Duisburg-Homberg. Inzwischen geht es bei dem Homberger Unternehmen Venator um 270 Jobs. Das ist fast ein Drittel der Belegschaft. Ein Sterben auf Raten?
Bei Venator werden mehr Stellen abgebaut, als angekündigt. Während im vorigen Jahr noch von 180 Jobs die Rede war, die im Chemieunternehmen auf der Kippe stehen, wurden die Angaben jetzt nach oben korrigiert. Als Teil eines „überarbeiteten Geschäftsverbesserungsplans“ werde man den Einsatz von Kontraktoren, also Vertragspartnern, reduzieren, heißt es in einer Mitteilung der Geschäftsführung. Zudem schätzt man, dass von den „Änderungen“ etwa 270 der rund 1100 Mitarbeiter betroffen sein werden. Das sind 90 mehr, als vorgesehen und beinahe ein Drittel der Belegschaft. Ein schlimmer Tag für Betriebsratschef Uwe Sova und sein Team. Jetzt war von einem „Sterben auf Raten“ die Rede.
Bereits vor der Information der Geschäftsführung der Venator Germany GmbH war in den sozialen Medien über die neue Entwicklung spekuliert worden. Am Donnerstagabend bestätigte Dr. Jürgen Koy, Geschäftsführer der Homberger Niederlassung, die neuen Zahlen. 270 Mitarbeiter werden das ehemalige Unternehmen Sachtleben in den nächsten Jahren verlassen.
Auch interessant
Jürgen Koy bemühte sich deutlich um Schadensbegrenzung. Duisburg sei ein wichtiger Standort für Venator, da dort alle Funktionsadditive sowie ein bedeutender Anteil der Titandioxid-Spezialitäten hergestellt würden, heißt es. Allerdings sei „die Finanzleistung kritisch, dringende Maßnahmen“ seien erforderlich, um die Rentabilität zu verbessern. Die Entscheidung falle der Geschäftsführung nicht leicht und man bedauere, dass „einige“ Mitarbeiter ihre Arbeit verlieren würden, so Koy weiter. Die Standortleitung werde eng mit dem Betriebsrat zusammenarbeiten, um einen „fairen und transparenten Prozess“ sicherzustellen.
Mehr konkrete Informationen werden Ende März erwartet
Das hat auch Betriebsratschef Uwe Sova vernommen. „Jetzt müssen Taten folgen“, sagt er. Die Geschäftsleitung habe sozialverträgliche Lösungen in Aussicht gestellt, nun gelte es, dies auch einzuhalten. „Keine betriebsbedingten Kündigungen“, machen Sova und sein Vize Jörg Nadler ihren Standpunkt unmissverständlich klar.
Sie haben Anwälte und die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) über die neue Entwicklung informiert und sich so Rückendeckung geholt. Informationen, aus denen hervorgeht, wo konkret abgebaut wird, sollen Ende März vorliegen. Schließungen von Teilbereichen aus der Vorproduktion des Schwarzmittelbetriebs, des Energiebetriebs, der Dünnsäure-Rückgewinnungsanlage und der Schwefelsäureanlage sind angekündigt. Sova: „Aber es heißt auch ganz klar: In jedem Bereich wird eingespart.“
Die Absätze seien eingebrochen, hieß es bereits im vorigen Jahr. Damals war seitens des Betriebsrates von 40 Prozent Einbußen die Rede. In diesem Zusammenhang hatten Sova und Nadler die mangelnden Investitionen der letzten Jahre kritisiert. Seit 2014, seit der neue Eigner und heutige Hauptaktionär, der US-Konzern Huntsman, übernahm, habe es im Werk lediglich Kleininvestitionen gegeben. Jetzt sei von einer zukünftigen Jahresproduktion von 50 000 Tonnen bei den Funktionsadditiven und den Titandioxid-Spezialitäten die Rede, bislang wurden bei Venator 100 000 Tonnen Spitzenwert erzeugt, rekapituliert Sova.
Bereiche in den Betrieben sollen dauerhaft geschlossen werden
Dazu kommt, dass ganze Bereiche in den Betrieben dauerhaft geschlossen werden sollen, so dass man die Produktion gar nicht wieder hochfahren könne, wenn die Nachfrage anzieht. Auch der Ausbildungsbereich sei betroffen. 2020 sollen keine Azubis eingestellt werden. Was 2021 passiert, sei völlig unklar. Sova: „Für uns stellt sich die Frage: Ist das der Anfang vom Ende?“
„Die Stimmung ist unterirdisch und von Angst geprägt“, so der Betriebsratschef gestern. Im ehemaligen Traditionsbetrieb wird oft und gern eine neue „Venator-Kultur“ beschworen. Uwe Sova mag davon nichts mehr hören. „Wenn das die Venator-Kultur ist, dann schäme ich mich dafür.“