seine Motivation, warum er sich bei „Never forget“ engagiert.

Warum?

„Als ich das erste Mal im Tunnel war, führte ich viele Gespräch mit Betroffenen, die sich alle die gleiche Frage stellten: Was passiert mit dem Ort und kommt dort eine würdige Gedenkstätte hin, erinnert sich Kornelia Hendrix an die ersten Tage nach dem Unglück. Seitdem setze sich „Never forget“ dafür ein, dass die Rampe und die Treppe als Gedenkstätte erhalten bleiben. Das Mahnmal, wie es seit dem 26. Juni am Tunnel stehe, sei an falscher Stelle aufgebaut, so die Vereinsvorsitzende.

Auch den Kubus, in dem die Erinnerungen an die Opfer zunächst gesammelt wurden, lehnte „Never forget“ ab. Die Mitglieder verhüllten seinerzeit den Kubus, „der mehr an eine Müllhalde denn an einen würdevollen Ort zum Gedenken erinnerte“ in mehreren Aktionen.

„Was wir wollen ist eine würdige Gedenkstätte an dem Ort, an dem die meisten Toten gefunden wurden“, sagt die 43-Jährige aus Oberhausen und beschreibt das Vereins-Ziel mit einem Bild: „Du versuchst einen schmerzenden Dorn aus dem Daumen zu ziehen und das verhindern wir.“ Um diesem Nachdruck zu verleihen, wurde aus der Gruppe auch ein gemeinnütziger Verein. Hendrix versteht sich und den Verein nicht als "Sprachrohr" der Hinterbliebenen und Loveparade-Opfer, stehe aber mit Angehörigen der Opfer und Verletzten in Kontakt.

Seit wann?

„Wir sind seit dem 27. Juli täglich im Unglückstunnel an der Karl-Lehr-Straße gewesen und haben mit den Opfern und Trauernden gesprochen“, erinnert sich Kornelia Hendrix an die ersten Aktivitäten, bei denen schnell klar wurde, „dass genau dort eine Gedenkstätte entstehen muss.“ Seit dem Trauermarsch am 1. August 2010 sammelten die Mitglieder über 3000 Unterschriften für eine Gedenkstätte, die der Stadt übergeben wurden. Aktuell sammelt der Verein erneut Unterschriften, um die Rampe als erhaltenswürdigen Ort einzustufen, die am 25. Juli dem Rat übergeben werden sollen. Schon kurz nach dem Unglück habe die Gruppe Kontakt zur Stadt und auch Möbel-Unternehmer Krieger geknüpft, so die Vorsitzende. Dementsprechend sieht sie in dem jüngsten Beschluss, den Ort der Tragödie zu erhalten, auch ihre Ziele zum Teil verwirklicht.

Arbeit und Aktionen

An 24. eines jeden Monats erinnert „Never forget“ mit eigenen Aktionen an die Tragödie bei der Loveparade, unter anderem mit Demonstrationen am Tunnel sowie vor dem Rathaus und mit einer Mahnwache, bei der auch Unterschriften für das Abwahlverfahren der Initiative "Neuanfang für Duisburg" gesammelt wurden. Außerdem kümmert sich der Verein seit dem 5. September 2010 um die kleine provisorische Gedenkstätte am Unglücksort. An der Treppe erinnern nun Kerzen, Blumen und Fotos an die 21 Toten. „So ist nach und nach eine kleine Gedenkstätte entstanden, die wir bei Wind und Wetter pflegen. Wir erneuern täglich die Kerzen“, zählt Hendrix auf.

Immer wieder veranstaltet „Never forget“ Demonstrationen gegen das Vergessen. Foto: Stephan Eickershoff/WAZFotoPool
Immer wieder veranstaltet „Never forget“ Demonstrationen gegen das Vergessen. Foto: Stephan Eickershoff/WAZFotoPool © WAZ FotoPool

Am Abend des ersten Jahrestages der Loveparade (vermutlich ab 19 Uhr, nachdem die Angehörigen den Tunnel verlassen haben) will der Verein 42 Luftballons und 21 weiße Tauben als Symbol am Unglücksort fliegen lassen. Am 23. Juli, ab 22 Uhr, möchte „Never forget“ mit über 1200 Kerzen den Tunnel zum Leuchten bringen. Außerdem gab der Verein am 13. Juli bekannt, einen Antrag zur Umbenennung der Karl-Lehr-Straße in „Straße der Erinnerung“ gestellt zu haben.

Kooperationen

Mit den übrigen Initiativen hat der Verein “Never forget“ keinerlei Kontakte. Auch viele Angehörige der Opfer und Verletzte der Loveparade sind mit dem Auftreten von „Never forget“ nicht einverstanden und fühlen sich sogar teilweise brüskiert von den Aktionen der Gruppe. Konflikte mit vielen Verletzten bestreitet Kornelia Hendrix nicht, viele Hinterbliebene - "auch aus dem Ausland" -, hätten das Engagement von "Never forget" jedoch gelobt, sagt sie.