Duisburg. Über 20.000 Euro haben Menschen für den angeblich krebskranken Christoph aus Duisburg gespendet- jetzt soll alles anders sein. Kripo ermittelt.
- Die Geschichte von Christoph aus Duisburg ist eine Geschichte, die viele berührt.
- Über 20.000 Euro kommen bei einer Spendenaktion zusammen für den jungen Mann.
- Doch nun ermittelt die Kriminalpolizei - hinter dem Aufruf steckt wohl eine Lüge
Es ist eine Geschichte, die viele Menschen berührt: Freunde schreiben im Internet über einen jungen Mann namens Christoph aus Duisburg, der unheilbar an Krebs erkrankt sei. Um dessen letzte Wünsche zu erfüllen, wird eine Spendenaktion gestartet. Über 20.000 Euro kommen zusammen. Doch dann kommt heraus: Hinter dem rührenden Aufruf steckt wohl eine Lüge.
Der Reihe nach: Am 22. April wendet sich der Nutzer Tim F. mit einem Schreiben auf der etablierten Spendenplattform „GoFundMe“ an die Öffentlichkeit. Darin schreibt der Verfasser, sein Kumpel Christoph hätte nach dem langen Kampf gegen den Krebs von seinen Ärzten eine niederschmetternde Nachricht bekommen. Demnach blieben ihm nur noch wenige Wochen zu leben. In dem Spendenaufruf werden der „Organisator“ – also Tim – und der „Spendenbegünstigte“ – Christoph – jeweils mit Vor- und Nachname genannt.
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In dem Spendenaufruf heißt es weiter: „Seine Zeit auf dieser Welt mit all diesen wunderbaren Menschen, die er treffen durfte, will er sich aber nicht vermiesen lassen und wir alle möchten, dass er nochmal richtig auf die Kacke hauen kann! Wenn ihr uns dabei helfen wollt, würden wir uns riiiesig über eine finanzielle Unterstützung eurerseits freuen, womit ihr ein Teil seiner letzten Reise werden könnt!“
Das Geld der Spender solle genutzt werden, um dem Betroffenen noch Reisen und Feiern mit seinen Freunden und seiner Familie zu ermöglichen. „Wirklich jeder Euro hilft, einen gebührenden Abschied zu schaffen!“, schreibt der Verfasser des Aufrufs weiter. Den emotionalen Zeilen ist ein Foto beigefügt, es zeigt den angeblich todkranken Christoph. Zu sehen ist ein junger Mann, der an einem Sportplatz lächelnd in die Kamera blickt. Er trägt einen blauen Sportpullover und eine Kurzhaarfrisur.
Spendenaufruf: Krebserkrankung von Duisburger nur erfunden
Es dauert nur wenige Stunden, bis sich der Spendenaufruf über die sozialen Netzwerke verteilt. Auch unsere Redaktion berichtet darüber. Innerhalb einer Woche spenden nach den Angaben von „GoFundMe“ 828 Menschen. 23.437 Euro kommen demnach zusammen, bis die Spendenaktion auf der Plattform plötzlich gestoppt wird.
Was ist passiert? Mit jedem Tag wachsen wohl die Zweifel an der Geschichte vom todkranken Christoph. Wer den ganzen Namen des „Spendenbegünstigten“ im Internet sucht, findet etwa einen aktiven Nutzer gleichen Namens aus der Region in mehreren Netzwerken. Dieser macht dort auch öffentlich Angaben zu seiner Person, etwa zu seinem Beruf und zu seinem Hobby.
Am 1. Mai wird die Spendenaktion beendet und ein neuer Beitrag gepostet, erneut vom Profil des Organisators Tim F.: „Die Anteilnahme war riesengroß. Leider kam nun nach und nach ans Licht, dass Christoph nicht unheilbar an Krebs erkrankt ist, sondern an einer schweren psychischen Erkrankung leidet.“
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Der Spendenaufruf von und für ihn wegen der tödlichen Krebserkrankung sei „falsch“ gewesen. Weiter behauptet Spendenorganisator Tim in dem Text auf gofundme.com, dass Christoph an Depressionen leide. Die Richtigkeit der neuen Angaben lässt sich nicht überprüfen. Die Glaubwürdigkeit ist naturgemäß verspielt.
Gofundme: Spender bekommen ihr Geld zurück
„Wir werden alles unternehmen, dass jeder Spender seine Beiträge zurückbekommt und stehen in Kontakt mit der ‚Gofundme‘“, verspricht der Initiator schriftlich auf der Plattform und bittet im Namen von Christoph um Entschuldigung.
Im Zusammenhang mit diesem möglichen Missbrauch der Spendenplattform ist es wichtig zu wissen, dass „Gofundme“ – laut eigener Darstellung die „weltweit größte gesellschaftliche Online-Fundraising-Plattform“ – als seriös gilt. „Die überwältigende Mehrheit aller Kampagnen auf unserer Plattform ist sicher und legitim. Betrügerische Kampagnen machen weniger als ein Zehntel eines Prozents aller Kampagnen auf Gofundme aus“, erklärt das Unternehmen, das außerdem eine Spendengarantie bietet. Bedeutet: Sollte der Verdacht auf Betrug bestehen, bekommen Spender ihr Geld wieder zurück. Nach Unternehmensangaben sind die Spenden ein Jahr lang versichert.
Eine enttäuschte Spenderin hat sich wegen des aktuellen Duisburger Falls an die Redaktion gewendet. „Das Mitgefühl anderer auszunutzen, um Geld zu machen, ist einfach hinterhältig“, schimpft sie und nennt das Vorgehen „moralisch äußerst verwerflich“.
Polizei ermittelt nach Strafanzeige
Der falsche Spendenaufruf könnte auch rechtliche Folgen haben. Die Duisburger Polizei hat bestätigt, dass eine Privatperson Strafanzeige wegen Betruges gestellt hat. Sie richte sich gegen Christoph.
Es drängt sich in diesem Zusammenhang die Frage auf, ob es den Initiator Tim wirklich gibt. Nach Recherchen unserer Redaktion gibt es ihn, und er ist ein Freund des Mannes, der doch keine tödliche Krebserkrankung hat.
Der Organisator des Spendenaufrufs hat auf gofundme.com auch eine E-Mail-Adresse hinterlegt. Wir schreiben und fragen nach. In der Antwort erklärt der Empfänger: „Ich bin tatsächlich ein Freund von Christoph. Ich wurde genauso getäuscht wie alle anderen und wir werden alles in unser Macht Stehende tun, damit jeder sein Geld zurückbekommt. Mehr kann ich zu diesem Zeitpunkt nicht sagen.“
Darüber hinaus versuchen wir, mit unseren Fragen zu Christoph durchzudringen, zu der Person, um die sich der Aufruf dreht. Doch eine telefonische Kontaktaufnahme blieb bislang ebenso unbeantwortet wie mehrere Anfragen über soziale Netzwerke.
Die Kriminalpolizei hat indes die Arbeit aufgenommen. „Die Ermittlungen laufen jetzt an“, berichtet Polizeisprecherin Julia Tekock. Dabei werden die Ermittler auch Patientenakten sichten und prüfen.
>>Spendenaktionen werden überprüft
„Gofundme“ versichert auf seiner Webseite, dass sämtliche Kampagnen auf der Plattform „einer sorgfältigen Prüfung unterzogen“ würden.
Wie genau diese Prüfung abläuft, schildert das Unternehmen öffentlich nicht.