Duisburg. Den Auftrag für die erste Direktreduktionsanlage vergibt Thyssenkrupp Steel an SMS. Im Duisburger Norden entsteht bald eine riesige Baustelle.
Im Herbst beginnen die Bauarbeiten für die erste Direktreduktionsanlage (DR) von Thyssenkrupp Steel (TKS) am Walsumer Werkshafen. „Wir bauen dort eine Stahlstadt“, kündigte der Vorstandsvorsitzende Bernhard Osburg am Mittwoch an im Beisein von Konzernchefin Martina Merz, NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst und Burkhard Dahmen, CEO der SMS Group, die für rund 1,8 Milliarden Euro die DR-Anlage und zwei Einschmelzer errichten wird. Ab Ende 2026 soll sie pro Jahr 2,5 Millionen Tonnen Roheisen produzieren und einen der vier konventionellen Hochöfen ersetzen.
DR-Anlage soll ab Ende 2026 den Ausstoß von 3,5 Millionen Tonnen CO2 vermeiden
An Superlativen ist kein Mangel: Die Auftragsvergabe nennt Osburg einen „historischen Schritt“, die technologische Wende zur wasserstoffbasierten Stahlproduktion, den größte Meilenstein der 200-jährigen Unternehmensgeschichte. 3,5 der insgesamt 20 Millionen Tonnen CO2, die TKS pro Jahr ausstößt, sollen damit künftig vermieden werden.
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Die Umsetzung „eines der weltweit größten Dekarbonisierungsprojekte“ beschert der SMS Group den bisher größten Einzelauftrag ihrer 150-jährigen Unternehmensgeschichte. „Wir kombinieren das erprobte Midrex-Verfahren zur Direktreduktion mit eigens entwickelten Einschmelz-Öfen“, erklärt Burkhard Dahmen. „Das feste Vormaterial aus der Direktreduktion wird dabei unmittelbar in flüssiges Eisen umgewandelt. Das macht die grüne Roheisen-Erzeugung besonders effektiv.“
Im Herbst beginnen die Bauarbeiten am Walsumer Werkshafen
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Nach dem Sommer wird das Areal des bisherigen Brammenlagers am Nordrand des Werksgeländes zur Großbaustelle. Probebohrungen sind bereits erfolgt für den Bau der mächtigen, bis zu 30 Meter tiefen Fundamente für die knapp 150 Meter hohe DR-Anlage. SMS verantwortet neben deren Planung auch Lieferung und Bau.
In die technische Konzeption wurden bereits 700.000 Stunden investiert, so Dahmen, „mit etwa fünf Millionen Stunden rechnen wir für den Aufbau.“ Bis zu 2000 eigene Mitarbeitende werde SMS auf dem Werksgelände beschäftigen, zahlreiche weitere von beauftragten Firmen kommen hinzu.
Duisburger Anlage soll Vorbild sein für Hüttenwerke in aller Welt
Entscheidung zu Milliarden-Projekt bei Thyssenkrupp SteelDie Duisburger Anlage könne „Vorbild für integrierte Hüttenwerke weltweit werden“, so der SMS-Chef. Weitere DR-Anlagen müssen auch in Duisburg folgen, damit TKS und den Hüttenwerken Krupp-Mannesmann (HKM) bis 2040 der Umstieg in eine klimafreundliche Produktion gelingt. Etabliert ist das bereits Mitte der 1970er Jahre patentierte Midrex-Verfahren zur Direktreduktion, überzeugt habe aber die Kombination mit innovativen Einschmelzern, heißt es bei TKS. Auch „Vertrauen, Expertise und Nähe“ hätten eine Rolle gespielt bei der Entscheidung, den Auftrag an den etablierten Partner SMS und nicht an den Mitbewerber Tenova (Italien) zu vergeben.
Dass die mit 700 Millionen Euro größte Einzelförderung des Landes NRW nicht nur Jobs bei Thyssenkrupp, sondern auch bei einem weiteren NRW-Konzern sichert, hört auch der Ministerpräsident gern. „Wir zeigen der Welt, dass man die Klimaziele nicht dadurch erreicht, dass man den Stecker zieht“, sagte Hendrik Wüst. „Stahl steht am Anfang der Wertschöpfungskette. Er muss aus NRW kommen und wettbewerbsfähig bleiben.“
Produktion von grünem Stahl hat riesigen Wasserstoffbedarf
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Entscheidend dafür ist der Aufbau der Produktion von grünem Wasserstoff aus nationaler und importierter Produktion. Ab Ende 2027 rechnet Bernhard Osburg mit ausreichend verfügbaren Mengen für den gewaltigen Bedarf von Thyssenkrupp Steel: Rund 80.000 Tonnen pro Jahr wird die erste DR-Anlage benötigen. Im Endausbau der Transformation rechnet TKS mit einem Jahresbedarf von 700.000 Tonnen Wasserstoff. Der Energiebedarf von 50 Terawatt-Stunden entspricht dem fünffachen Verbrauch der Stadt Hamburg – den zu erzeugen, erfordert es 3600 Offshore-Windräder.
Die Investition, sagt Konzernchefin Martina Merz, sei damit auch eine Wette auf eine wettbewerbsfähige Zukunft: „Bei den Energie- und Gaspreisen sowie der Verfügbarkeit und den künftigen Kosten für Wasserstoff arbeiten wir mit Annahmen, von denen wir heute nicht wissen können, ob sich die Märkte tatsächlich auch so entwickeln.“
BETRIEBSRAT: ERSTER SCHRITT ZUR TRANSFORMATION
- „Der Bau dieser Anlage ist der erste Schritt zur Transformation“, sagte Tekin Nasikkol. Der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats von Thyssenkrupp Steel verweist auf 26.000 Beschäftigte bei TKS und 150.000 Arbeitsplätze, die NRW-weit an der Stahlindustrie hängen.
- Duisburg sei der ideale Standort für den Aufbau der Direktreduktion, betont Nasikkol. „Wir haben hier einen integrierten Standort mit kurzen Wegen, einem Energieverbund und 200 Jahren Erfahrung. Stahl ist Zukunft und bleibt Zukunft.“