Duisburg. .
Die Stadtfinanzen sind für die Ratsfraktion der Linken zentrales Thema 2011. Zugleich stellt die Fraktion mit sechs Mandaten im Duisburger Rat personelle Ansprüche. Die Kommunismus-Debatte halten die Politiker für aufgesetzt, so Fraktionsvorsitzender Hermann Dierkes im WAZ-Gespräch.
2011 kann für Duisburg nach der Loveparade-Katastrophe, dem Haushaltshickhack und all den anderen Negativschlagzeilen nur besser werden, oder?
Hermann Dierkes: 2011 muss besser werden, soweit es in unserer Macht steht. Aber aufgrund der Finanzmisere kann Kommunalpolitik wenig leisten. Umso mehr freut uns, dass vom Land in Sachen verbesserte Finanzausstattung der Städte erste Schritte gegangen werden. Das ist ein zentrales Thema für uns. Die gesetzlichen Aufgaben der Kommunen, müssen auch finanziert werden. Seit 2001 ist Duisburg nicht mal mehr im Stande ein gesetzlich vorgeschriebenes Haushaltssicherungskonzept aufzustellen.
Ist der Ruf Duisburgs ruiniert?
Dierkes: Die bedauerlichen Ereignisse der Loveparade mit 21 Toten, 500 Verletzten und der fehlenden Aufarbeitung aus kommunaler Sicht haben uns schwer zugesetzt. Das ist aber nicht unser einziges Problem. Wir sind überschuldet. Wir sehen keine Möglichkeit mit eigener Kraft da herauszukommen. Wir werden, auch wenn es schmerzt, über Kürzungen, Einnahmeverbesserungen und sinnvolle Einsparungen reden müssen. Wir sind bereit, unseren Teil beizutragen. Aber es hat alles Grenzen. Wir sind nicht bereit, die Stadt kaputt zu sparen. Wir werden nicht dazu beitragen, Strukturen zu zerstören.
Wird Rot-Rot-Grün die gestaltende Kraft im Jahr 2011 sein?
Dierkes: Wir hoffen das sehr. Wir haben es geschafft, einen gemeinsamen Haushalt einzubringen. Wir sind fest entschlossen, diesen Prozess fortzuführen. Obwohl es hier und dort knirscht. Das Hauptproblem ist dabei eher die Meinungsbildung bei den Grünen und nicht bei den Sozialdemokraten.
Was werden die Ziele des rot-rot-grünen Bündnisses sein?
Dierkes: Da ist natürlich die finanzielle Sanierung, soweit uns das kommunal überhaupt gelingt. Da ist die Frage der weiteren Stadtentwicklung, nicht nur in der Innenstadt, sondern auch den Stadtbezirken. Wir haben mit dafür gesorgt, dass Hamborn zum zweiten Hauptzentrum Duisburgs entwickelt werden soll, und dies nicht nur im Bezug auf den Einzelhandel. Und da ist natürlich das Umweltthema. Wir sind nach wie vor eine der höchst belasteten Städte im Revier, was Feinstäube und gesundheitsgefährdende Schadstoffe betrifft. Und wir wollen außerdem eine konsequente kommunale Sozialpolitik betreiben, mit allen den Stellschrauben, die uns zur Verfügung stehen: Wir brauchen einen Sozialpass und ein Sozialticket. Mit in die Tüte gehört ein Sozialtarif bei Strom und Gas. Wir haben im Jahr 8000 bis 9000 Stromabschaltungen, weil die Menschen ihre Rechnung nicht mehr bezahlen können.
Wie geht es weiter mit OB Sauerland. Was erwarten Sie von der Untersuchung der Staatsanwaltschaft zur Loveparade. Und halten Sie die Verwaltungsspitze für handlungsfähig?
Dierkes: Die Verwaltung ist nicht voll handlungsfähig. Ein OB, der bei Repräsentationsterminen damit rechnen muss, dass er ausgepfiffen wird, ist sichtlich angeschlagen. Sehr viele Dinge sind in den letzten Monaten wegen der schweren politischen Krise liegengeblieben. Sauerlands Glaubwürdigkeit ist massiv angeschlagen, durch dieses stümperhafte Krisenmanagement , durch den Versuch, jede Schuld von sich zu weisen. Wir gehen davon aus, dass sich auch Sauerland im Rahmen des Strafprozesses seiner Verantwortung stellen muss. Es kann doch nicht sein, dass eine stellvertretende Leiterin des Ordnungsamtes vors Gericht zitiert wird, und der Chef, der politisch die Verantwortung trägt für die Rolle der Stadt, dass der außen vor bleibt. Herr Sauerland hat mehrere Chancen verpasst, Konsequenzen zu ziehen. Er hätte bis zur Klärung seine Amtsgeschäfte ruhen lassen können. Seine Selbstkritik zum Jahreswechsel nutzt da wenig. Ein angezählter Oberbürgermeister, der zum Ministerium oder zur zur Finanzaufsicht geht, ist nicht die richtige Person. Er hat politisches Gewicht verloren. Was gilt da noch sein Wort.
Duisburg baut und plant die Zukunft. Sie sprechen sich für die Wiederbesetzung der Baudezernentenstelle aus.
Dierkes: Ja. Es gibt klassische Dezernate. Die Stadtplanung gehört dazu. Wir können uns nicht vorstellen, die Stelle ein Jahr nicht zu besetzen. Die Stelle muss ausgeschrieben und besetzt werden.
Stellen die Linken dabei Ansprüche?
Dierkes: Wenn wir zu einem dauerhaften Abkommen mit der SPD und den Grünen kommen, dann werden wir neben den politischen Fragen auch personelle Forderungen stellen. Es kann nicht sein, dass wir als politische Kraft mit sechs Mandaten im Rat, personell außen vor bleiben.
Sind die Linken durch Gesine Lötzsch wieder in eine Kommunismus-Debatte geraten?
Dierkes: So wie sie inhaltlich argumentiert hat, ist das das, was die Linke vertritt. Sie will eine bessere Welt, sie will soziale Gerechtigkeit. Was mich ärgert, ist dieses Etikettenkleben. Seit es langfristige Interessen und Ziele der Arbeiterbewegung gibt, hat es diese Gespensterdebatte zum Kommunismus gegeben. Ich halte die Debatte für aufgesetzt. Wir sind eine linkspluralistische Partei. Wir haben in unseren Reihen Menschen, die sich als Sozialdemokraten oder als Kommunisten verstehen. Es hat uns gut getan, dass wir diese Kräfte zusammenführen.
Welche Rolle wird das Thema Migration und Integration spielen?
Dierkes: Für uns hat das einen großen Stellenwert. Ein Drittel unserer Mitgliedschaft hat einen Migrationshintergrund. Einer unserer Kreissprecher ist türkischer Herkunft. Und wir stellen in Nordrhein-Westfalen mit Erkan Kocalar den ersten Bürgermeister mit Migrationshintergrund. Auch Duisburg blickt auf ein Drittel der Bürger mit Migrationshintergrund. Bei jungen Menschen ist der Anteil noch höher. Das ist die Zukunft der Stadt. Es müssen die Rahmenbedingungen geschaffen werden, dass sie sich hier zu Hause fühlen. Das ist nicht nur das Bildungssystem, das ist auch etwa soziale Sicherheit. Die Diskussionen um Sarrazin bewirkten das Gegenteil. Da wurden Ängste und Verdächtigungen und irrationale Dinge aufgebaut. Wir sind mit dem Begriff „Fordern“ etwas vorsichtig, solange das mit dem Fördern nicht wirklich stimmt.