Duisburg. In ihrer Duisburger Wohnung wurde eine 84-Jährige mit 29 Messerstichen getötet. Warum im Prozess der Druck auf die angeklagte Nachbarin steigt.
Im Prozess um die ermordete 84-Jährige aus dem Duisburger Innenhafen gerät die angeklagte Nachbarin weiter unter Druck.
Die 46-Jährige soll laut Anklage die Seniorin in deren Wohnung gewürgt und erstochen haben. Den schweren Vorwürfen nach soll sie aus Habgier und Heimtücke gehandelt haben. Nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft soll die Frau monatelang unberechtigt Geld vom Konto der Seniorin abgehoben und im Casino Duisburg „verzockt“ haben – insgesamt rund 30.000 Euro. Am Tattag hatte die 84-Jährige demnach einen Banktermin gehabt, bei dem alles hätte auffliegen können.
Die Nachbarin bestreitet die Tat vehement. Noch mehr: Sie beschuldigt die 89 Jahre alte und schwer demente Mitbewohnerin der Toten. Zum Hintergrund: Die 46-Jährige lebte mit ihrem Mann und den zwei Kindern ebenfalls in dem Mehrfamilienhaus an der Stresemannstraße und kümmerte sich um die beiden älteren Damen, begleitete sie zu Behördengängen und zu Besuchen bei Pflegediensten und Ärzten, putzte und ging für die WG einkaufen.
84-Jährige in Duisburg erstochen: Mitbewohnerin kann laut Gutachten nicht Täterin sein
Direkt im Anschluss an die Bluttat und auch zum Prozessauftakt sagte die Nachbarin aus, dass sie die 89 Jahre alte Frau im Badezimmer angetroffen hätte. Dort sei „alles voller Blut gewesen“. Mit einem Messer sei die Seniorin dann auch auf sie zugelaufen und habe sie verletzt.
Das geschilderte Szenario wird nach der Aussage eines psychiatrischen Gutachters nun immer unwahrscheinlicher. Er hatte die 89-Jährige rund vier Wochen nach der Tat vom 23. August 2022 in einem LVR-Klinikum untersucht. Damals, vor der spektakulären Wende in den Ermittlungen, galt die Frau noch als tatverdächtig.
Er habe eine „freundliche und hilflose“ Person erlebt, die sich „wackelig“ und mit Hilfe eines Rollators langsam fortbewege. Bezüglich ihres Aufenthaltsortes sei sie komplett desorientiert gewesen. „Die Gedächtnisleistung war massiv heruntergefahren“, berichtete der Experte Dr. Frank Sandlos. Das Stadium ihrer Demenzerkrankung auf der GDS-Reisberg-Skala, einem anerkannten Bewertungssystem des Schweregrads, bezifferte er mit sechs. Dem zweithöchsten Wert. Er diagnostizierte schwere kognitive Einschränkungen.
89-Jährige ist im Alltag auf Hilfe angewiesen
Die 89-Jährige sei im Alltag ständig auf Hilfe angewiesen. Sie könne sich nicht selbstständig waschen oder Nahrung aufnehmen. Konnte diese Frau ihre Mitbewohnerin also bis zum Bruch des Kehlkopfes würgen und sie mit 29 Messerstichen tödlich verletzen und einen dieser Stiche sogar mit einer solchen Wucht ausführen, dass eine Rippe durchtrennt wurde? Und konnte sie anschließend alle Spuren in großer Eile beseitigen? Die Antwort des Gutachters: „Eine solche Handlung ist in ihrem Zustand unvorstellbar.“ Zu einer so strategisch-taktischen Leistung sei sie nicht mehr fähig.
Unkontrollierte Aggressionen hätten er und das Pflegepersonal in der Klinik bei der Seniorin ebenfalls nie beobachtet. Das passt zur zurückliegenden Aussage der Schwester der Toten. Sie berichtete, Auseinandersetzungen und Übergriffe habe es zwischen den Frauen, die seit 50 Jahren befreundet waren, nicht gegeben.
Anders als an den beiden vorangegangenen Verhandlungstagen wirkte die 46-Jährige am Donnerstagvormittag emotional deutlich zurückhaltender, fast abgekämpft. Nur leise unterhielt sie sich mit ihren Verteidigern.
>>Mordprozess: Auch Polizist sagt aus
- Am dritten Prozesstag wurde außerdem einer der Polizisten befragt, der an dem heißen Sommertag in die gemeinsame Wohnung der Seniorinnen gerufen wurde.
- Über die 89-Jährige sagte er: „Sie hat definitiv nicht verstanden, was passiert ist.“ Sie sei wegen der vielen Einsatzkräfte in der Wohnung verängstigt gewesen und habe auf der Sitzbank gesessen und zeitweise „ins Leere geschaut“. An der Frau habe er kein Blut und keine Verletzungen festgestellt.