Duisburg. .

Die Loveparade werde die klamme Stadt Duisburg nichts kosten, den nötigen Eigenanteil deckten Sponsorengelder – so hieß es im Vorfeld. Mittlerweile ist klar: Das Finanzkonzept der Party basiert fast vollständig auf Steuergeldern.

Der Auftritt von OB Sauerland am 20. Februar in Sachen Loveparade hätte kaum lauter sein können. Er habe die Lösung für die Finanzierungsfrage, sagte er öffentlich. Er habe Sponsoren, die den Eigenanteil der Stadt decken würden. Die Stadt werde also – wie vom Rat beschlossen – kein Geld in das Event stecken. Sauerland strahlte, als er dies sagte. Nur leider war das nicht die Wahrheit, ergaben nun WAZ-Recherchen.

Das öffentliche Finanzkonzept der Loveparade basiert nahezu vollständig auf Steuergeldern. Und auch die Stadt Duisburg wird über eine Tochterfirma Geld in das Katastrophen-Event stecken müssen. Dies war Sauerland bekannt.

21 Menschen voerloren infoge der Massenpanik ihr Leben. Foto: Peter Malzbender / WAZ FotoPool
21 Menschen voerloren infoge der Massenpanik ihr Leben. Foto: Peter Malzbender / WAZ FotoPool © Peter Malzbender

Schon zu Beginn der Planungen im Oktober 2009 war allen Beteiligten klar, dass es finanziell eng werden würde für Duisburg. In ihrer Haushaltsnotlage durfte die Kommune nicht die für das Fest benötigten 840.000 Euro aus eigener Kasse ausgeben. Offenbar wird dies in einer E-Mail, die der inzwischen verstorbene Wirtschaftsförderer des Ruhrgebiets, Hanns-Ludwig Brauser, am 23. Oktober an Duisburgs Rechtsdezernenten Wolfgang Rabe, aber auch an Kersten Sattler von der Veranstalterfirma Lopavent schrieb.

Hilfe aus der Staatskanzlei

Darin mahnte er, bevor ein Termin für die Loveparade genannt werden könne, müsse ein zentrales Problem gelöst werden. „Das ist die noch nicht festgeklopfte Hilfestellung der Staatskanzlei zu den notwendigen Ausgaben der Stadt Duisburg.” Die Hilfe war nötig, weil die Gemeindeordnung des Landes unmissverständlich vorschreibt, dass eine überschuldete Stadt wie Duisburg keine neuen freiwilligen Ausgaben tätigen darf.

Es musste also ein Weg gefunden werden, das Gesetz passend zu machen. Am 29. Oktober 2009 rief deshalb ein Mitarbeiter aus dem Büro Sauerland im Büro des damaligen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU) an. Der ungenannte Sprecher bat darin um „politische Rückendeckung“, gerade in den diffizilen Finanzierungsfragen. Ansonsten müsse die Staatskanzlei überlegen, wie man die Nummer absagen könne.

Das Telefonat hatte Wirkung. Per Anweisung wird Kulturstaatssekretär Grosse-Brockhoff (CDU) klar gemacht, dass es sich hier um eine Chefsache handelt, die zu funktionieren habe. Und Große-Brockhoff setzt sein politisches Gewicht ein. Er spricht beim Staatssekretär im Innenministerium, Karl Peter Brendel (FDP), vor. Dieser sagt zu, „die Loveparade wird genehmigt.“ In der Folge wird der Düsseldorfer Regierungspräsidenten Jürgen Büssow (SPD) eingenordet. Anfang November ergeht an ihn die Anweisung, die Loveparade „kommunalaufsichtlich zu dulden”. Man kann dies auch als Aufforderung zum Rechtsbruch verstehen.

Druck von ganz oben

Die Trauergaben sind an der Todesrampe mittlerweile in einem gläsernen Gedenk-Kubus ausgestellt. Foto: ddp
Die Trauergaben sind an der Todesrampe mittlerweile in einem gläsernen Gedenk-Kubus ausgestellt. Foto: ddp © ddp/Mark Keppler

Büssow löst sein Problem, indem er den Druck von ganz oben ans Innenministerium zurückgibt. Das Ministerium möge ihn förmlich anweisen, das Gesetz zu brechen. Wie erwartet, beginnen die Beamten daraufhin zu mauern: „Eine kommunalaufsichtliche Duldung derartiger Aufwendungen in der überschuldeten Stadt Duisburg sind nicht vertretbar.“ Notgedrungen schließt sich Staatssekretär Karl Peter Brendel dieser Haltung an und schreibt am 22. Januar an seinen Kollegen Grosse-Brockhoff, dass die Stadt Duisburg die Feier nicht bezahlen dürfe.

Gleichzeitig denkt man im Innenministerium an andere Lösungen. Warum zahlt eigentlich nicht Lopavent für die Loveparade, wenn die Firma auch den Gewinn einstreicht? Man könne doch „von den Besuchern eine Art Eintrittsgeld“ erheben, heißt es in einem internen Protokoll. Bei einer Millionen Besuchern wären doch die Kosten der Stadt schon mit 1 Euro gedeckt. Lopavent lehnt die Eintritts-Idee aber sofort ab.

Es musste also Hilfe von oben her, und das schnell. Duisburgs Sauerland fand sie beim Ministerium für Bauen und Verkehr (MBV). Von dort wurden 450 000 Euro zur Deckung der VRR-Kosten (300.000) und für „Sicherheit und Verkehr“ (150.000) beigesteuert. Fehlten also noch 390.000 Euro. Um das Loch zu stopfen, führte der Rechtsdezernent Rabe nun Sponsoren an. Diese würden ihrerseits mit 205.000 Euro aushelfen. Doch Rabes Rechnung ging nicht auf: Lediglich die Getränkegruppe Hövelmann versprach 50 000 Euro Bares. Im Gegenzug durfte das Unternehmen die nicht-alkoholischen Getränken bei der Loveparade verkaufen.

Auch Duisburg muss zahlen

105 000 Euro sagte McFit zu, jenes Schaller-Unternehmen, das mit Lopavent hinter der Loveparade steht. Allerdings gab es das Geld nicht bar. Stattdessen versprachen die Macher Dienstleistungen, die sie sowieso hätten erbringen müssen. 15.000 Euro beispielsweise für den Betrieb der Webcams „zur Überwachung des Veranstaltungsgeländes“.

Foto: ddp
Foto: ddp © ddp

Großen Ärger brachte dem Malteser Hilfsdienst eine angebliche Sponsoringzusage in Höhe von 50.000 Euro ein. Viele Mitglieder hatten den Eindruck, dass mit ihren Spenden die Loveparade finanziert werde. Deshalb betonten die Malteser nach der Katastrophe, dass sie nie Sponsoren waren. Tatsächlich hatte die Stadt die Malteser lediglich um eine Bestätigung dafür gebeten, dass die Helfer keine Rechnung stellen würden. Diese bestätigten auch genau das. Mehr nicht. Warum auch? Der Auftrag für den Sanitätsdienst kam von Lopavent. Damit war auch Lopavent zahlungspflichtig. Trotzdem wurden die Malteser von der Stadt als Sponsoren geführt. Es drängt sich die Vermutung auf, dass Luft gebucht wurde.

Damit war die Lücke aber immer noch nicht geschlossen – knapp 190 000 Euro waren noch offen. Uwe Gerste, Geschäftsführer der „Duisburg Marketing GmbH”, brachte den Verkauf von Merchandising-Artikeln wie Anstecker ins Spiel. „Bei einem Verkaufspreis von 2 bis 5€ sieht die Stadt gute Chancen die 190 000 € zu erzielen”, heißt es in einem internen Protokoll. Weiter heißt es: „Garantiert werden kann der wirtschaftliche Erfolg der Kampagne ... nicht.” Und so kam erneut Staatssekretär Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff zum Zug. Er sagte eine „Ausfallbürgschaft“ bis maximal 100 000 Euro zu, falls der Verkauf der Anstecker floppen sollte.

Das Risiko der Stadt lag also von Anfang an bei rund 90 000 Euro, wenn alles glatt gegangen wäre.

Doch es ging nicht alles glatt. Schon die „Bürgschaft“ wirft Probleme auf. Aus internen Unterlagen der Staatskanzlei geht hervor, dass es von dort keine rechtsverbindliche Zusage gibt. In den internen Emails der Sachbearbeiter ist immer nur die Rede von einer „so genannten Bürgschaft“. Tatsächlich handele es sich um ein Fördervorhaben, für das die Stadt einen eigenen Antrag stellen müsse. Und da gebe es ein haushaltsrechtliches Problem. Denn Fördervorhaben dürfen nur gefördert werden, wenn mit den Maßnahme noch nicht begonnen wurde. Die Beamten geben sich offen, das eckige rund zu machen. Allerdings müsse Duisburg dazu einen besonderen Antrag stellen. Die Beamten aus der Staatskanzlei wollten die Kommune warnen, erhielten aber den Hinweis, das sei nicht ihre Sache. „Wenn die Stadt Duisburg etwas in Anspruch nehmen will, muss sie zu gegebener Zeit einen Antrag stellen und ihn begründen…“

Anders formuliert. Es kann passieren, dass Duisburg noch rund 190.000 Euro minus der Erlöse aus dem Verkauf der Anstecker (aktuell satt unter 40.000 Euro) in die Loveparade stecken muss.

Zusätzlich zu den Kosten für Gutachter, Rechtsanwälte und PR-Berater, die Oberbürgermeister Sauerland derzeit beschäftigt.

Die Stadt Duisburg hat die Anstecker natürlich aus eigener Kasse vorfinanziert. Auch das war ein Problem, denn, wie gesagt, eigentlich durfte Duisburg ja nichts für die Feier bezahlen. Auch hier griff Grosse-Brockhoff direkt ein. Wie aus einem internen Vermerk hervorgeht, rief er im Innenministerium beim zuständigen Abteilungsleiter an und besorgte dort die Erlaubnis für die Anschaffung der nun wertlosen Werbeartikeln. Duisburg zahlte also schon ein paar tausend Euro.