Duisburg-Neudorf. Das Platzhirsch Festival wird in diesem Jahr zehn. Deshalb gibt’s Vorab-Konzerte. Ein Gespräch mit Tom Liwa über seinen Gig und die neue Platte.

Vor zehn Jahren hat zum ersten Mal das Platzhirsch Festival in Duisburg stattgefunden. Es war die Antwort der freien Szene auf die Entwicklungen rund um das Traumzeit-Festival. Seitdem steht das dreitägige Event auf dem Dellplatz für (musikalische) Artenvielfalt, bringt Künstler, Musiker und Kulturinteressierte zusammen. Einer, der zwar noch nie dort gespielt, den Geist des „Platzhirsch“ aber immer unterstützt hat, ist Tom Liwa. Pünktlich zum ersten runden Geburtstag, „weil wir es selbst kaum glauben und nicht abwarten können, wird es im Vorfeld einige spezielle Veranstaltungen unter dem Motto ,10 Jahre Platzhirsch Festival’ geben“, erklärt Mit-Organisator René Schwenk. Zur Eröffnung dieser Reihe spielen nun Luise Weidehaas und Tom Liwa am 2. März im KS 36 in Neudorf.

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Liwa, gebürtig eigentlich Thomas Greiner, ist zwar mittlerweile im Wendland zu Hause, aus der Duisburger Kulturszene dennoch nicht wegzudenken. Der Mitbegründer der Flowerpornoes hat die deutsche Liedermacherszene in den 1990er Jahren entscheidend mitgeprägt und zum Beispiel auch Philipp Eisenblätter inspiriert, dessen jüngste Platte er auch mitproduziert hat. Und 2022 wagte er den mutigen Sprung in „Eine andere Zeit“. Ende Oktober erschien sein neues Album. In den Songs nimmt der 61-Jährige bewusst unterschiedliche Perspektiven ein, betrachtet die Dinge auch aus der weiblichen Sicht. Musikkritiker feiern das Werk, das Fachmagazin „Rolling Stone“ wählte es zum Album des Jahres 2022. Nun freut sich Liwa, mal wieder in Duisburg zu spielen.

Duisburger Singer-Songwriter Tom Liwa nimmt auf der neuen Platte auch die weibliche Perspektive ein

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, für das Album mit den Geschlechterrollen zu spielen?

Wenn es nur ein Gedankenexperiment gewesen wäre, das Bezug nimmt auf die aktuelle Debatte, dann hätte ich es mir vielleicht eher verkniffen. Weil es mir so vorgekommen wäre, als ob ich eine Position einnehme, die mir vielleicht nicht zusteht. Tatsächlich bin ich aber in eine Art inneren Monolog eingetreten und hab da eine weibliche Stimme gefunden, die vielleicht Jahre unterdrückt war. Das hat mich am Anfang allerdings auch irritiert und hat dazu geführt, dass ich viele Positionen noch einmal neu überdacht habe.

Das Cover erinnert an das Mädchen mit dem Perlenohrring, das Ihr Gesicht zeigt.

Beim Cover war mir wichtig, mein Gesicht mit einer ikonischen Darstellung von Weiblichkeit zu verbinden. Die Graphic-Novel-Künstlerin Moki hat nach einem Foto meiner Frau Saskia dieses sehr schöne, starke Bild gemacht. Damit bin ich sehr glücklich.

Wie haben Sie sich dem Thema genähert?

Neben den persönlichen Zugängen habe ich auch viel recherchiert über Mythen und Geschichten, wobei vieles dabei aus einer patriarchalen Sicht aufgeschrieben wurde. Frauen haben halt lange nicht geschrieben oder durften es auch nicht.

„Ich versuche, dem Gefühl der Eile mit einer Grundentspanntheit zu begegnen“

Das Album heißt „Eine andere Zeit“. Wie sind Sie durch die Pandemie gekommen?

Eigentlich ganz gut. Wir hatten im vergangenen Jahr um Weihnachten herum Corona. Das war einerseits ganz schön, weil wir auf unsere Kernfamilie reduziert waren. Ich habe insgesamt sechs Kinder, aktuell zwei noch relativ kleine. Nach zwei Wochen ist es mir dann aber zu viel geworden mit dem Zuhause-Sitzen und ich bin rumgefahren. Als ich wiederkam, hat meine Frau gesagt: ,Du siehst so aus, als könntest du jetzt gut Songs aufnehmen’. So ist ,Es ist schon wieder Februar’ entstanden. Den Song habe ich komplett in eineinhalb Stunden aufgenommen, eingesungen und rausgehauen. Jetzt ist ja auch schon wieder Februar. Die Zeit rast einfach so, diese Geschwindigkeit. Mein Impuls ist dann allerdings, dass ich dem Gefühl der Eile mit einer Grundentspanntheit und übertriebenen Langsamkeit begegnen möchte. Mir war schnell klar, dass dieser Song ein guter Opener für die Platte ist, der holt echt ab.

Ihre Alben erscheinen gar nicht mehr haptisch.

Stimmt nicht ganz: Sowohl CD als auch digitaler Download sind bestellbar unter www.tomliwa.bandcamp.com

Tom Liwa lebt mittlerweile im Wendland, aber: „Duisburg wird immer meine Heimat bleiben“

Sie wohnen nicht mehr in Duisburg, gelten aber bei vielen immer noch als Duisburger. Was verbindet Sie mit der Stadt?

Wenn ich in die Stadt fahre, nehme ich das sehr bewusst wahr, und speziell Duisburg wird immer meine Heimat bleiben. Aber ich mag es lieber, meinen Alltag auf dem Land zu verbringen. Im Wendland habe ich viele interessante Menschen kennengelernt und fühle mich wegen der Geschichte des Landstrichs mal als Teil der Mehrheit.

Freuen Sie sich auf das Platzhirsch-Konzert?

Auf jeden Fall. Ich kenne die Location in Neudorf noch nicht, und leider hat es sich auch nie ergeben, dass ich mal auf dem Festival gespielt habe. Aber das Festival ist über all die Jahre hervorragend kuratiert und die Gründungsgeschichte rund um die damalige Entlassung von Tim Isfort als Leiter der Traumzeit ist auch wirklich bemerkenswert. Duisburg kann echt froh sein, dass es sowas hier gibt.

>> Tickets online buchbar

Tom Liwa und Luise Weidehaas spielen am 2. März ab 19.30 im KS36 (Kammerstraße 36). Der Eintritt kostet 16 Euro, ermäßigt 10,50 Euro. Karten bekommt man online via www.platzhirsch-duisburg.org