Duisburg. Das Loveparade-Verfahren wird wegen Corona-Verschiebungen wohl eingestellt. Für die Mutter eines Opfers saßen die Falschen auf der Anklagebank.

Der nächste Anlauf für eine rechtliche Aufarbeitung der Loveparade-Katastrophe ist so gut wie gescheitert. Am Freitagmittag stimmte die Staatsanwaltschaft Duisburg dem Vorschlag des Landgerichts zu, das Hauptverfahren gegen die drei letzten Beschuldigten einzustellen. Zuletzt waren etliche Prozesstage wegen der Corona-Pandemie ausgefallen. Eine Entscheidung vor dem zehnte Jahrestag des Unglücks, dem Stichtag der Verjährung, wurde immer unrealistischer. Strafrechtlich ist die Aufarbeitung der Loveparadekatastrophe damit kurz vor dem Ende. Für die Opfer und die Angehörigen indes bleibt sie elementarer Teil ihres Lebens.


Marie-Angelina wäre am Dienstag 29 Jahre alt geworden. Sie ist eines der 21 Todesopfer der Katastrophe vom 24. Juli 2010. Ihre Mutter Sabine Sablatnik hat Blumen zum Friedhof gebracht, eine Kerze entzündet – wie so oft in den letzten zehn Jahren. Dass der Prozess jetzt ein Ende hat, wundert sie nicht weiter, das sei wegen der Coronakrise vorauszusehen gewesen. „Für mich saßen ohnehin die falschen auf der Anklagebank, Schaller und Sauerland hätten da sitzen müssen“, ist sie sicher.

Loveparade-Katastrophe: Mutter will Schmerzensgeld einklagen


Deshalb hat Sablatnik den Prozess in Düsseldorf auch nie besucht. In Duisburg ist die Bielefelderin dennoch häufiger, Kontakt hält sie zu anderen Angehörigen – und zu der jungen Frau, die damals im Gedränge auf ihrer Tochter lag und seit der Katastrophe vor zehn Jahren mit gesundheitlichen Einschränkungen kämpft. So wie Sablatnik.

Die 55-jährige Busfahrerin hat schon lange keine Menschen mehr gefahren, ist Frührentnerin. Mit ihrem Anwalt will sie jetzt Schritte unternehmen, um Schmerzensgeld einzuklagen. Wenigstens das.

Einstellung besser als eine Verjährung


Jürgen Widera vom Vorstand der Stiftung Duisburg 24.7.2010 findet eine Einstellung des Prozesses allemal besser als eine Verjährung, weil die „noch unbefriedigender“ sei. In einer Stellungnahme teilte die Staatsanwaltschaft mit, dass sie die Vorwürfe zwar bestätigt sehe. Weil eine Verjährung wohl aber nicht zu verhindern war, stimmte sie dem Vorschlag des Landgerichts trotzdem zu.

Er erinnert daran, dass die verbliebenen drei, gegen die der Prozess noch lief, im letzten Jahr schon der Einstellung hätten zustimmen können, dann wäre der rechtliche Aufarbeitungsprozess ohnehin zu Ende gewesen. Viel wichtiger findet Widera, dass Richter Mario Plein sein Versprechen einlöst, dass er zu Beginn des Prozesses gab: Dezidiert die Entwicklungen und Entscheidungen, die zu der Katastrophe führten, zusammenzufassen, um auf diese Frage eine Antwort zu geben: Wie konnte das passieren? Die Pläne zum zehnten Jahrestag am 23. und 24. Juli sind coronabedingt in der Schwebe. Angehörige hätten schon Tickets gebucht, es gebe Verträge mit Künstlern, sagt Widera. Aber „wie wir öffentliches Gedenken zelebrieren können, hängt ja davon ab, welche Maßnahmen zurückgenommen werden und wie groß die Zusammenkünfte im Juli sein dürfen“.


Abgesehen davon sei auch unklar, ob Angehörige dann schon wieder einreisen dürfen. Aber: „Der Wunsch ist da, zum Jahrestag zusammenzukommen!“