Duisburg. Eine Familie hofft auf eine teure Spritze für ihre todkranke Tochter. Ein Duisburger startet eine Spendenaktion, doch 560.000 Euro verschwinden.
Im Mai 2021 lernte ein 31-Jähriger aus Duisburg-Rheinhausen eine Familie aus den USA kennen, deren Tochter an einer seltenen Form des Muskelschwundes erkrankt war. Große Hoffnung setzten die Texaner in eine zwei Millionen Euro teure Therapie. Dazu fehlte ihnen jedoch das Geld. Der Duisburger übernahm die Regie bei einer Spendenaktion, bei der in kurzer Zeit tatsächlich 750.000 Euro zusammen kamen. Allerdings: Der größte Teil des Geldes verschwand.
Wegen Untreue stand der Familienvater, der als Industriemechaniker ein schlichtes, aber geregeltes Leben führte, nun vor dem Amtsgericht am König-Heinrich-Platz. Er berichtete dort, auf Wunsch des Vaters des an spinaler Muskelatrophie (SMA) erkrankten Mädchens im Mai 2021 ein mit seinem privaten Girokonto gekoppeltes Konto bei einem Online-Bezahldienst eingerichtet zu haben. Um möglichst viele Menschen zu erriechen, richtete er einen sogenannten Money-Pool ein, trommelte in sozialen Netzwerken für Spendengelder.
Prozess um Untreue: Duisburger schildert Erpressungen
Das Geld sollte, so wurde es den Spendern versprochen, direkt an ein Krankenhaus in San Antonio überwiesen werden. Hier sollte das Mädchen eine der teuersten Spritzen der Welt erhalten, die den Krankheitsverlauf verlangsamen und die Lebenserwartung verlängern soll.
Doch es kam alles anders, die Hoffnung der Familie zerschellte vorerst: Der Angeklagte überwies nur 43.000 Euro in die Staaten. Die Sparkasse, die argwöhnte, es könne sich um Geldwäsche handeln, fror 120.000 Euro ein, die später von der Staatsanwaltschaft ihrer ursprünglichen Bestimmung zugeführt wurden. Der Rest des Geldes war futsch.
Große Summen verschwanden in einem Bezahlsystem, mit dem man weltweit hervorragend Geldwäsche betreiben kann und auf einer Online-Plattform für Sportwetten. „Ich weiß aber nicht, was mit dem Geld gemacht wurde“, beteuert der heute 31-Jährige. Der Mann behauptet: Er sei erpresst worden. Zuerst digital mit Nacktbildern, die er im Internet gepostet hatte, dann durch Drohungen gegen ihn und seine Familie. „Im Urlaub in der Türkei hat mir jemand eine Pistole an den Kopf gehalten und alle meine Daten geraubt.“
Gefängnis und 560.000 Euro Schulden
Doch der Angeklagte ging nicht zur Polizei oder suchte sich, beispielsweise bei einem Anwalt, Hilfe. Er überwies immer mehr Geld. Später bestätigte er entsprechende Transaktionen mit einer online erteilten Freigabe. „Das war falsch von mir. Aber ich hatte Angst um meine Familie.“ Beweise für die angebliche Erpressung konnte er nicht vorlegen.
Der bislang nicht vorbestrafte Angeklagte wurden wegen Untreue in 83 Fällen zu zwei Jahren und vier Monaten Gefängnis verurteilt. Die offenen 560.000 Euro muss er zurückzahlen. Das Schöffengericht glaubte die Version des 31-Jährigen nicht. Allerdings wäre die angebliche Erpressung juristisch für den Tatbestand ohnehin irrelevant gewesen.
Schließlich hatte der Angeklagte selbst zugegeben, Spenden nicht bestimmungsgemäß verwendet zu haben. Das Gericht sah es als strafschärfend an, dass es in diesem Fall, im Gegensatz zu manch anderer Betrügerei, tatsächlich um ein Menschenleben ging.
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Die Familie aus Texas konnte die Behandlung für ihre Tochter mittlerweile realisieren. Ärzte spritzten der Tochter das gentherapeutische Medikament Zolgensma.