Duisburg. Die Zahl der Kindertagespflegestellen für U3-Kinder geht zurück. Ein Fachverband glaubt: Eine neue Satzung könnte es noch schlimmer machen.

Für Betreiber von Kindertagespflegestellen sollen nach den Vorstellungen der Stadtverwaltung in Duisburg bald neue Vergütungsregeln gelten. In der nächsten Ratssitzung am Montag steht eine neue Satzung zur Abstimmung. Dagegen formiert sich allerdings Widerstand. Die Berufsvereinigung der Kindertagespflegepersonen hat in einem umfangreichen Positionspapier Stellung bezogen und hofft auf Nachbesserung. Während städtische Erzieherinnen und Erzieher regelmäßig von Tariferhöhungen profitieren, werden „Kindertagespflegepersonen“ seit über einem Jahrzehnt gleich honoriert.

In der Kindertagespflege sieht es im Prinzip aus wie in einem Kindergarten, nur ist alles noch mal eine Nummer kleiner. Daniela Grieswald leitet das Bienennest in Wanheimerort und gilt damit als Selbstständige, Gebühren darf sie aber nicht selbst festlegen. Lediglich die Essenskosten konnte sie aufgrund der gestiegenen Lebensmittelpreise erhöhen. „Auf alles andere habe ich keinen Einfluss“, bedauert sie.

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Kindertagespflege: Verband fordert faire Bezahlung für die Erzieherinnen und Erzieher

Täglich acht Stunden betreut sie zusammen mit Sarah Acker neun kleine Kinder. Einige können gerade erst laufen, die meisten haben einen Windelpopo oder sind im Trockenwerdeprozess und brauchen immer mal eine trockene Buxe. Benno und Marie streiten sich, Zoé verteilt Küsschen, Lotti stibitzt eine Wasserflasche vom Tisch. Die beiden Frauen haben ihre Augen überall – und immer wieder Kinder zum Kuscheln auf dem Schoß. Das Mittagsschläfchen der Kleinen reicht gerade, um die Spuren der ersten Tageshälfte aufzuräumen, berichtet Grieswald.

Es ist ein verantwortungsvoller Job, der nach ihrer Ansicht nicht fair honoriert wird. Bettina Brysch hat als Sprecherin der Regionalgruppe der Berufsvereinigung der Kindertagespflegepersonen zwei Jahre mit dem Jugendamt Duisburg verhandelt. Vom Endergebnis ist sie enttäuscht. 7 Prozent mehr zum 1.1.2024 seien die erste Erhöhung seit 13 Jahren, damit sei die Kindertagespflege „längst nicht auskömmlich“, betont Brysch.

Sie ärgert sich etwa, dass die Stadt eine Betreuungskostenpauschale von 300 Euro vorsieht, während die steuerliche Pauschale um 100 Euro höher liegt. Dazu erklärt die Pressestelle der Stadt auf Anfrage, dass es sich dabei um eine gesetzliche Vorgabe des Finanzministeriums handele, die „nicht als Orientierung für die Jugendämter gedacht ist“.

41 Prozent aller Kinder in U3-Betreuung sind in Tagespflegestellen untergebracht

Ein paar Zahlen verdeutlichen, wie relevant die Kindertagespflege in Duisburg ist. Die Stadt Duisburg kann auf sie nicht verzichten, will sie den Rechtsanspruch auf Betreuung erfüllen. Allein im laufenden Kindergartenjahr werden hier 1892 U3-Kinder betreut, in Kitas sind es weitere 2711 Plätze, schreibt die Stadt in einer Ratsvorlage. 41 Prozent aller U3-Kinder sind also in Tagespflegestellen. Sie sind alle ausgebucht. An der Tür zum Bienennest hängt ein Zettel: „Freie Betreuungsplätze erst wieder ab 1.8.2024.

Laut Vorlage der Stadt ist die Zahl der Tagespflegestellen jedoch rückläufig: Die Zahl der aktiven Tagespflegepersonen sinkt von aktuell 473 auf 432 im nächsten Kindergartenjahr. Bettina Brysch gehört zu jenen, die hingeworfen haben. Trotz Studium bleibe ihr bei einer 40-Stunden-Woche nur ein Stundenlohn von 11,55 Euro, ab 2024 wären es 12,37 Euro gewesen, immerhin knapp über dem Mindestlohn. In den anderen Qualifizierungsstufen, die es für Tageseltern gibt, bewegt sich der Lohn nach dem neuen Modus zwischen 8,54 und 11,19 Euro, also unter Mindestlohn, als Selbstständige.

Tagesmutter gibt ihre Einrichtung auf

Brysch macht sich jetzt im Mentoring-Bereich selbstständig, „da hab ich weniger Sorgen, weniger Bürokratie und mehr Möglichkeiten, auf äußere Einflüsse zu reagieren“. Auch wenn ihr Herz an den Kindern hing. Grieswald und ihre Partnerin haben diese Karte noch nicht gezogen. „Ich liebe diesen Job, ich bin gern Tagespflegeperson“, betont Grieswald. Sie habe gute Erziehungspartnerschaften mit den Eltern, könne in der kleinen Gruppe gut auf die Bedürfnisse der Kinder eingehen. „Wir sind täglich acht Stunden mit ihnen zusammen, da lernt man sie gut kennen.“

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Zum großen Glück fehlt ihr ein angemessenes Gehalt. Die Berechnung in der Satzung ist sehr komplex. Der Verband glaubt, dass weder alle Mitglieder noch Politiker die Vorlage im Detail verstehen. Umso größer ist die Sorge, „dass die Vorlage von SPD und CDU durchgewunken wird und dann wieder 15 Jahre lang nichts passiert“, sagt Brysch. Sie fordert unter anderem eine regelmäßige Anpassung an die Teuerungsrate, etwa bei den Sachkosten, und manches mehr.

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Tagespflegestellen werden mehr Schließtage gewährt

Die neue Satzung bietet aber auch Verbesserungen: Vor der Pandemie durften Tagespflegestellen lediglich 20 Tage schließen. Urlaub, Krankheit, alles sollte damit abgegolten sein, jeder weitere Schließtag kostete bis zu 238 Euro. Künftig dürfen es laut Satzung 31 Tage sein. Während das in anderen Branchen für sechs Wochen Urlaub reicht, ist auch hier wieder Krankheit und Fortbildung inklusive. „Wir schleppen uns immer krank hierher“, verdeutlicht Grieswald den Druck. Einen zusätzlichen Ausfalltag kann sie sich auch künftig kaum leisten, die neue Satzung sieht einen „Rückzahlungsbetrag pro Fehltag“ von bis zu 258 Euro vor. In diesem Punkt werde es also besser, aber leider nicht gut.

Bettina Brysch (li.) und Daniela Grieswald von der Regionalgruppe der Berufsvereinigung der Kindertagespflegepersonen halten die neue Duisburger Satzung für nachbessernswert.
Bettina Brysch (li.) und Daniela Grieswald von der Regionalgruppe der Berufsvereinigung der Kindertagespflegepersonen halten die neue Duisburger Satzung für nachbessernswert. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

>>QUALIFIZIERUNG FÜR TAGESELTERN

Der Verband beklagt, dass die Eigenbeteiligung bei den neuen vorgeschriebenen Qualifizierungen für Tageseltern nicht angemessen sei.

Dazu erklärt die Verwaltung auf Nachfrage, dass das Land NRW und die Stadt den Teilnehmenden je 2.000 Euro Zuschuss gewähre, dafür müssten diese sich verpflichten, mindestens 18 Monate für die Stadt Duisburg in der Kindertagespflege tätig zu sein. Die restliche Gebühr von 1600 Euro falle „unter die eigenen Fortbildungskosten, die ggf. über die eigene Steuererklärung geltend gemacht werden können“.

In Duisburg laufe derzeit ein Kurs bei der VHS, der nächste beginne dort Mitte August.