Duisburg. Viehweide und Bauernschaft, dann Getreidelager und Industriegebiet: Die Geschichte des (einst linksrheinischen) Kaßlerfeld – mit 30 alten Fotos.
Das Kasslerfeld stand über Jahrhunderte für Duisburgs unwirtliches Hinterland, das sich gerade einmal als Weideland eignete. Als es dann trockengelegt war, entwickelte es sich schnell zum bedeutenden Hafenstadtteil und verfügt bis heute über eine eindrucksvolle Fülle von Gewerbe- und Büroansiedlungen. Der Name geht auf einen Hof Casselle zurück, der 860 erwähnt wird. Über Jahrhunderte war das Kasslerfeld von Inseln, Sandbänken und Nebenästen von Rhein und Ruhr geprägt.
Zur Zeit von Christi Geburt lag es linksrheinisch, denn der Rhein strömte damals direkt an der späteren Duisburger Altstadt vorbei. In Folge eines starken Hochwassers oder eines schweren Eisgangs suchte er sich um 1000 ein neues Bett und wich dabei um mehrere Kilometer von der Altstadt. Auch die Ruhr musste sich dadurch ein neues Bett suchen. Sie bildet seitdem die Nordgrenze des Kaßlerfelds. Das wiederum wurde zunächst vom Rhein durchschnitten, der Stadtteil liegt heute ganz rechtsrheinisch.
Kaßlerfeld gehört seit 1801 zu Duisburg
Im Mittelalter war Kasslerfeld eine Bauernschaft aus acht Höfen und drei Katen, die zu Homberg gehörte. 1309 haben zwei Duisburger Kaufleute am neuen Lauf der Ruhr ein Grundstück gekauft, um ihre Schiffe be- und entladen zu können, eine Art Ersatzhafen für Duisburg. Nur dass die heutige Ruhrorter Straße lange weder durchgehend noch befestigt war. Das ist sie erst seit 1825.
Die Duisburger nutzten ihr nördliches Vorland ansonsten als Acker und Viehweide. Ende des 14. Jahrhunderts haben sie dort einen Wachturm zum Schutz ihrer Herden errichtet. Auf einer Karte von 1750 zweigt die Kaßlerfelder Straße von der Ruhrorter Straße nach Westen ab. Je nach Wasserstand der Ruhr konnte man dort an zwei Stellen mit der Fähre nach Ruhrort übersetzen.
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Noch 1789 gehörte das Kasslerfeld zum Fürstentum Moers. 1801 kam es endgültig zu Duisburg und mit ihm 1815 zum Königreich Preußen. 1798 haben die Kasslerfelder Kinder die Schule in Neuenkamp besucht. 1818 hatte Kaßlerfeld 125 Einwohner.
1824 baute der Kaufmann Friedrich Wilhelm Curtius (1782 bis 1862) am Ufer der Ruhr eine der ersten Schwefelsäurefabriken. Es war der Grundstein der Chemischen Industrie in Duisburg. Im Stadtplan von 1898 verfügt sie über Gleisanschluss zum Innenhafen. Im Stadtplan von 1913/14 taucht sie nicht mehr auf.
Tonabbau am Ende des 19. Jahrhunderts
Zwar wurde auf der Ruhr seit 1780 Kohle aus dem Raum Hagen an den Rhein transportiert. Aber die Duisburger drängte es nicht an die Ruhr, sondern zurück an den Rhein. Von 1828 bis 1832 wurde auf Drängen ihrer Kaufleute der Rheinkanal (heute Außenhafen) gebaut. Daran schloss sich ein 800 Meter langes Hafenbecken an, der Innenhafen.
1840 bis 1844 entstand der 1000 Meter lange Ruhrkanal als Verbindung vom Innenhafen zur Ruhr. Er war anfangs bedeutender als der Rheinkanal. 1845 liefen 2305 Fahrzeuge darüber ein, aber nur 291 über den Rheinkanal. 1890 wurde die Schifffahrt auf der Ruhr eingestellt. Der Ruhrkanal bestand noch bis 1945.
1856 lebten in Kaßlerfeld 607 Einwohner, heute sind es knapp 4000. Zu den Hinterlassenschaften des Rheins gehörten Lehmablagerungen. So wurde auf dem Kasslerfeld verstärkt Ende des 19. Jahrhunderts Ton abgebaut und zu Ziegelsteinen gebrannt.
Wo Franz-Haniel Maut kassierte
1864 baute der Ruhrorter Kaufmann Franz Haniel 70 Meter westlich vom heutigen Karl-Lehr-Brückenzug die erste Brücke über die Ruhr, kassierte dafür Maut. Ab 1881 fuhr die Straßenbahn von Duisburg darüber, seit 1898 elektrisch. Schon 1907 wurde die Brücke durch einen (staatlichen) Neubau ersetzt. Er hat den Weg um 700 Meter verkürzt.
Mit dem Bevölkerungswachstum im Ruhrgebiet stieg der Bedarf an Getreide. Am Innenhafen entstanden Lagerhäuser und Mühlenwerke, darunter 1886 der Lehnkering-Speicher an der Schifferstraße. In den 1990er Jahren wurde er zum Bürogebäude umgebaut. Zunächst aber entstand dort die Getreidekammer des Reviers. Sie blieb es bis in die 1970er Jahre.
Erster Holzhandelsplatz am Nordrhein
Weil die Ruhr sich mit ihrem schwankenden Wasserstand immer schlechter für den Kohletransport eignete, wurden die ehemaligen Kohlehalden im Innenhafen seit den 1860er Jahren durch den Holzhandel genutzt. Der Bedarf an Gruben-, Bau- und Brennholz war groß.
Duisburg wurde zum ersten Holzhandelsplatz am Nordrhein. Das Holz wurde anfangs mit Flößen herangeführt. Dafür wurde der Innenhafen bis 1893 nach Osten erweitert. Ende des 19. Jahrhunderts stand der Holzhandel vor dem Getreidehandel an erster Stelle.
1885 hatte der Hafen mit einem Kohleumschlag von 514.287 Tonnen fast mit dem Ruhrorter Hafen (613.953 Tonnen) gleichgezogen. Um solche Kapazitäten zu erreichen, musste der Innenhafen erweitert werden.
Großmarkthalle: 1927 errichtet, 1944 zerstört, ab 1958 neu errichtet
Um 1900 begann auf dem Kasslerfeld der Wohnungsbau in großem Stil. 1898 weist der Stadtplan eine erste Schule an der Ruhrorter Straße auf. Möglich wurde das, weil das gesamte Gebiet zwischen Parallelhafen, Rhein und Ruhr bis 1908 eingedeicht wurde. Im Stadtplan von 1910 ist erstmals eine weitere Schule an der Wrangelstraße verzeichnet. Sie wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört.
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1927 eröffnete die Großmarkthalle Auf der Höhe. Sie übernahm die Warenverteilung für das ganze Stadtgebiet. Auch sie wurde 1944 zerstört und ab 1958 neu errichtet, hatte von da an überörtliche Bedeutung.
Im Juni 1942 richtete der erste schwere Luftangriff auf Altstadt und Innenhafen große Zerstörungen an. Weitere schwere Angriffe folgten. Kaßlerfeld lag 1945 in Trümmern.
Nach dem Krieg regte sich kirchliches Leben, mit einer katholischen Notkirche an der Klemensstraße 1951 und einem Neubau 1961. Die Evangelische Kirche baute an der Wrangelstraße. Beide Gotteshäuser gibt es schon nicht mehr. 1956/57 entstand an der Wrangelstraße ein neuer Gebäudekomplex für Gemeinschafts- und katholische Volksschule.
1957: Verbreiterung der Ruhrorter Straße und Bau des Verteilerkreises
1957 wurden die Ruhrorter Straße verbreitert und der Verteilerkreis gebaut. Auf fast 800.000 Quadratmetern siedelte sich im Westen des Stadtteils eine Mineralölraffinerie an. Sie ist seit 1988 nur noch ein Tanklager. In ihre Richtung dehnte sich in den 60er Jahren die Wohnbebauung aus. An Stelle der Gleise des Holzhafens war ebenfalls ein Tanklager entstanden. Aber die Bedeutung des Hafens ging deutlich zurück. Rund 20 Jahre lang lag er brach.
1968 wurde damit begonnen, den neuen Ruhrschnellweg (später A 40) an die Innenstadt anzubinden. Dazu wurde ein neuer Autobahnzubringer vom Marientor aus westlich an Kaßlerfeld vorbeigeführt. Zwischen Weidenweg und Essenberger Straße entstand eine Anschlussstelle. Gleichzeitig entwickelte sich der Bereich Auf der Höhe/Max-Peters-Straße zum Gewerbegebiet mit Schwerpunkt Kfz-Handel. Der DVG-Betriebshof Am Unkelstein taucht erstmals im Stadtplan von 1991 auf.
Im Gefolge der Internationalen Bau-Ausstellung Emscherpark (IBA) wurden in den 90er Jahren auf der Kaßlerfelder Seite des Innenhafens erste Bürogebäude errichtet. 1996 hat man den östlichen Teil des Hafens abgetrennt und die Voraussetzungen für weitere Bürogebäude dort geschaffen. Das Tanklager ist verschwunden. 2001 wurde die Marina als Yachthafen angelegt. Der letzte Speicher im Innenhafen wurde 2004 abgerissen, ein ehemaliges Speichergebäude ab 2007 zum NRW-Landesarchiv umgebaut.