Potsdam/Duisburg. Das Landgericht Potsdam hat einen Duisburger verurteilt. Wie der 34-Jährige zum Helfer der „Audi-Bande“ wurde und bei einer Sprengung mitmischte.

Was treibt einen bis dato unbescholtenen Duisburger tief in den Osten und in die brandenburgische Provinz? Er hat nach Überzeugung des Landgerichts Potsdam im Jahr 2018 eine international agierende Bande von Geldautomatensprengern unterstützt. Nun wurde der 34-Jährige deshalb zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt.

In der vom Gericht festgelegten Bewährungszeit von vier Jahren muss er sich nicht nur straffrei führen, sondern auch in Raten insgesamt 8000 Euro an einen gemeinnützigen Verein zahlen. Zu dem vergleichsweise milden Urteil kam die Staatsschutzkammer um Richter Bodo Wermelskirchen nach nur zwei von 14 angesetzten Verhandlungstagen.

Es folgte auf eine Verständigung aller Seiten und ein völlig überraschendes Geständnis am Dienstag, dem ersten Verhandlungstag. Vor dem Urteil wurden nach einigen Nachfragen nur noch Dokumente ausgeteilt und verlesen, alle Zeugen aber nach Hause geschickt oder abgeladen. Die zweijährige Bewährungsstrafe forderten Staatsanwaltschaft wie Verteidigung gleichermaßen.

Duisburger war Helfer der berüchtigten „Audi-Bande“

Der Duisburger war nach ihrer Ansicht dabei nur ein kleines, aber zeitweise wichtiges Rädchen jener berüchtigten „Audi-Bande“, die rund 300 Personen stark sein soll – meist Niederländer marokkanischer Abstammung.

Auf das Konto der Bande gehen nach bisherigen Erkenntnissen zahlreiche Taten in NRW und im Sommer 2018 auch je fünf Geldautomatensprengungen in Berlin und Brandenburg. Innerhalb der Bande, so die Staatsanwaltschaft, gebe es Spezialisierungen. Der 34-Jährige sei dabei ein Logistiker gewesen. Er mietete 2018 Autos auf seinen Namen an, fuhr sie herum und übergab sie an andere. Dabei kommunizierte er mit Hilfe von verschlüsselten EncroChat-Handys.

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Nur wegen einer Tat brachte man ihn vor Gericht: Für die Hilfe bei einer Geldautomatensprengung in Kyritz, 100 Kilometer nordwestlich von Berlin. Dabei kamen drei von ihm organisierte Autos zum Einsatz. Er fuhr mit einem Transporter in Richtung des Tatortes und wurde unterwegs von einer Radarfalle geblitzt. Eine Viertelstunde später wurde an gleicher Stelle ein von ihm gemieteter Smart geblitzt – mit zwei Männern, die laut Ermittlern die Sprenger sein sollen.

Dann gab der Angeklagte seinen Transporter an einen „Felix“ weiter und erhielt dafür den ebenfalls gemieteten Mercedes. Gegen 4 Uhr flog der in einem Wohngebäude installierte Geldautomat auseinander, 69.030 Euro nahmen die Täter mit, und mehrere Kyritzer sahen zwei Männer auf einem Motorroller entkommen.

34-Jähriger lernte Auftraggeber beim Shisha-Rauchen kennen

Offenbar hatten die beiden Täter den Schlüssel für ihren Smart irgendwo eingebüßt. Jedenfalls kamen sie nicht aus der Kleinstadt heraus. Vier Stunden lang blieben sie vermutlich dort, gegen 8 Uhr sprachen sie eine Passantin an und durften mit ihrem Handy telefonieren. Deren Familie fuhr die beiden Männer, die sich als Niederländer zu erkennen gaben, schließlich zum Rastplatz Gudow (Schleswig-Holstein) kurz vor Hamburg.

Dort sammelte der 34-Jährige, der schon wieder auf dem Weg in seine Duisburger Heimat war, die beiden ein und brachte sie nach Berlin. Den Roller ließen sie in Kyritz zurück, wie übrigens auch die ganzen Sprengutensilien.

Seine Beteiligung begründete der Duisburger, dessen jetzt pflegebedürftigen Eltern aus Marokko stammen, mit finanziellen Nöten. Sein Auftraggeber sei dieser „Felix“ gewesen, den er einige Monate lang vom Shisha-Rauchen kannte.

Prozess endet überraschend schnell

Der damals 21 Jahre alte „Felix“ war ursprünglich auch angeklagt, starb aber vor rund zwei Jahren. Im Juni 2018 floh er in die Niederlande, nachdem er beim Ausspähen einer Bankfiliale im Berliner Umland von der Polizei erwischt worden war. Der Duisburger erhielt für die Anmietungen nach eigenen Angaben insgesamt rund 2000 Euro. Seit viereinhalb Jahren wird gegen ihn ermittelt, weitere vier Jahre steht er nun unter Bewährung.

Auf ein schnelles Prozessende hatte zu Beginn wenig hingedeutet. Zum Auftakt erschien die ebenfalls angeklagte der 34-Jährigen nicht – sie soll eine Berliner Wohnung angemietet haben. Sie verwies auf einen Notfall bei ihren frisch geborenen Zwillingen. Zudem trudelten der Duisburger und seine Verteidiger 45 Minuten zu spät im Gerichtssaal ein. Ihre Erklärung: Die Cessna sei in Essen zu spät losgekommen und musste auf ihrem Flug mit Gegenwind kämpfen. Man müsse auch um 15 Uhr wieder auf dem Flugfeld sein, der Pilot fliege auf Sicht und brauche Tageslicht.

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Der Vorsitzende Richter reagierte angesichts von neun geplanten Zeugen sichtlich verschnupft. Nachdem die Richter dann aber entschieden hatten, zunächst gegen den 34-Jährigen allein zu verhandeln, änderte sich die Stimmung schlagartig. Der Angeklagte zeigte sich erstmals offen für ein Geständnis, es kam zum Deal.

>>Verurteilung ist noch nicht rechtskräftig

  • Die Verurteilung, die wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen kriminellen Vereinigung sowie Beihilfe zur Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion, zum schweren Bandendiebstahl und zur Sachbeschädigung erfolgte, ist noch nicht rechtskräftig.
  • Die Verteidigung hat noch die Möglichkeit, Berufung einzulegen.