Essen. Das Pharmaunternehmen Novartis verlost 100 Dosen des teuersten Medikaments der Welt: Zolgesma. Medizinethiker Prof. Zenz hält das für falsch.

Begleitet von massiver Kritik hat am Montag die Verlosungsaktion einer Gentherapie für todkranke Kleinkinder begonnen. Das zuständige Bundesinstitut gab dafür grünes Licht. „Ich finde das aus medizinethischer Sicht in höchstem Maße bedenklich“, sagte der Bochumer Schmerzmediziner und Ethiker Prof. Michael Zenz dieser Redaktion. Jede Art Lotterie mit dem Leben von todkranken Menschen sei verwerflich. „100 Glücklichen wird geholfen, doch was ist mit den anderen?“

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Das Schweizer Pharmaunternehmen Novartis startete die Verlosung einer Behandlung mit dem Medikament Zolgensma für 100 Kinder am Montag. Es handelt sich mit Kosten von rund zwei Millionen Euro für eine Dosis um das teuerste Mittel der Welt. Die Therapie ist für Kinder unter zwei Jahren, die an spinaler Muskelatrophie (SMA) leiden, die Muskelschwund verursacht und in schweren Fällen unbehandelt zu einem frühen Tod führt.

Kassen und Politiker werden durch Verlosung unter Druck gesetzt

Zenz verurteilte die Verlosung als eine Art „Pokerspiel“ mit den Schicksalen der Kinder, um Krankenkassen und den Gesetzgeber zur Zahlung und Zulassung des Medikaments zu bewegen. Zolgensma ist in den USA seit Mai 2019 zugelassen, in Europa hingegen noch nicht. Zenz: „Das ist einer Art von Erpressung nach dem Motto: Wenn ihr das nicht zulassen wollt, dann verlosen wir es eben.“ Über diesen Weg, Kassen und Politik unter Druck zu setzen, nannte er „ethisch höchst unanständig“.

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Das zuständige Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel genehmigte die Ausnahmeregelung für die Vergabe des Medikaments, weil es keine Gründe gebe, „dem Härtefallprogramm zu widersprechen“. Damit können Kinder, die bei der Novartis-Verlosung gewinnen, auch in Deutschland mit Zolgensma behandelt werden. Statistisch gesehen erkrankt eines von 10.000 Kindern an SMA.

Betroffene Eltern und die Gesellschaft für Muskelkranke kritisierten die Aktion. Zolgensma sollte nach medizinischen Kriterien vergeben werden und den Kindern zur Verfügung stehen, die sie am dringendsten benötigen. „Mit der Lotterie wird ein Systemwechsel bei der Zuteilung knapper Mittel eingeführt, der sehr bedenklich ist“, sagte der Düsseldorfer Ethiker Dieter Birnbacher der WAZ.

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