Duisburg. Der Duisburger Kinderschutzbund stellt seine Fachberatung von Missbrauchsopfern neu auf. Die Experten reagieren auf Entwicklungen im Internet.
In genau 116 Missbrauchsfällen suchten Betroffene im Jahr 2021 Hilfe beim Duisburger Kinderschutzbund. 72 Mädchen und 25 Jungen unter 15 Jahren, 16 Mädchen und drei Jungen waren älter. Und die Fallzahlen steigen kontinuierlich.
Ein wesentlicher Faktor dabei ist das Internet. „Ob es sich um eine reale Zunahme von Übergriffen oder das Ergebnis verstärkter Ermittlungen handelt, kann niemand sagen“, betont die Vorsitzende Gerhild Tobergte. Klar aber war für den Vorstand: Die Fachberatungsstelle muss verstärkt werden. Mit zwei halben Stellen mehr kann die Organisation ab sofort mehr Hilfe leisten.
Manuela Grötschel und Daniel Roemer stehen jetzt der Leiterin der Fachberatungsstelle Yansa Schlitzer zur Seite. „Wir als Kinderschutzbund Duisburg widmen uns schon seit vielen Jahren der Problematik sexueller Übergriffe auf Kinder. Umso mehr freuen wir uns, dass wir auf den steigenden Beratungsbedarf reagieren können“, sagt die Vorsitzende erleichtert.
Kinderschutzbund Duisburg: Es handelt sich um organisierte Kriminalität
Eins stellt Yansa Schlitzer klar: Bei den tausenden von Bildern, die von missbrauchten Kindern und Jugendlichen im Internet zu finden sind, handelt es sich um organisierte Kriminalität, durch die jede Menge Geld verdient wird. Wie beim Drogen- und Waffenhandel.
Mit perfiden Methoden gehen diese Personen vor. Sie ködern die späteren Opfer ganz gezielt, bauen Vertrauen auf. „Und das ganze Geschäft lebt von der Schnelligkeit. Heute sind die Täter auf dieser Plattform, morgen schon auf einer anderen. Durch die Anonymität im Netz ist es besonders schwer, ihnen das Handwerk zu legen“, erklärt Daniel Roemer.
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Der Kinderschutzbund unterstreicht jedoch: Er stellt niemals Strafanzeige. Sonst könne man nicht vertrauensvoll miteinander arbeiten. Mittlerweile aber kristallisiert sich ein neues Phänomen heraus. „Früher haben fast ausschließlich aus dem Umfeld der Opfer Personen Anzeige bei der Polizei erstattet. Heute bekommen wir oft Kontakt zu missbrauchten Kindern und Jugendlichen durch die Polizei. Denn immer mehr Täter und Opfer werden vom FBI ausfindig gemacht, das dann die deutschen Behörden informiert“, schildert Yansa Schlitzer.
„Das einzig Gute bei den schlimmen Taten sind die Beweise, die die Polizei durch sichergestelltes Bildmaterial in der Hand hat“, betont Gerhild Tobergte. Fest stehe natürlich, dass allen diesen Kindern unsägliches Leid zugefügt worden ist.
Neues Präventionsangebot soll in diesem Jahr kommen
Daher plant der Kinderschutzbund ein neues Präventionsangebot in diesem Jahr. „Sexuelle Übergriffe im Internet“ heißt die Beratung, die Schulen und der Offenen Jugendarbeit angeboten werden soll und sich an Mädchen und Jungen zwischen elf und 13 Jahren richtet. „Wir wollen sensibilisieren, was man alles machen darf und was nicht. Denn viele Jugendliche sind sich gar nicht darüber im Klaren, dass es sich um eine Straftat handelt, wenn beispielsweise ein 16-Jähriger von einer 13-Jährigen Nacktbilder anfertigt“, erklärt Manuela Grötschel die zukünftige Arbeit.
Vielfach seien die Kinder, die ja bereits fast alle ein Handy haben, gewohnt, dass sie andauernd fotografiert werden, so dass man ihnen tatsächlich erklären muss, wo die Grenzen zu Straftaten liegen. Wie sich die Mädchen und Jungen im Internet verhalten sollen, auch das ist ein Thema. Bei Personen, die ihr Vertrauen im Netz gewonnen haben, werden auch viel zu schnell Telefonnummern rausgegeben. Die Kinder und Jugendlichen ahnen die Gefahren nicht. Da müsse eindeutig mehr aufgeklärt werden.
Ein Fall, der deutlich zeigt, wie sich die Welt verändert hat, schildert Manuela Grötschel. Sie hatte ein Gespräch mit einem Mädchen, dass unsäglichen Liebeskummer hatte. Im Laufe der Beratung stellte sich heraus, dass sie ihren Freund noch nie persönlich getroffen hatte. Sie hatten ausschließlich über das Netz Kontakt miteinander.
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Mittlerweile gibt es auch ein Wort für die gezielte Kontaktaufnahme Erwachsener, die die Absicht haben, Minderjährige zu missbrauchen: „Cyber-Grooming nennt man das“, erläutert Daniel Roemer. Die Fachleute hoffen mit Gerhild Tobergte, dass sich durch ihn in Zukunft auch mehr missbrauchte Jungen trauen, sich mit ihrem Problem an den Fachmann vom Kinderschutzbund zu wenden. Denn es ist immer noch so, dass männliche Missbrauchsopfer eine große Hemmschwelle haben, sich professionelle Hilfe zu holen.
>>Die Finanzierung der neuen Stellen
- Die zwei halben Stellen, die der Kinderschutzbund neu hinzubekommen hat, werden zu 80 Prozent vom Land NRW und zu einem weiteren Teil von der Stadt Duisburg gefördert. „Aber der Rest bleibt immer noch bei uns hängen“, erklärt die Vorsitzende des Kinderschutzbundes, Gerhild Tobergte.
- Darum ist die Organisation weiterhin dringend auf Spenden angewiesen, für die sie „ausgesprochen dankbar“ ist.
- Zum Angebot der Fachberater und Beraterinnen an die Missbrauchsopfer gehört sowohl die Diagnose als auch die Beratung. Aber auch die Beratung von Angehörigen wird geleistet, genauso wie die von Fachkräften, zum Beispiel Lehrern, Jugendamt, Familienhilfe und vielen Stellen mehr.