Duisburg. .

Die Staatsanwaltschaft hat gegen 16 Personen Ermittlungsverfahren wegen des Loveparade-Unglücks eingeleitet. Unter anderem stehen Jürgen Dressler und Wolfgang Rabe sowie zwei Amtsleiter im Fokus. Gegen OB Adolf Sauerland wird nicht ermittelt.

Endlich sind die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nach der Loveparade-Tragödie einen wichtigen Schritt weiter gekommen: Sie richten sich jetzt konkret gegen 16 Personen, elf aus der Stadtverwaltung, vier vom Veranstalter Lopavent und gegen einen Polizeibeamten. Gegen Oberbürgermeister Adolf Sauerland wird nicht ermittelt.

Knapp sechs Monate nach dem Tod von 21 jungen Menschen und zahlreichen Verletzten und Traumatisierten gibt es nach WAZ-Informationen einen „Anfangsverdacht“ unter anderem gegen die Dezernenten Jürgen Dressler und Wolfgang Rabe sowie den Leiter des Ordnungsamtes, Hans-Peter Bölling, die Amtsleiterin aus dem Baudezernat, Anja Geer, und weitere städtische Mitarbeiter. Auch gegen den Einsatzleiter der Polizei am Tag der Loveparade, einem leitenden Polizeidirektor, wird ermittelt, ebenso gegen vier Mitarbeiter von Lopavent, unter ihnen der Crowd-Manager. Bei ihnen allen besteht der „Verdacht der fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Körperverletzung.“

Die Nachricht der Ermittlungen machten Dienstag am späten Nachmittag auch schnell die Runde im Rathaus, zumal nach und nach auch die Namen der Betroffenen durchsickerte. Im Presseamt stand das Telefon wegen zahlreicher Anfragen nicht still.

Rolf Haferkamp, der Sprecher der Duisburger Staatsanwaltschaft, erklärte zum Stand der Dinge: „Nicht auszuschließen ist, dass weitere Personen in den Kreis der Beschuldigten einzubeziehen sein werden.“ Die Feststellung eines Anfangsverdachts bedeute aber nicht zwingend, dass sich die Beschuldigten auch vor Gericht verantworten müssen, so Haferkamp. „Erst die weiteren Ermittlungen werden zeigen, ob im Einzelfall Anklage zu erheben oder das Verfahren einzustellen ist.“ In Politikkreisen schließt man nicht aus, dass zu den 16 zunächst Beschuldigten weitere hinzukommen: „Wenn einmal geplaudert wird ...“, heißt es.

Allein 2200 Zeugen wurden in den vergangenen Monaten vernommen

NRW-Innenminister Ralf Jäger sieht die Ermittlungen nun in der konkreten Phase. Staatsanwaltschaft und Polizei würden die Beschuldigten nun vernehmen. „Die Verantwortlichen für diese Katastrophe müssen ermittelt und zur Rechenschaft gezogen werden“. Allein 2200 Zeugen hatten Polizei und Staatsanwaltschaft, zusammen 90 Ermittler,- in den letzten Monaten vernommen.

Oberbürgermeister Adolf Sauerland, gegen den bislang ebenso wie gegen Lopavent-Geschäftsführer Rainer Schaller keine Ermittlungen gibt, erklärte, dies sei ein „normaler und erwarteter prozessualer Schritt im Rahmen der Ermittlungen, der auch dem Schutz der Betroffenen dient.“ Erst die weiteren Ermittlungen würden erweisen, ob sich die Anhaltspunkte bestätigen werden: „Ich bin überzeugt, dass wir alle nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt und keine Amtspflichten verletzt haben. Ich werde alles mir mögliche tun, um diese Kolleginnen und Kollegen zu unterstützen.“

Gleichzeitig nutzte er diesen Anlass, „nochmals mein Bedauern darüber zum Ausdruck zu bringen, dass ich in der Vergangenheit den Gefühlen der Geschädigten in vielerlei Hinsicht nicht gerecht geworden bin. Ich werde mein Augenmerk verstärkt darauf richten, dass die Geschädigten von der Stadt Duisburg die größtmögliche Unterstützung erfahren.“

Mettler: „Es sieht so aus, als würden nur die Kleinen gejagt“

„Wenn das so stimmt, dann kommt das für mich nicht überraschend, das habe ich erwartet“, reagierte Planungsdezernent Jürgen Dressler auf die Mitteilung der Staatsanwaltschaft und auf die Namen, die in diesem Zusammenhang bekannt wurden. „Ich bin sogar so etwas wie dankbar.“ Es sei „mehr als angemessen, wenn meine Leute nicht allein gelassen werden“, wenn nicht nur gegen weisungsgebundene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ermittelt werde, sondern auch gegen deren oberste Vorgesetzte. Es könne nicht angehen, dass die Leitungsebenen bei den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen außen vor blieben. Sein weiteres Vorgehen? „Meine Anwälte sind damit betraut.“

„Es sieht so aus, als würden nur die Kleinen gejagt“, sagt Herbert Mettler, Chef der SPD-Ratsfraktion Dienstagabend. Oberbürgermeister Sauerland sei jetzt dringend gefordert, Verantwortung zu übernehmen: „Das gehört auch zur politischen Kultur.“ Mettler erinnerte zudem an ein für 300.000 Euro erstelltes Gutachten, das der Stadt nach der Katastrophe fehlerfreies Verhalten im Zusammenhang mit der Loveparade attestiert hatte: „Das kann jetzt ja wohl in die Mülltonne.“ „Wir wünschen uns eine zügige Ermittlung, dass endlich Klarheit herrscht“, erklärte CDU-Fraktionschefin Petra Vogt. Das sei auch im Interesse der Betroffenen.