Duisburg. „Du hast mir als Frau nix zu sagen.“ Eine DVG-Fahrerin redet über einen schockierenden Angriff und Klartext zu gefährlichen Situationen im ÖPNV.

Denise Hänsch (31) hat schon als Kind davon geträumt, Straßenbahnfahrerin in ihrer Heimatstadt Duisburg zu werden. 2017 wird ihr Traum nach erfolgreich abgeschlossener Ausbildung bei der Duisburger Verkehrsgesellschaft (DVG) wahr. „Täglich unterwegs zu sein, die Verantwortung zu tragen“, erzählt die 31-Jährige. „Der Job macht mir einfach großen Spaß.“ Doch er hat auch große Schattenseiten.

Den Frust der Fahrgäste über verspätete oder überfüllte Bahnen bekommt die 31-Jährige häufig ab. „Pöbeleien und Beleidigungen gehören längst zum Alltag“, sagt sie. „Das lasse ich mittlerweile an mir abprallen. Meist werde ich als Schlampe, manchmal auch noch schlimmer beschimpft.“

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Fahrgast attackiert Bahn-Fahrerin der DVG in Duisburg

An einem Tag im September 2023 bleibt es aber nicht bei solch heftigen verbalen Ausfällen. Ein Fahrgast attackiert die Straßenbahnfahrerin. Denise Hänsch schildert den ungeheuerlichen Vorfall – und die Folgen.

„Ich hatte damals Mittagsschicht“, erzählt sie. „Ich stieg so zwischen 12 und 13 Uhr am Hauptbahnhof in die Bahn und war an dem Tag auf der Linie 903 unterwegs.“ Schnell bemerkt Denise Hänsch, dass es sehr viele und massive Verspätungen gibt. „Bei mir waren es gegen 16 Uhr 30 bis 40 Minuten.“ Die Bahn ist voll und auf dem Weg Richtung Mannesmann Tor 2 in Hüttenheim, als die Fahrerin von der Leitstelle die Aufforderung bekommt, nur bis zur Haltestelle Rheintörchenstraße in Wanheimerort zu fahren.

Kampf gegen die Verspätungen

Eine Linie zu verkürzen, ist in solchen Fällen ein übliches Vorgehen der DVG. Sie konzentriere sich dann im Kampf gegen die Verspätungen auf die fahrgaststarken Streckenabschnitte, erklärt Sprecherin Kathrin Naß.

„Ich habe die Fahrgäste informiert und auch darauf hingewiesen, dass ein Schienenersatzverkehr ab der Haltestelle Rheintörchenstraße eingerichtet ist“, erinnert sich Denise Hänsch. Ein Gelenkbus steht an diesem Tag dort zur Weiterfahrt nach Hüttenheim bereit.

Aggressiv und beleidigend

„Die Stimmung in der Bahn war nicht aufgeheizt, aber ein Mann, Mitte 30, kräftige Statur, hat sich fürchterlich aufgeregt und sich vor mir aufgebaut“, berichtet Denise Hänsch. „Er wollte partout nicht aussteigen, war mir gegenüber sehr aggressiv und beleidigend. Er machte mich persönlich dafür verantwortlich, dass die Bahn nicht weiterfuhr. Ich habe ihm versucht zu erklären, dass es nicht meine Entscheidung ist.“

Irgendwann will der Fahrgast endlich die Bahn verlassen – zu allem Übel zunächst über eine defekte und deshalb verriegelte Tür. Der Mann schlägt dagegen, wird noch wütender, ehe er schließlich den Weg nach draußen findet. Dort regt er sich weiter auf. Denise Hänsch muss ebenfalls aussteigen und eine Weiche umstellen, um in die Gegenrichtung fahren zu können.

Hausverbot erteilt

„Ich bin erst normal an dem Mann vorbeigegangen. Ein anderer jüngerer Fahrgast hat versucht, ihn zu beruhigen“, erzählt die DVG-Fahrerin. „Die Beleidigungen gingen aber immer weiter. Als das Wort ,Hurentochter‘ fiel, hat es mir endgültig gereicht. Natürlich habe ich auch Deeskalationstrainings absolviert, aber irgendwann ist Schluss. Ich habe ihm Hausverbot erteilt.“

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Daraufhin gerät die Situation völlig aus dem Ruder. „Er hat mich dann auch in einer fremden Sprache beschimpft, mich geschubst und in die Rippe geboxt“, berichtet Denise Hänsch. „Ich sei eine Frau und habe ihm nix zu sagen.“

Vor Wut geweint

Sie geht sicherheitshalber zurück in die Bahn und erleidet einen Nervenzusammenbruch. „Ich war körperlich nicht verletzt, aber geschockt und habe vor Wut geweint.“ Die Duisburgerin meldet der DVG-Leitstelle den Angriff durch den Fahrgast, der inzwischen verschwunden ist, und lässt sich überzeugen, die Polizei einzuschalten. Denise Hänsch erstattet Anzeige.

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Sie kann nicht weiterfahren, muss den Vorfall erst einmal verarbeiten. Die 31-Jährige nimmt dazu professionelle Hilfe in Anspruch und ist insgesamt anderthalb Wochen lang außer Gefecht. „Danach ging es wieder“, sagt die Denise Hänsch, die längst wieder Bahnen steuert. Den Angreifer hat sie seit dem Vorfall nicht wieder gesehen.

Polizei: Ermittlungen laufen noch

Die DVG hat den Ermittlern zu dem Vorfall Videomaterial aus dem Inneren der Bahn und von der Haltestelle zur Verfügung gestellt. „Bis jetzt habe ich noch nichts gehört“, sagt die 31-Jährige. Die Polizei teilt auf Nachfrage der Redaktion mit, dass die Ermittlungen noch laufen. „Ich habe keine große Hoffnung, dass der Täter gefasst wird“, erklärt die DVG-Fahrerin.

Sie betont, dass sie zuvor noch nie körperlich angegriffen worden sei. Auch die DVG spricht bei solchen Attacken auf ihr Fahrpersonal weiter von Einzelfällen, die sich aber mehren. Und immer wieder sei eine gewisse Klientel dafür verantwortlich: „Männer, nicht nur junge, mit Migrationshintergrund“, sagt Denise Hänsch, die sich dazu mit ihren Kolleginnen und Kollegen ausgetauscht hat. Es sind Einschätzungen, die die DVG teile, so Sprecherin Kathrin Naß.

Ab der Haltestelle Marienhospital in Hochfeld warte man eigentlich nur darauf, dass was passiert.
Denise Hänsch, Straßenbahnfahrerin bei der DVG

Denise Hänsch steuert nach eigenen Angaben auch lieber eine Bahn durch den Duisburger Süden als durch den Norden. „Ab der Haltestelle Marienhospital in Hochfeld wartet man eigentlich nur darauf, dass was passiert“, redet die 31-Jährige Klartext. Da gehe es zum Beispiel auch um Türaufrisse. „Ich bin immer froh, wenn ich in einer neuen Bahn unterwegs bin“, berichtet sie. „Da ist so etwas nicht mehr möglich.“

DVG-Fahrerin Denise Hänsch liebt ihren Job – trotz der Schattenseiten.
DVG-Fahrerin Denise Hänsch liebt ihren Job – trotz der Schattenseiten. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Zwischendurch hat Denise Hänsch mal den Gedanken gehabt, alles hinzuschmeißen und sich beruflich neu zu orientieren. „Irgendwas ohne Menschen“, erzählt sie mit einem Augenzwinkern. „Aber am Ende macht mir die Arbeit trotz allem immer noch zu viel Spaß.“

Einen Wunsch hat die Duisburgerin allerdings: „Es wäre schön, wenn die Fahrgäste trotz der schwierigen Situation im ÖPNV mehr Verständnis und Respekt für uns Fahrerinnen und Fahrer zeigen könnten. Wir machen einfach nur unseren Job.“

>> ZAHLEN ZU PÖBELEIEN UND BELEIDIGUNGEN GEGEN DVG-PERSONAL

  • Die Duisburger Verkehrsgesellschaft (DVG) führt keine Statistik zu körperlichen Angriffen auf das eigene Personal. Eine entsprechende Strafanzeige, so die DVG, stelle immer die Fahrerin oder Fahrer selbst.
  • Das Verkehrsunternehmen hat allerdings Zahlen zu Pöbeleien und Beleidigungen. Insgesamt 70 Vorfälle wurden demnach allein im Jahr 2023 registriert – Tendenz steigend. Die Dunkelziffer liege höher, weil die Fahrerin oder der Fahrer nicht immer entsprechend Meldung mache.
  • Die DVG hat sich in diesem Zusammenhang der Initiative des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) unter dem Motto „Vergiss nie, hier arbeitet ein Mensch“ angeschlossen. Dabei stehen Menschen im Fokus, die täglich für die Gesellschaft im Einsatz sind.
  • Weitere Informationen zu der Kampagne gibt es online auf www.dvg-duisburg.de/die-dvg/aktuell/mensch.