Duisburg. .
Das Marienhospital bietet eine Migrantenambulanz an. Hier finden Menschen mit Migrationshintergrund Hilfe bei seelischen Krankheiten. Der Bedarf ist enorm: Drei Monate nach der Gründung standen schon 500 Namen auf der Warteliste.
Immer mehr Menschen gehen offensiv mit seelischen Krankheiten um. Das gilt nicht für Menschen mit Migrationshintergrund. Und deshalb gibt es für sie die Migranten-Ambulanz des Katholischen Klinikums Duisburg im Marienhospital.
Der Bedarf ist immens. „Drei Monate nach der Gründung 2007 standen schon 500 Namen auf der Warteliste“, erzählt Oberarzt Dr. Michael Schott. Er leitet die Migrantenambulanz, kurz MiA genannt.
Dass Migranten zuvor keine angemessene Behandlung erhielten, liegt am mangelnden Angebot, aber auch an ihrer eigenen Sozialisierung, an ihrer keineswegs woody-allen-haften Art des Umgangs mit der Seele. Aktuell erreicht MiA zu 85 % türkischstämmige Menschen, die restlichen Prozente bringen Patienten aus dem ehemaligen Jugoslawien. „In China ist man mit einer psychischen Schwäche gleich unten durch“, beschreibt Schott kulturelle Unterschiede, in Russland greife man eher zu berauschenden Mitteln.
Besonderheiten fremder Kulturen
Das bedeute nicht, dass man jede Besonderheit einer fremden Kultur beherrschen muss, um den Menschen therapieren zu können. Schott beschreibt seinen Ansatz als anthropologisch: „Es geht darum, den Menschen als solchen in seinem Erleben und Verhalten zu erkennen. Durch diesen Ansatz ist eine transkulturelle psychiatrische Behandlung mit jedem Menschen auf diesem Kontinent möglich.“ Ohnehin behandele er Menschen und nicht Krankheiten - eine kleine, aber bedeutsame Akzentverschiebung.
Die Patienten eint, dass sie vor allem über körperliche Symptome klagen, über Schmerzen in allen Schattierungen, so Schott. Vor allem Türken seien oft irritiert, wenn man sie frage, wie sie sich fühlen. Aber sie sähen es schnell als Geschenk, wenn sich ein Arzt Zeit fürs Reden nehme.
Und wer einmal da war, trägt es weiter. MiA ist durch Mund-zu-Mund-Propaganda überfüllt. „Derzeit sind die Schotten dicht, wir können niemanden mehr aufnehmen“, bedauert Schott.
390 Patienten pro Quartal
Derzeit behandelt das sechsköpfige Team rund 390 Patienten pro Quartal. Bei manchen setzt der Klärungsprozess in zwei Gesprächen ein, andere sind seit der Eröffnung regelmäßig da. Ganz nebenbei wird auch Psychoedukation betrieben, werden die Patienten im seelischen Bereich fit gemacht, manchmal ganz banal mit dem Hinweis, dass Weinen gar nicht schlimm ist.
Sprachlich hat das Team noch deutliche Grenzen, türkisch-sprachige Psychologen gibt es, Schott selbst arbeitet etwa mit Schwarzafrikanern auf Englisch, „aber eigentlich bräuchten wir einen abrufbaren Dolmetscherdienst“. Was sich nach einem teuren Spaß anhört, könnte die Krankenkassen auf Dauer günstiger kommen, weil die Patienten nicht mehr ständig von Arzt zu Arzt rennen auf der Suche nach Lösungen.
Probleme im sozialen Umfeld
Güllü Koc bringt als Sozialwissenschaftlerin einen weiteren Aspekt hinein: Die im Gespräch herausgearbeiteten Probleme im sozialen Umfeld, in der Familie oder mit Behörden, kann sie lösen helfen: „Ich kann institutionelle Hilfe von außen holen, bei sprachlichen Problemen vermitteln, bei Behördengängen begleiten“, erzählt Koc. Sensibel und angstbesetzt sei vor allem das Thema Jugendamt, „da muss ich viel Vertrauensarbeit leisten“.
Auch die Freizeitgestaltung sei für viele Patienten ein unentdecktes Feld. Bei seelischen Erkrankungen spiele Bewegung eine große Rolle, hier vermittelt sie in niederschwellige Angebote etwa für Nordic Walking. Auch die Religion ist ein wichtiges Thema, „wir respektieren die persönliche Einstellung, sie ist aber nicht ausschlaggebend für unsere Arbeit. Wir nehmen die Menschen so, wie sie sind“, sagt Koc und eilt zur Supervision. Auch an die Mitarbeiter und ihre Seele denkt MiA.