Duisburg. Der Streit über die Finanzierung von Kindertagesstätten sorgt für dicke Luft zwischen Trägern und Stadt/Gebag. Ein Betreiber reagiert drastisch.

  • Gemeinnützige Träger: Kita-Betrieb ohne Sonderzuschüsse der Stadt nicht zu stemmen
  • Zuschüsse müssen bei der Stadt trotz langfristiger Verträge jährlich beantragt werden
  • Lebenshilfe legt Planungen für Kita in Rumeln-Kaldenhausen nach zwei Jahren auf Eis
  • Jugendamtsleiter und -dezernent sagen Lebenshilfe ab

Zwischen der Stadt Duisburg und den Trägern der Kindertagesstätten herrscht dicke Luft. Seit langem gibt es Streit wegen der Finanzierung. Mit Hinweis auf die Hängepartie hat jetzt erstmals ein Träger die Planungen für eine neue und dringend gebrauchte Kita auf Eis gelegt – und prompt von der Stadt eine komplette Absage bekommen, als wäre die Kita, um die es geht, nicht sowieso schon vom Pech verfolgt.

Die geplante neue Kita in Rumeln-Kaldenhausen sollte auf dem Gelände einer ehemaligen Hauptschule entstehen. Dann kam das Aus für die „Kita Kendelstraße“ getaufte Einrichtung, weil der Bau „im Achtungsbereich eines Störfallbetriebes liegt und als Überschwemmungsgebiet ausgewiesen ist“, erklärte die Stadt im Frühjahr 2022. Es wurden neue Standorte gesucht - und um die Ecke in Steinwurfnähe gefunden. Neue Adresse: Düsseldorfer Straße, Ecke Schulallee. Laut Gebag kann hier baulich gegen das Hochwasserproblem vorgesorgt werden.

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Neue Kita: Unterschiedliche Haltung von Lebenshilfe und Jugendamt

Michael Reichelt, Chef der Lebenshilfe in Duisburg, betreibt bereits sechs Kindertagesstätten in Duisburg – immer mit einem Schwerpunkt für Kinder mit Handicap, für die es stadtweit zu wenig Betreuungsplätze gibt. Für die Rumelner Kita sei er von der Gebag aktiv angesprochen worden. Jetzt bekam er an der Gebag vorbei eine Absage von Jugendamtsleiter Hinrich Köpcke, der auch im Namen des zuständigen Beigeordneten Paul Bischof schrieb.

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Die Stadt bestätigt diesen Schritt. Die Einrichtung in Rumeln-Kaldenhausen sei zur Erfüllung des Bedarfs und Rechtsanspruchs von großer Bedeutung, weshalb die Planungen für die Kita nahtlos fortgeführt werden müssten. „Vor diesem Hintergrund wurde Herr Reichelt um Verständnis gebeten, dass in diesem Sinne auf die Gebag und alternative Träger zugegangen wird“, zitiert eine Stadtsprecherin aus der Mail.

Vollbremsung nach zwei Jahren Vorplanung

In die Planung für die Einrichtung ist die Lebenshilfe seit über zwei Jahren involviert. Wegen der Finanzierungsdebatte schrieb Reichelt jedoch am 13. Januar, dass er die Planung solang nicht weiterführe, bis der Rat der Stadt entschieden hat, wie Kitaträger künftig von der Kommune unterstützt werden. Im Jugendhilfeausschuss Ende Januar steht das Thema aber nicht mehr auf der Tagesordnung, also wird der Rat frühestens im März eine Entscheidung treffen können.

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Dass er „mit dem alten Prozedere keine neue Kita aufmacht“, hatte Reichelt nach eigenen Angaben schon im letzten Jahr mehrfach kommuniziert. „Die Verträge sind auf 30 Jahre angelegt, solche Verpflichtungen muss man wirtschaftlich verantwortlich eingehen.“

Unser Luftbild zeigt in der oberen Hälfte das Albert-Einstein-Gymnasium, in der unteren Hälfte die alte Hauptschule und die Stadtbibliothek in Rumeln-Kaldenhausen. Die Gebag will an der Düsseldorfer Straße/Ecke Schulstraße (oben rechts) eine Kita bauen.
Unser Luftbild zeigt in der oberen Hälfte das Albert-Einstein-Gymnasium, in der unteren Hälfte die alte Hauptschule und die Stadtbibliothek in Rumeln-Kaldenhausen. Die Gebag will an der Düsseldorfer Straße/Ecke Schulstraße (oben rechts) eine Kita bauen. © www.blossey.eu / FUNKE Foto Service | Hans Blossey

Träger müssen Sonderzuschüsse jährlich neu beantragen

Das alte Prozedere bedeutet für viele gemeinnützige Träger, dass sie eine Kita betreiben, die sie ohne Sonderzuschüsse der Stadt aber nicht stemmen können. Die Kosten für Personal, Strom und Wärme sind enorm gestiegen sind, die Anhebung der Kindspauschale durch das Land deckt das nicht annähernd.

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Die Zuschüsse müssen jedes Jahr aufs Neue beantragt und gewährt werden. „Wir müssen immer seitenweise begründen, warum wir die Eigenanteile nicht leisten können“, sagt Reichelt. Dabei ist offenkundig, dass gemeinnützige Träger keine Gewinne erwirtschaften dürfen, keine Rücklagen bilden und den Eigenanteil daher nur durch interne Querfinanzierungen stemmen können – oder durch Spendenakquise und Basare, wie die Stadt selbst vorschlug. Der Eigenanteil der Lebenshilfe beträgt rund 8 Prozent, allein bei einer sechsgruppigen Kita seien das rund 80.000 Euro, sagt Reichelt. Eine Summe, die mit Waffeln backen kaum einzuspielen ist.

Zuletzt beantragte die Lebenshilfe im April, dass die Stadt zumindest 5 der 8 Prozent für die sechs Kitas übernimmt. Im Januar steht die Entscheidung weiter aus, eine Pressesprecherin bestätigt lediglich, dass sich der Antrag „in Prüfung“ befinde. Die Lebenshilfe zahlt also weiter 8 Prozent und das Kindergartenjahr ist schon zur Hälfte rum. „Wer das ignoriert, der hat von unternehmerischem Handeln keine Ahnung“, schimpft Reichelt.

Er ärgert sich auch über den Stil des Jugendamtes, statt einer knappen Mail hätte er ein Gespräch erwartet. Begegnungen auf Augenhöhe fordert er nicht allein. Schon länger möchte der Kreis der Träger an einem Runden Tisch gemeinsam mit der Stadt nach Lösungen für Duisburg suchen.

Gebag und Jugendamt mit sehr unterschiedlichen Dringlichkeiten

Eine weitere Ungereimtheit: Gebag-Sprecherin Gerhild Gössing sagt, dass man „ganz am Anfang des Projekts“ sei, lediglich eine Machbarkeitsstudie stehe kurz vor der Fertigstellung. Abstimmungen mit dem Planungsamt, alle Genehmigungsverfahren sowie Beschlüsse der politischen Gremien würden noch folgen. Weder zum Zeitplan noch zu den Baukosten könne sie etwas sagen. „In diesem Jahr ist sicher nicht mehr mit einem Baubeginn zu rechnen“, so Gössing.

Die Pressestelle der Stadt schreibt indes, dass das Jugendamt „maximal noch eine Woche abwarten“ könne, weil die Kita „dringend benötigt wird und die Planungen deswegen nicht gestoppt werden sollen“.

Am Tag nach den ersten Anfragen dieser Redaktion wurde übrigens bekannt, dass die Gebag auf Bitten der Stadt erneut auf die Lebenshilfe zugehen soll.

Träger sehen auch das Land in der Pflicht

Unter den Trägern hat sich die Absage herumgesprochen. Hinter vorgehaltener Hand erzählen sie, dass die Stadt trotz der allgemein gestiegenen Kosten den Beitrag eher noch reduziert. Der Jugendhilfeausschuss habe früher höhere Sonderzuschüsse gewährt, „bis zu 100 Prozent“, berichtet ein Träger, „jetzt sind es oft nur 70 Prozent“. Ein anderer fragt sich, warum es den Kommunen nicht gelingt, sich beim Land durchzusetzen und die Finanzierung der Kitas auskömmlich zu gestalten. Dass die städtische Verwaltung mehrere Mitarbeiter nur für die Berechnung der Sonderzuschüsse abstellt, sei völlig fehlinvestiert, sagt ein anderer.

>>NEUE KITA DER LEBENSHILFE IN KAMP-LINTFORT

  • Reichelt berichtet, dass er im Sommer eine Kita in Kamp-Lintfort übernimmt. Die Lebenshilfe habe den Wettbewerb um das beste Konzept gewonnen.
  • Dort werde von vornherein auf den Trägeranteil verzichtet, auch bei der Inneneinrichtung und Außengestaltung, für die in Duisburg in der Regel 10 Prozent der Kosten auf den Träger abgewälzt werden.

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