Duisburg. Schiedsleute sind ehrenamtlich um den Rechtsfrieden bemüht. Duisburger Streitschlichter erzählen vom Ehrenamt und von mitunter kuriosen Fällen.

Gründe, um sich mit Mitmenschen zu streiten, gibt es genug: Da wuchern Büsche über die Grundstücksgrenze, nimmt ein Baum des Nachbarn der eigenen Solaranlage die Sonne. Und manchmal fallen auch Beleidigungen oder es wird sogar mal handgreiflich. In solchen Fällen muss man nicht gleich klagen oder eine Anzeige erstatten. Vielfach kann der Gang zur zuständigen Schiedsperson das Problem lösen. Im Gebäude des Amtsgerichts trafen sich jetzt Schiedsleute aus Duisburg, um Erfahrungen auszutauschen und langjährige Kollegen zu verabschieden.

Zum Beispiel Hermann Weßlau, der 35 Jahre lang Streitigkeiten schlichtete. „Es gab öfter mal Streit ums liebe Geld“, berichtet er über seinen Bezirk Neudorf. „Handgreiflich wurde da selten jemand.“ Der klassische Fall für ein Schiedsverfahren? „Die Platane, die Großväter mal an der Grundstücksgrenze gepflanzt haben, und über deren Existenz sich jetzt die Enkel streiten.“

Duisburger Schiedsfrau leitete in 19 Jahren 298 Schlichtungen

Hannelore Fehr, die für Großenbaum und Rahm zuständig war, hört nach 19 Jahren auf. In dieser Zeit hat sie genau 298 Schiedsverfahren geführt. Was sich in etwa mit den Durchschnittswerten deckt: Zehn bis 15 Verfahren führt jede Schiedsperson pro Jahr. Allerdings kommen auf jedes Verfahren dreimal so viele Leute, die bei Schiedsleuten Rat suchen, ohne dass es zu einem Antrag und einer förmlichen Schlichtung kommt.

„Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt“, legte Friedrich Schiller im gleichnamigen Drama Wilhelm Tell in den Mund. Doch so böse ist der Nachbar oft gar nicht. Schiedsleute sorgen für diese Einsicht.
„Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt“, legte Friedrich Schiller im gleichnamigen Drama Wilhelm Tell in den Mund. Doch so böse ist der Nachbar oft gar nicht. Schiedsleute sorgen für diese Einsicht. © Foto: Dirk Bauer

Dabei müssen Schiedsleute auch kuriose Fragen beantworten. „Bei mir stand einmal eine Frau vor der Tür, die hat mir erzählt, dass ihr Mann im Urlaub eine andere kennengelernt hat und ausgezogen ist“, erinnert sich Cevdet Maras, dessen Bezirk Neuenkamp und Kaßlerfeld ist. Der Gatte komme aber regelmäßig zu Besuch, habe die Frau erzählt. „Sie wollte wissen, ob sie dann wirklich noch für den Kochen muss.“ Ein Schlichtungsverfahren sei daraus nicht geworden, nur ein persönlicher guter Rat, lächelt Maras.

Jura spielt kaum eine Rolle, aber die Fähigkeit, sich in andere zu versetzen

Schiedsleute, da sind sie sich einig, müssen eine Mischung aus Streitschlichter und Sozialtherapeut sein. Viele Kontrahenten würden sich beim Termin zunächst nicht mal anschauen. „Hinterher gehen sie dann manchmal einträchtig nebeneinander nach Hause. Das ist für einen Schiedsmann die größte Freude“, so Cevdet Maras. „Man muss sich in die Schuhe des anderen versetzen“, bringt Hannelore Fehr die Sache auf den Punkt. Genau deshalb wird auch im privaten Rahmen auf neutralem Boden geschlichtet, nämlich in der Wohnung der Schiedsperson. Jura spiele nur am Rande eine Rolle. „Das kann jeder mit gesundem Menschenverstand recht schnell erlernen. Für mich gibt es kein schöneres Ehrenamt.“

Gesetzbücher, Kommentare und Literatur zur Rechtsprechung füllen in Gerichtsbibliotheken Kilometer von Bücherregalen. Schiedsleute brauchen keine juristischen Vorkenntnisse, aber viel Empathie.
Gesetzbücher, Kommentare und Literatur zur Rechtsprechung füllen in Gerichtsbibliotheken Kilometer von Bücherregalen. Schiedsleute brauchen keine juristischen Vorkenntnisse, aber viel Empathie. © Foto: Sergej Lepke

Ein Amt, das eine wichtige Funktion hat: „Schiedsleute sind die Mittler zwischen Justiz und Bürger“, erklärt Volker Zekl, stellvertretender Direktor des Amtsgerichts Duisburg. „Sie nehmen der Justiz viel Arbeit ab.“ In rund der Hälfte der Schlichtungsverfahren lässt sich bereits eine Einigung erzielen. Das jeweils zuständige Amtsgericht ist dabei nur die Aufsichtsbehörde.

Gerade in Duisburg gibt es Nachwuchsprobleme

Gewählt werden die Schiedsleute vom Rat der Stadt beziehungsweise den zuständigen Bezirksvertretungen. Schiedsleute benötigen keine juristischen Vorkenntnisse – entsprechende Weiterbildung wird allerdings angeboten und empfohlen – und müssen mindestens 25 Jahre alt sein. Der zu erwartende Gesamtzeitaufwand liegt bei etwa vier Stunden pro Fall. Die Aufwandsentschädigung von gut 500 Euro pro Jahr ist wohl eher symbolischer Natur.

Doch zum einen sei die Institution in der Bevölkerung immer noch weitgehend unbekannt, bedauern die Ehrenamtler. Zum anderen gibt es – gerade in Duisburg – erhebliche Nachwuchsprobleme. „Von 28 Schiedsbezirken in der Stadt sind derzeit zehn nicht besetzt“, bedauert Volker Zekl. Hermann Weßlau glaubt, die Gründe dafür zu kennen: „Das Leben ist komplizierter geworden. Job, Kinder, das stellt heute viele vor viel schwierigere Aufgaben als früher. Da sinkt die Bereitschaft für ein Ehrenamt – gerade bei jenen, die eigentlich bestens dafür geeignet wären.“

>>RECHTSAMT DER STADT DUISBURG SUCHT BEWERBER

Schiedsleute müssen in dem Schiedsbezirk, für den sie zuständig sein wollen, ihren Wohnsitz haben. Aktuell werden für die Bezirke Altstadt/Duissern, Dellviertel, Großenbaum, Mittel- und Untermeiderich, Alt-Hamborn/Obermarxloh (ab 2024), Hamborn, Röttgersbach, Neumühl, Fahrn und Hochemmerich Schiedsmänner und -frauen gesucht.

Interessenten sollten sich mit einem kurzen Lebenslauf beim Rechtsamt der Stadt Duisburg, Sachgebiet 30-22, Kuhstraße 8, 47049 Duisburg bewerben. Telefonische Auskunft gibt es unter 0203 28 36 09 3.