Duisburg-Friemersheim. Weil Kitapersonal fehlt, müssen Eltern die Kinderbetreuung oft kurzfristig selbst übernehmen. Eine Duisburgerin berichtet aus ihren Erfahrungen.

Wenn um 7.30 Uhr mal wieder eine Nachricht aus dem Kindergarten kommt, halten die Eltern die Luft an. Dann heißt es wieder: Folgende Gruppen müssen heute zu Hause bleiben. Für Väter und Mütter der Kita-Kinder des Familienzentrums Geeststraße in Friemersheim, die zu 85 Prozent doppelt berufstätig sind, ist dann der Alarmknopf gedrückt. Wer bleibt zu Hause? Wie reagiert der Arbeitgeber? Was mach‘ ich mit dem Kind - es müssen doch definitiv beide zur Arbeit? „Das kommt hier ständig vor, obwohl sich die Kita-Leitung wirklich bemüht, solche Situationen zu vermeiden“, schildert die Vorsitzende des Elternrates, Eva Hans (45).

Diese Schreckenssituation ist mehr Alltag als Ausnahme. Da werde die Vereinbarkeit von Familie und Beruf auf eine harte Probe gestellt, weil das System einfach nicht funktioniere. „Jetzt sind endlich alle Stellen besetzt, aber seit September oder Oktober ist entweder eine Erzieherin schwanger oder jemand fällt aus durch Krankheit.“ Eine Verlässlichkeit sei absolut nicht gegeben. Es ist ein großer Bewegungs-Kindergarten mit 130 Kindern, der fachlich und pädagogisch wirklich hervorragend sei, sagt die 45-jährige Mutter. Aber, was nütze das alles, wenn ständig die Kinder dort nicht untergebracht werden können?

Stadt Duisburg hat Anwerbe-Initiative gestartet und viele Azubis eingestellt

Auch die Stadt hat einiges getan, räumt Eva Hans ein. Sie hat eine Anwerbe-Initiative gestartet und viele Azubis eingestellt, weil es Fachkräftemangel im Kitabereich genauso gibt wie überall. Aber die Personalstärke wird streng nach dem Schlüssel berechnet: Anzahl der Kinder und die Stunden, die sie in der Kita verbringen. Auch Springer unterstützten die Erzieherinnen, aber trotzdem sehe man bereits in der Grundschule, wie das System versagt. Die Kinder, die aus der Kita Geeststraße in die Schule wechseln, hätten immer noch viel mitbekommen, was die Bildung in der sogenannten Vorschule betrifft, dass sie eine Zahlenreihe bis zehn schon kennen oder Buchstaben.

Eva Hans erinnert daran, dass „eine Kita ja keine Verwahranstalt ist, sondern die hat einen Bildungsauftrag, den viele Kitas aber immer weniger wahrnehmen können.“ Das sehe man in den ungleichen Startvoraussetzungen bei den Schulanfängern. „Die katastrophalen Pisa-Ergebnisse in Deutschland haben wir uns selber eingebrockt“, ist sich die Mutter zweier Kinder sicher. „Aber, wenn die Erzieherinnen in der Kita keine Zeit mehr haben, mit den Kindern zu lesen“.

Kitas seien weit entfernt, den eigentlichen Bildungsauftrag wahrzunehmen

Sie habe auch keine Lust mehr, sich zu entschuldigen für berechtigte Kritik. Es sei in den Kindergärten ein unglaubliches Sprachenwirrwarr. Türkisch, syrisch, spanisch und andere Sprachen seien die normale Ausgangsposition in den Kitas. „Da ist eben kaum noch was möglich“, sagt sie aus Erfahrung. Denn sie hatte auch mit ihrer Tochter, die mittlerweile zur Schule geht, schon dieselben Erfahrungen. Aber die Kitas könnten, selbst beim besten Willen, der Situation nichts mehr entgegensetzen. Den eigentlichen Bildungsauftrag wahrzunehmen, davon seien sie unter diesen Umständen weit entfernt.

Was die Vorsitzende des Elternrates ganz besonders ärgert – und dabei spricht sie für viele Eltern, die kaum wissen, wie sie mit der Situation auf Dauer persönlich und im Beruf „überleben“ können. „Vor allem am Montagmorgen ist die psychische Anspannung besonders groß. Kommt in den nächsten Minuten wieder ein Anruf von der Kita, dass eine Erzieherin erkrankt ist? Was mache ich dann so schnell mit meinem Kind?“ Sie selbst könne Homeoffice machen, das sei aber in vielen Berufen gar nicht möglich. „So extrem kurzfristige Lösungen zu finden, ist oft sowieso kaum machbar.

Kinderbetreuung, wenn die Kita geschlossen ist: Nicht alle Eltern können Homeoffice machen

Eva Hans ist technische Betriebswirtin, hat also einen MINT-Beruf erlernt. „Das ist ja genau das, was die Politik immer fordert. Aber, wenn ich in meinem geliebten Arbeitsfeld ständig Klimmzüge machen muss, weil die Kinderbetreuung nicht klappt, dann fragt man sich doch, was schiefläuft.“ Sie könne zwar zum Glück im Homeoffice arbeiten, „aber, wie soll ich dann in der Zeit meinen Sohn beschäftigen? Ihn acht Stunden lang vor ein Tablet zu setzen, kann ja wohl nicht die Lösung sein“, sagt sie.

Unbegreiflich ist der 45-Jährigen, die beruflich seit Jahren im Betriebsrat aktiv ist, dass die Unternehmer nicht längst selbst Alarm schlagen. Warum von ihnen keine Hilfe und keine Lösungen kämen, sei ihr völlig unverständlich. Sie würden doch unter der Situation auch enorm leiden. In Bezug auf Unternehmer wartet sie noch mit einem anderen Argument auf. „Jeder Unternehmer kann in seinem Betrieb selbst entscheiden, wie viele Mitarbeiter er braucht, damit das Unternehmen funktioniert und erfolgreich ist. Nur eine Kita-Leitung muss sich vorschreiben lassen, mit wie vielen Personen sie den Betrieb führen darf.“ Es sei ein strukturelles Problem, das dringend geändert werden müsse. Sie werde mit den zuständigen Personen im Gespräch bleiben, damit sich die Zustände ändern, sagt die Vorsitzende des Elternrates.