Duisburg. Wer tötete brutal eine 84-Jährige in Duisburg? Am zweiten Tag des Mordprozesses äußert sich die Schwester des Opfers. Sie ist Nebenklägerin.
Es muss schon schönere Geburtstage im Leben von Frau H. gegeben haben. Die Seniorin ist Nebenklägerin im Prozess um eine ermordete 84-Jährige in Duisburg. Frau H. ist die jüngere Schwester der Getöteten. Am Dienstag, beim zweiten Prozesstag, ist sie 83 Jahre alt geworden. „Herzlichen Glückwunsch“, sagt der Vorsitzende Richter. Dann startet die Befragung der Zeugin am Duisburger Landgericht.
Die Frau, die mit ihrem Mann aus Bonn gekommen ist, beschreibt das Verhältnis zwischen der Getöteten und deren dementer 89-jähriger Mitbewohnerin, die zunächst als Verdächtige ins Visier der Ermittler geraten war: „Es war eine 50-jährige Freundschaft.“ Die Seniorinnen hätten sich immer gut verstanden, seien zusammen in den Urlaub gefahren. Einen Tag vor der Tat habe sie noch mit ihrer Schwester telefoniert. Die habe sich am 23. August 2022 mit einer Freundin in der Stadt treffen wollen und dann noch einen Termin bei einer Bank gehabt. „Das war das letzte, was ich von ihr gehört habe.“ Ob das Alter mal ein Thema gewesen sei, will der Vorsitzende Richter wissen? „Meine Schwester hatte immer Pläne“, sagt Frau H., „zum Beispiel in den Urlaub zu fahren.“
Opfer wurde mit 29 Stichen mit einem Küchenmesser getötet
Die Aussage der Schwester und auch ihres Mannes stützt die Anklage: Die geht davon aus, dass eine 46-jährige Nachbarin die 84-Jährige mit 29 Stichen mit einem Küchenmesser getötet und dann die demente Mitbewohnerin verdächtigt hat. Die Angeklagte soll damit versucht haben zu vertuschen, dass sie unberechtigt Geld von den Konten der Seniorinnen abgehoben haben soll. Das hätte bei dem Bank-Termin auffliegen können. Dass die Getötete über ihre Verhältnisse gelebt habe, wie es die 46-Jährige sagt, könne nicht sein, so der Schwager der Getöteten. Dass sie diverse Sachen im Internet nachgesehen und bestellt hätte? Sie habe sich auf „Fernseher und Telefon“ verlassen, sagen die Schwester und deren Mann.
Ob es mal oder regelmäßig Streit in der Seniorinnen-WG gab, wie von der Angeklagten behauptet, will das Gericht wissen: „Meine Schwester war temperamentvoll“, sagt Frau H. Deren Mitbewohnerin habe „stur“ sein können. Aber Auseinandersetzungen? „Nein.“ Schläge der Jüngeren, Übergriffe mit einem Kissen der Älteren, wie ebenfalls von der Angeklagten geschildert? Davon wisse sie nichts, sagt die Nebenklägerin. Das Verhältnis sei „wie unter Geschwistern“ gewesen.
Angeklagte wendet Kopf während der Aussage der Schwester ab
Die Angeklagte wendet ihren Kopf während der gesamten Aussage zur Seite, auch den Mann der Nebenklägerin wird sie später nicht anschauen. Zwei Tage nach der Tat telefonieren die 46-Jährige und die Schwester der Getöteten. Es geht darum, was die Angeklagte am Tattag erlebt hat. Laut eigener Aussage hatte die 46-Jährige nach Schreien im Erdgeschoss nach dem Rechten sehen wollen, dort die tote 84-Jährige entdeckt und will dann von der 89-Jährigen mit einem Messer attackiert worden sein. Als die Schwester von dem Telefonat danach berichtet, schluchzt und weint die Angeklagte. Dann muss sie sich übergeben. Kurze Pause.
Vor der Aussage der Nebenklägerin hatte sich erneut die Angeklagte erklärt und Fragen gestellt - ohne größere Neuigkeiten im Vergleich zum Prozessauftakt vor einer Woche. Sie sei für die Seniorinnen, für die sie Haushaltstätigkeiten erledigt hatte, wie eine Tochter gewesen, habe sich nie eigenmächtig an deren Konten bedient, von dem Banktermin habe sie nichts gewusst. Ja, sie gehe regelmäßig ins Casino, das sei auch bekannt, und nein, sie habe die 89-Jährige nicht belastet: „Als ich die Wohnung betreten habe, war die Frau schon tot. Ich weiß nicht, was davor vorgefallen ist.“ „Das haben Sie schon gesagt“, entfährt es schließlich dem Vorsitzenden Richter, „auf Wiederholungen legen wir keinen großen Wert.“
Brillant-Ring und Schmuck fehlen, Schwager vermisst Kontoauszüge
Am 15. Mai des vergangenen Jahres besuchten Frau H. und ihr Mann die Seniorinnen letztmals in Duisburg - drei Tage nach dem Geburtstag der 84-Jährigen sollte dieser nachgefeiert werden. Die zuvor regelmäßigen Besuche hätten sich in der Corona-Zeit zunehmend ans Telefon verlagert, sagen beide. Die Demenz der 89-Jährigen sei bei dem Besuch im Mai schon fortgeschritten gewesen, erklärt das Ehepaar übereinstimmend. Die beiden seien nicht mehr erkannt worden.
Am 20. Oktober des vergangenen Jahres ist Herr H. mit seinen Töchtern erstmals seit der Tat in der bislang versiegelten Wohnung an der Stresemannstraße nahe dem Innenhafen, um persönliche Gegenstände der Getöteten abzuholen. Ein Brillant-Ring und Schmuck-Gegenstände hätten gefehlt, sagt Frau H. Ihr Mann vermisst Kontoauszüge für das Jahr 2022, obwohl seine Schwägerin immer sehr korrekt gewesen sein soll. An diesem 20. Oktober, berichtet Herr H., habe er von der Polizei auch eine Nachricht erhalten: „Der zweite Schock war noch viel schlimmer als der erste.“ Die 46-Jährige sei verhaftet worden. Der Fall hatte eine spektakuläre Wende bekommen.