Duisburg. Der Kinderschutzbund Duisburg hilft in seiner Fachberatungsstelle jungen Opfern von sexuellem Missbrauch. Das neue Team stößt auf neue Themen.
Seit 30 Jahren ist die Fachberatungsstelle gegen sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen für Betroffene in Duisburg da. Bei der Institution des Kinderschutzbundes verändert sich jedoch einiges, personell, aber auch inhaltlich:
„Wir beobachten immer mehr Fälle von Cybercrime“, sagt Manuela Grötschel, die kommissarische Leiterin. Immer häufiger seien ihre jungen Klienten von der Verbreitung kinderpornografischen Materials betroffen oder von sexualisierter Gewalt in den Medien, „die Zahlen explodieren“. Deshalb entwickeln immer mehr pädagogische Einrichtungen Schutzkonzepte und suchen dafür den Rat der Expertinnen.
Kinderschutzbund Duisburg berät zu Schutzkonzepten vor sexuellem Missbrauch
Auf Elternabenden oder bei Infoveranstaltungen für Lehrkräfte informieren sie über den verantwortungsvollen Umgang mit Handys. „Da sitzen Erwachsene, die teils noch ohne Handy groß geworden sind und sich nicht vorstellen können, was es schon in Grundschulen alles gibt“, beschreibt Grötschel. Fünftklässler seien besser informiert, was Sexting oder Cyber-Grooming ist (nämlich der Austausch pornografischen Materials via Smartphone bzw. die gezielte Anbahnung sexueller Kontakte mit Minderjährigen).
- Die WAZ Duisburg informiert Sie auch hier: zum WhatsApp-Kanal +++ bei Instagram folgen +++ jetzt Duisburg-Newsletter ins E-Mail-Postfach schicken lassen +++ WAZ Duisburg bei Facebook abonnieren +++
Die Fachberatung kann eingeschaltet werden, um Verdachtsfälle altersangemessen zu klären. Opfer von sexuellem Missbrauch werden vom Team begleitet, es gibt Hilfe zur Aufarbeitung und Stabilisierung. „Wir haben alle einen traumatherapeutischen Hintergrund, bieten aber keine Therapien an“, sagt Grötschel, „wir sind kein Ersatz für die Angebote von niedergelassenen Therapeuten“. Man kann sie auch anonym anfragen und um Hilfe bitten: „Wir erfassen dann keine Daten, können aber beraten“.
Trauma-Expertinnen führen rund 900 Gespräche jährlich
2022 hat die Fachberatungsstelle rund 130 Fälle bearbeitet, überwiegend waren die Betroffenen unter 15 Jahre alt, zwei Drittel von ihnen waren Mädchen. Dazu wurden knapp 900 Gespräche geführt – mit den Kindern selbst, mit Eltern, Bildungseinrichtungen, dem Jugendamt. 2023 seien es ähnlich viele Fälle gewesen.
Dass die Fachberatungsstelle das soziale Umfeld mit in den Blick nimmt, ist eine neuere Entwicklung, „früher haben wir uns um das Kind und die Sorgeberechtigten gekümmert“, sagt Yansa Schlitzer, die ehemalige Leiterin der Beratungsstelle. Nicht jedes Kind sei nach einem sexuellen Übergriff traumatisiert, sagen die Expertinnen. Gerade bei Jüngeren reiche es mitunter, wenn man Erlebtes spielerisch aufarbeitet.
Digitale Angebote, wie sie während der Pandemie entwickelt wurden, haben sich in Duisburg allerdings nicht durchgesetzt. „Dafür gibt es genug bundesweite Alternativen“, sagt Grötschel, „wir setzen eher auf den persönlichen Kontakt“.
Auch interessant
Sexueller Missbrauch wurde früher als Einzelfall-Problem abgetan
Vor 30 Jahren habe es für die Problematik kein Bewusstsein gegeben, „da gab es einen Aufschrei, als erste Fälle von Missbrauch an Kindern publik wurden, das war in der Gesellschaft nicht vorstellbar“, erinnert Grötschel. Noch bis 2013 musste der Kinderschutzbund die Fachberatung vollständig selbst finanzieren, „da hieß es immer, es sind einzelne Fälle“, so die ehrenamtliche Vorsitzende Gerhild Tobergte. Große Werbeplattformen verweigerten sogar die Werbung für die Spendenakquise, weil man in der Öffentlichkeit niemanden mit dem Thema Missbrauch an Kindern belasten wollte.
Heute wird das Thema viel ernster genommen, sagt Schlitzer, auch die Behörden, das Jugendamt etwa, „kommen von sich aus auf uns zu, das hat sich gut entwickelt“. Die Sensibilität der Öffentlichkeit sei allerdings erst durch so tragische Missbrauchsfälle wie Lügde geschärft worden. „Erst das tonnenweise vorhandene Bildmaterial hat bewiesen, dass das Thema keineswegs aufgebauscht ist und die Zahl der Konsumenten hoch.“
Dass Städte wie Moers, die ursprünglich zum Einzugsgebiet des Ortsvereins Duisburg gehörten, inzwischen eigene Angebote aufgebaut haben, merkt das Team schon. Weniger Arbeit haben sie dennoch nicht: Die gestiegene Sensibilität sorgt insgesamt für mehr Anzeigen, mehr Fälle.
>>DAS NEUE TEAM DER FACHBERATUNGSSTELLE
Manuela Grötschel (51) ist Traumapädagogin und leitet die Fachstelle zunächst kommissarisch. Ihre Vorgängerin Yansa Schlitzer, die die Einrichtung mit gegründet hat, ist in Rente gegangen, bleibt dem Team aber beratend erhalten. Seit Januar ist Sara Philipps (36) dabei, die in der Fachstelle als Fachberaterin für Psychotraumatologie und Kreativtherapeutin aktiv werden will.
Zum Team gehört seit September Denise Mielke (29), die als Traumapädagogin und Fachberaterin tätig ist und perspektivisch auch die Leitung übernehmen soll. Bundesweit läuft ein Generationenwechsel in den Ortsvereinen des Kinderschutzbundes, die Gründerinnen hören auf, beobachtet Mielke. Sie ist froh, noch eine Weile vom Erfahrungsschatz ihrer Kolleginnen profitieren zu können.
>>KINDERSCHUTZBUND BRAUCHT SPENDEN FÜR SEINE ANGEBOTE
- Der Ortsverein des Kinderschutzbundes bekommt ein Fixum für seine Leistungen. 20 Prozent der Kosten für den Betrieb und das Personal muss er selbst erwirtschaften.
- Spendenkonten gibt es bei der Sparkasse Duisburg (IBAN DE80 3505 0000 0223 0042 35) und bei der Volksbank Rhein-Ruhr ( IBAN DE35 3506 0386 1256 6302 03)
- Weitere Informationen finden sich auf der Webseite des Kinderschutzbundes: www.kinderschutzbund-duisburg.de