Duisburg-Homberg. Massiver Jobabbau bei Venator in Duisburg: Über die Hälfte der Stellen wird am Traditionsstandort gestrichen. Was jetzt schon bekannt ist.

Die Belegschaft des Chemiewerks Venator fürchtet um ihre Arbeitsplätze: Der Konzern will mehr als die Hälfte der Stellen am Standort in Duisburg-Homberg abbauen. 822 Personen sind dort aktuell an der Dr.-Rudolf-Sachtleben-Straße beschäftigt. Nur 360 sollen es in Zukunft sein, sagt Jörg Nadler, stellvertretender Vorsitzender des Betriebsrats. Demnach würden nach dem Stellenabbau in Duisburg 462 Venator-Angestellte weniger arbeiten. Der Betriebsrat erfuhr die Hiobsbotschaft laut Nadler am Donnerstagvormittag, anschließend wurden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einer Belegschaftsversammlung informiert.

Venator: Titandioxid-Produktion in Duisburg soll bis Mitte 2024 eingestellt werden

Erste Details teilte die britische Unternehmenszentrale von Venator am Donnerstagvormittag mit: Die Titandioxid-Produktion in Homberg (50.000 Tonnen pro Jahr) solle bereits im zweiten Quartal 2024 eingestellt werden. Über 200 Produkte der Sparte seien betroffen, erfuhr der Betriebsrat von der Konzerngeschäftsführung.

Geplant sei ein „Transfer unserer Produktionskapazitäten im Spezialbereich nach Uerdingen, um diesen Standort zu stärken“, teilte Venator mit. Konkrete Mengenangaben machte der Konzern nicht.

Ein Werksteil von Venator soll komplett geschlossen werden. Der Konzern will die Produktion von Titandioxid nach Uerdingen verlagern.
Ein Werksteil von Venator soll komplett geschlossen werden. Der Konzern will die Produktion von Titandioxid nach Uerdingen verlagern. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Ob und wie viele Arbeitsplätze genau am Standort Homberg entfallen, ob ein Teil der Belegschaft nach Uerdingen wechseln kann oder ob betriebsbedingte Kündigungen geplant sind – Antworten auf diese Fragen gibt Venator der Öffentlichkeit nicht. Darüber werde in Gesprächen mit dem Betriebsrat diskutiert, hieß es auf Nachfrage.

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Das Traditionswerk in Homberg, vielen Duisburgern unter dem vormaligen Unternehmensnamen Sachtleben geläufig, habe dennoch eine Zukunft, kündigt der Vorstandsvorsitzende Simon Turner an: „Trotz dieser Veränderungen wird der Standort Duisburg weiter betrieben und wird sich künftig auf das Geschäft mit funktionalen Additiven konzentrieren.“

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Restrukturierung nach Abschluss des Insolvenzverfahrens

Der US-Konzern Huntsman, Muttergesellschaft von Venator, hatte im Mai 2023 Gläubigerschutz für eine Reihe seiner Tochterunternehmen beantragt. Betroffen waren auch europäischen Titandioxid- und Pigmentproduzenten, die seit 2017 unter dem Dach von Venator (Sitz in Wynyard, Großbritannien) geführt werden.

Nur 360 Mitarbeiter sollen weiter im Homberger Werk beschäftigt werden, sagte Jörg Nadler, stellvertretender Vorsitzender des Betriebsrats.
Nur 360 Mitarbeiter sollen weiter im Homberger Werk beschäftigt werden, sagte Jörg Nadler, stellvertretender Vorsitzender des Betriebsrats. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Das Insolvenzverfahren sei abgeschlossen, teilte der Konzern im Oktober 2023 mit. Weil einstige Gläubiger am Unternehmen beteiligt wurden, habe sich der Schuldenstand von über einer Milliarde US-Dollar auf etwa 200 Millionen Dollar reduziert. Venator habe „großes Potenzial für langfristiges zukünftiges Wachstum“, ließ CEO Turner verlauten.

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Venator: Nachfrage- und Preisverfall bei steigenden Produktionskosten

Kurzfristig sehe sich das Unternehmen in seinem Kerngeschäft allerdings „beispiellosen makroökonomischen Gegenwinden“ ausgesetzt, hieß es aber da schon. Das bedeutet: Der Konzern leidet unter einem Nachfrage- und Preisverfall beim Titandioxid, an dessen Produktion Venator einen Weltmarktanteil von acht Prozent haben soll, bei gleichzeitig steigenden Kosten für Rohstoffe und Energie in Europa.

Der Chemie-Hersteller Venator will Hunderte Stellen in Duisburg-Homberg abbauen, wie es der Belegschaft am Donnerstag mitgeteilt wurde.
Der Chemie-Hersteller Venator will Hunderte Stellen in Duisburg-Homberg abbauen, wie es der Belegschaft am Donnerstag mitgeteilt wurde. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

„Um Venator für den langfristigen Erfolg zu positionieren, beabsichtigt das Unternehmen einen Transformationsplan umzusetzen“, erklärt der Vorstand nun. Vorgesehen sei eine Reduzierung der Produktionskapazitäten von Titandioxid in Europa (insgesamt 130.000 Jahrestonnen). 50.000 Tonnen sollen künftig in Duisburg entfallen.

Vorstand: Werden weitere Schritte bald bekannt geben

Die Produktion von 80.000 Jahrestonnen im italienischen Scarlino wurde bereits vor Monaten eingestellt und werde ruhen, „bis sich die Marktbedingungen für TiO2-Produkte verbessern“, erklärt Venator. Franceso Pacini, Leiter des italienischen Werks, ist seither Geschäftsführer in Duisburg.

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„Wir sind überzeugt, dass wir Venator mit unserem Transformationsplan besser für die Zukunft aufstellen. Bald werden wir weitere Schritte bekannt geben“, sagte CEO Simon Turner am Donnerstag. Der Vorstand bedauere die Auswirkungen für die Belegschaft in Duisburg-Homberg. „Wir werden die vor Ort betroffenen Mitarbeiter respektvoll begleiten, sie transparent über alle relevanten Schritte informieren und bestmögliche Unterstützung für einen reibungslosen Übergang bieten.“

>> TITANDIOXID: WEISSPIGMENT IN TAUSENDEN PRODUKTEN

  • Titandioxid ist das weltweit am häufigsten verwendete Weißpigment. Der Großteil wird bei der Herstellung von Farben, Lacken, Papier und Kunststoffen verwendet. Titandioxid „ist das Herzstück unseres Sortiments“, erklärt Venator auf der Firmenseite im Internet, „und wir sind stolz darauf, ein Spitzenreiter in diesem hoch spezialisierten Sektor zu sein.“ Die Pigmente der Firma würden in „täglich in Tausenden von Alltagsgegenständen verwendet“, etwa bei der Formulierung von Farben, Beschichtungen, Tinten und Keramik.
  • Venator stellt nach eigenen Angaben auch Spezialpigmente für Lebensmittel, Pharmazeutika, Kosmetika und Körperpflegeprodukte wie Sonnencreme her. Diese entsprächen „strengen globalen Reinheits- und Sicherheitsstandards und werden im Einklang [....] mit internationalen Lebensmittel- und Getränkevorschriften hergestellt“.
  • Da bei der Risikobewertung des Stoffes Titandioxid laut Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit „eine erbgutschädigende Wirkung nicht ausgeschlossen werden“ konnte, wurde Titandioxid 2022 die Zulassung als Lebensmittelzusatzstoff E 171 EU-weit entzogen.