Duisburg. . Der Mangel an Psychotherapeuten und Psychiatern ist in Duisburg ist groß: Wer Hilfe bei einer psychischen Erkrankung sucht, muss bis zu einem Jahr auf einen Termin warten. Selbsthilfegruppen können helfen, die Zeit zu überbrücken.
Beim Jahresrückblick stellte die Selbsthilfekontaktstelle des Paritätischen fest, dass das Thema „psychische Erkrankungen“ bei den Anfragen nach einer Selbsthilfegruppe den höchsten Stellenwert einnahm. „Die Leute wissen nicht, was sie machen sollen“, beschreibt Sozialarbeiterin Kendra Anlahr die Hilflosigkeit. Therapeuten hätten häufig lange Wartelisten und die seelische Not der Betroffenen werde in der Zwischenzeit sehr groß.
Viele koste es große Kraft, die Wartezeit mit Unterstützung einer Selbsthilfegruppe zu überbrücken. „Die Selbsthilfe kann eine professionelle Therapie natürlich nicht ersetzen, wir verweisen zusätzlich auf Duisburger Beratungsangebote, aber die Selbsthilfe ist hier trotzdem stark gefordert“, ergänzt Pädagogin Anja Hoppermann. Das schlägt sich auch in den Neugründungen nieder. So entstanden zwei Gruppen zum Thema „Burn-out“ und eine für Homosexuelle mit Persönlichkeitsstörung. Auch die Menschen, die unter den Folgen der Loveparade-Katastrophe leiden, haben sich zusammengeschlossen und treffen sich nun regelmäßig unter dem Namen Massenpanik e.V.
Wartezeiten bis zu einem Jahr
Die langen Wartezeiten bestätigt Diplom-Psychologin Stephanie Weisgerber, die ihre Praxis in der Innenstadt betreibt. „Die Patientin, die als nächstes dran ist, wartet seit Juni“, beschreibt sie. Bis zu einem Jahr müsse man auch bei ihren Berufskollegen warten. Die Folgen daraus spürt etwa Regenbogen, der Duisburger Dienstleister für seelisch kranke Menschen. Geschäftsführerin Elisabeth Hofmann stellt fest, dass die zehn Neuzulassungen in der Psychotherapie in den letzten Jahren „überhaupt nicht reichen“. Manche Klienten hätten gar erst nach einem Jahr ein Erstgespräch und müssten dann wieder warten: „Diese Geduld haben viele nicht, sie überbrücken mit Gesprächskreisen und Einzelberatung. Ein Ersatz für eine Therapie ist das aber nicht.“
Die Psychotherapeuten-Kammer NRW macht seit Anfang des Jahres verstärkt auf das Problem der Unterversorgung aufmerksam. Sie zählt derzeit 79 Psychotherapeuten in Duisburg und damit einen „faktischen Versorgungsgrad von 131,7 Prozent“ laut Kassenärztlicher Vereinigung, dabei müssten es 38,8 pro 100 000 Einwohner in einer Großstadt sein. Das ist etwa in Düsseldorf mit 249,1 Therapeuten der Fall, aber auch hier sei monatelanges Warten die Regel.
Gravierende Unterversorgung im Ruhrgebiet
Bei der Berechnung sei im Psychotherapie-Gesetz festgelegt worden, dass das Ruhrgebiet eine Sonderregion ist, die Städte nicht als Groß-, sondern als Kreisstädte gelten und deshalb andere Schlüsselzuweisungen haben, erklärt Kay Funke-Kaiser von der Kammer: „Wir gehen deshalb von einer gravierenden Unterversorgung aus.“
Das bestätigt auch eine Studie der Universität Duisburg-Essen, die Prof. Dr. Jürgen Wasem und die Deutsche Psychotherapeuten-Vereinigung (DPtV) veröffentlicht haben. Demnach beträgt die Wartezeit auf einen Behandlungsplatz bei einem niedergelassenen Psychotherapeuten durchschnittlich knapp 80 Tage. Überall sei sie länger als zwei Monate und nur drei Prozent der Psychotherapeuten hätten unmittelbar einen ersten Termin anbieten können.
Hilfe wird häufiger gesucht
Die Häufigkeit psychischer Krankheiten sei in Industriestaaten recht stabil, sagt Funke-Kaiser. Der vermehrte Bedarf resultiere zum einen daher, dass Psychotherapie heute als Heilberuf gilt und man ohne Überweisung einfach mit der Krankenkassenkarte zu einem niedergelassenen Therapeuten gehen könne. Zum anderen sei speziell bei Jüngeren die Bereitschaft gestiegen, zu gestehen, dass man psychische Probleme habe. Drittens würden heute seelische Krankheiten schneller als solche erkannt und nicht nur die körperlichen Symptome behandelt.
Die Kammer setzt sich dafür ein, dass der tatsächliche Bedarf festgestellt wird. Auch die Einführung einer Notfall-Versorgung sei sinnvoll, sonst bleibe das Krankenhaus die einzige - und teure - Alternative, so Funke-Kaiser. Selbsthilfegruppen seien eine wertvolle Ergänzung, weil sie stabilisierend wirken könnten.
Die SPD-Landtagsabgeordnete Bärbel Bas beteiligte sich an einer Kleinen Anfrage an den Bundestag zur Versorgung speziell auch im ländlichen Raum, durch die jetzt eine ausführliche Erhebung vorliegt. Aber die Einschätzung, wie viele Psychotherapeuten nun tatsächlich nötig sind, fehlt weiter.