Duisburg. Ingrid Menk (76) aus Duisburg ist überzeugte Frauenrechtlerin - im Ruhestand, sozusagen. Sie engagierte sich jahrzehntelang für die Frauenrechtsbewegung, ließ kaum eine Demo aus. Heute wundert sie sich, was die Frauen sich alles gefallen lassen.

Bettlakengroß hängt es über dem Sofa: „Frauen sind die halbe Welt ... und wollen Frieden für die ganze Welt.“ Der Slogan ist 15 Jahre alt, aber für Ingrid Menk aktuell wie eh und je. Die 76-Jährige ist eine überzeugte Frauenrechtlerin, auch wenn die aktive Zeit nun vorbei ist.

Dabei verlief ihr Leben völlig klischeehaft. Schon mit 16 Jahren führte die gebürtige Ehingerin einen Sechs-Personen-Haushalt, die Mutter war krank, mehr als eine Hauswirtschaftslehre nicht gewünscht. Mit 20 verheiratet, mit 21 das erste Kind, mit 22 das zweite - „was meinen Sie, wie erleichternd das war, als es endlich die Pille gab“, gibt sie freiweg zu. Und als die Kirche sich gegen das Verhütungsmittel aussprach, war dies das Tüpfelchen auf dem i. Schon mit 14 Jahren wollte sie austreten, „da hätte mich mein Vater erschlagen“, mit 38 Jahren zog sie es dann durch. Und hat es nie bereut.

Mitglied in einer Partei war sie nie, auch wenn ihr Herz unverkennbar links schlägt, ihr Wahlkreuz viele Jahre der SPD galt. „Ich bin doch nicht aus der Kirche ausgetreten, um mich dann Parteidogmen zu unterwerfen“, begründet sie. Mitglied war sie nur einige Jahre in der Demokratischen Frauen-Initiative, die sich in Duisburg engagierte.

Alle Emma-Ausgaben im Keller gehortet

Was Frauen sich wünschen

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    Ihre politische Orientierung war bei ihren späteren beruflichen Engagements „durchaus pikant“, wie sie schelmisch lächelnd erklärt: Erst Putzfrau, dann Verkäuferin und schließlich Sekretärin, anfangs bei Rheinstahl Wanheim, dann im Rechnungswesen des Polizeipräsidiums. Ausgerechnet. „Das war schon spannend, wenn ich auf Demos die Kollegen wieder getroffen habe.“ Versuche, sie herauszukomplimentieren, scheiterten an ihrer engagierten Gegenwehr: „Es ist doch mein demokratisches Grundrecht, an jeder genehmigten Demonstration teilzunehmen“, ereifert sie sich. Höhergruppiert wurde sie in zwei Jahrzehnten nie, das nennt sie den Preis, den sie für ihre Meinung zahlen musste.

    Anfang der 70er Jahre fiel das Mitbestimmungsrecht des Mannes bei der Berufstätigkeit der Ehefrau weg, da arbeitete Ingrid Menk schon einige Jahre. Ihr Ehemann Karl-Heinz, mit dem sie 50 Jahre verheiratet war und der vor fünf Jahren verstarb, hatte es nicht immer leicht. „In meiner Generation war es doch nicht üblich, dass die Frauen eine eigene Meinung hatten. Unter seinen Kegelbrüdern hatte er einiges auszuhalten.“ Ging sie Samstags zu Demonstrationen, geisterten gleich Scheidungsgerüchte durch Wanheim, wo sie lange lebten. Kein Wunder, dass die Gerüchteküche brodelt bei einer, die alle Emma-Ausgaben von Anbeginn im Keller hortet. Alice Schwarzer findet sie „ungemein wichtig für die Frauenbewegung, auch wenn ich nicht immer einer Meinung mit ihr bin.“

    „Manchmal bin ich erschrocken"

    Ihre Neigung zu Politik und Frauenbewegung hatte auch praktische Auswirkungen mit ihrem Händchen für Transparente. Ihr Ruf wuchs und so machte sie für Bürgerinitiativen sogar Auftragsarbeiten. Einige Werke hat sie aufgehoben, manche kommen alljährlich beim Ostermarsch zum Einsatz, andere hat sie dem Alternativen Archiv in Rheinhausen zur Verfügung gestellt. Auslöser war, dass sie bei ihren ersten Demos feststellte, dass die Transparente so unschön aussahen. Also experimentierte sie selbst mit Bettlaken und Klebefolie, schnitt jeden Buchstaben, jedes Element, feinsäuberlich aus. Gemacht für die Ewigkeit. Denn Arbeit gibt es noch genug für Frauen auf dem Weg zur Gleichberechtigung. Die Frauenquote etwa sieht sie als legitime Forderung: „Freiwillige Verpflichtungen haben noch nie was gebracht, egal ob beim Umweltschutz oder anderen Themen.“ Außerdem gebe es genug schlechte Männer, die Konzerne vor die Wand fahren. Warum müssten Frauen immer noch besser sein. Gleich gut (oder schlecht) ginge doch auch.

    Und überhaupt: „Manchmal bin ich erschrocken, was sich heutige Frauen von Männern gefallen lassen.“ Ihre klare Analyse: „Das Harmoniebedürfnis vieler Frauen ist die Falle.“ Ablehnung erlebte sie selbst genug, „da muss man durch“.