Duisburg. Duisburg schrumpft entgegen Prognosen nicht weiter. Warum es so kam und welchen 20 Staaten die meisten Duisburger 2009 und heute angehör(t)en.

Noch 2014 rechnete die Stadtverwaltung damit, dass Duisburgs Bevölkerung weiter schrumpft. Laut Prognose von damals wäre die Zahl der Duisburgerinnen und Duisburger bis 2027 auf 455.800 gesunken. Zuvor war die Einwohnerzahl während der fortschreitenden Deindustrialisierung über zwei Jahrzehnte hinweg kontinuierlich zurückgegangen: von knapp 539.000 (1992) auf etwa 469.000 (2012). Fürs Jahresende 2020 hatte die 2014er-Prognose etwa 471.000 Einwohner vorausberechnet. Die Wirklichkeit sah ganz anders aus: Ende 2019 lebten fast 503.000 Menschen in Duisburg, zumindest nach den Zahlen der Stadtverwaltung (siehe Hintergrund: IT NRW zählt viel weniger Einwohner als die Stadt). Mit dem unerwarteten Wachstum verändert sich die Zusammensetzung der Duisburger Bevölkerung stark.

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Die Stabsstelle für Wahlen, Europaangelegenheiten und Informationslogistik konnte bei ihrer Prognose 2014 nicht mit den Kriegsgeflüchteten rechnen, die in den Folgejahren aus Syrien, Irak und Afghanistan kamen. Die anhaltenden Konflikte dort haben mittelfristig Folgen hier: „Auch wenn die große Zuwanderungswelle 2015 und 2016 ein einmaliges Ereignis gewesen ist, bleibt der Zuwanderungssaldo speziell von Personen mit syrischer Staatsangehörigkeit seit 2017 konstant im hohen dreistelligen Bereich“, schrieb die Stabsstelle 2021 in ihrer jüngsten „Bevölkerungsvorausberechnung“.

Duisburg: Starke Zuwanderung von Syrern, Bulgaren und Rumänen

Für diese neue Prognose rechnete die Stabsstelle mit einem „höheren Ausgangsbestand von fast 15.000 Einwohnern (2013: 488.472; 2019: 502.969)“ sowie einer dadurch „anhaltenden Verbesserung des jährlichen natürlichen und räumlichen Gesamtsaldos“. Heißt: Das Verhältnis von Geburten zu Sterbefällen (natürlicher Saldo) sowie das Verhältnis der Fort- und Zuzüge (räumlicher Saldo) verändert sich durch die Zuwanderung so sehr, dass Duisburgs Einwohnerzahl mittelfristig zumindest nicht weiter stark sinkt.

Seit 2016 hielt sich Duisburgs von der Stadt ermittelte Einwohnerzahl dadurch über 502.000. Als Grund dafür, dass sie 2020 wieder auf unter 500.000 absackte, vermutet die Stabsstelle vor allem corona-bedingte „Unregelmäßigkeiten im Meldeverhalten“ deutscher Staatsangehöriger.

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Der vermehrte Zuzug von EU-Bürgern aus Südost-Europa begann 2013 und erreichte seinen Höhepunkt ebenfalls 2015/16. Heute stellen in Duisburg Einwohner mit bulgarischem Pass die drittgrößte Bevölkerungsgruppe: Ende Oktober zählte die Stadt 15.553 Bulgarinnen und Bulgaren, etwa 14.000 mehr als Ende 2009 (siehe Grafik). Auch die Zahl der Duisburger mit syrischem Pass liegt inzwischen über 10.000. Vor 13 Jahren schafften sie es nicht unter die 20 am zahlreichsten vertretenen Nationalitäten (zur Berücksichtigung doppelter Staatsbürgerschaften: siehe Infobox). Etwas unter 10.000 liegt zurzeit die Zahl der rumänischen Staatsangehörigen im Einwohnermelderegister. 2009 waren es 515.

Die städtische Vorausberechnung aus dem Jahr 2021 wiederum war nach nicht mal 365 Tagen wegen Russlands Angriffskrieg überholt. Seit Februar wurden mehr als eine Million Geflüchtete aus der Ukraine im Ausländerzentralregister registriert. Der Stadt Duisburg waren Ende Oktober 6182 Ukrainerinnen und Ukrainer gemeldet. Nach Angaben eines Stadtsprechers sei es wegen der Verzögerungen bei der Registrierung möglich, dass „noch nicht alle ukrainischen Flüchtlinge im Meldewesen als Einwohnerinnen und Einwohner erfasst sind“. Duisburgs Einwohnerzahl jedenfalls stieg so tragischerweise auf jüngst über 507.000.

Zahl deutscher und türkischer Staatsangehöriger sinkt

Langfristig kämpft Duisburg aber weiterhin mit einer grundlegenden Wachstumsbremse: Dies ist der anhaltende Verlust deutscher Staatsangehöriger. Es ziehen dauerhaft mehr fort als hierher und es sterben mehr als geboren werden – obwohl ja auch viele Kinder von Menschen mit Migrationshintergrund per Geburtsrecht (auch) die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten und somit als Deutsche in diese Nationalitäten-Statistik eingehen (siehe Infobox). Seit 2009 sank die Zahl der Duisburger mit deutschem Pass dennoch von 415.616 auf 382.796 (siehe Grafik).

Auch die Zahl der Duisburger mit türkischer Staatsangehörigkeit ist laut Statistik gesunken: seit 2009 von 39.740 auf 31.865. Dazu führten nach Angaben von Stadtsprecher Falko Firlus vor allem zwei Entwicklungen: Einbürgerungen und ein negativer natürlicher Saldo, also mehr Sterbefälle als Geburten. Wobei beides miteinander verknüpft ist, da türkeistämmige Kinder im Falle einer doppelten Staatsbürgerschaft als Deutsche gezählt werden (siehe Infobox).

Prognose: 10.000 Neu-Duisburger durch Neubaugebiete

Vor allem der negative Saldo bei den Deutschen sorge künftig „trotz der Zuwanderungseffekte für einen Rückgang der Bevölkerung“, so das Fazit der Duisburger Demografen im Jahr 2021. Sie erwarteten – wohlgemerkt: vor dem Krieg in der Ukraine – bis 2035 einen jährlichen Verlust von durchschnittlich 600 Personen.

Und sie berücksichtigten für diese Prognose auch nicht gegensteuernde „stadtentwicklungspolitische Maßnahmen“. Das wagten sie vorsichtig nur im Nachsatz; sie bezifferten den Zuzug in Neubaugebiete, allen voran „6 Seen Wedau“: Von 2025 bis 2035 sei demnach mit mehr als 10.000 Neu-Duisburgerinnen und -Duisburgern zu rechnen.

>> STAATSANGEHÖRIGKEIT

  • Zur Nationalitäten-Statistik (siehe Grafik): im Falle einer doppelten Staatsbürgerschaft geht die deutsche Staatsangehörigkeit in die Statistik ein, die zweite nicht.
  • Einige Auszüge aus dem aktuell gültigen Staatsangehörigkeitsrecht:
  • Die deutsche Staatsangehörigkeit wird durch Geburt erworben, wenn ein Elternteil deutsch ist.
  • Seit 2000 kann ein Kind durch Geburt hierzulande die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben, wenn kein Elternteil deutsch ist. Voraussetzung ist, dass die Mutter oder der Vater seit acht Jahren in Deutschland „rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt hat“ und ein unbefristetes Aufenthaltsrecht besitzt.
  • Generell haben Ausländer unter bestimmten Voraussetzungen nach acht Jahren rechtmäßigen Aufenthalts einen Einbürgerungsanspruch (erforderlich u.a.: Nachweis ausreichender Sprachkenntnisse, Vorstrafenregister ohne Einträge, finanzielle Unabhängigkeit).

>> EINWOHNERZAHL: HÖCHSTSTAND 1975

  • 1975, nach der kommunalen Neuordnung, zählte die Duisburger Verwaltung am Jahresende 608.158 Einwohnerinnen und Einwohner.
  • Obwohl die Stadt danach bis Mitte der Achtziger zehn Prozent der Einwohner verlor, zählte sie auch dann noch zu den zehn größten deutschen Städten. Heute rangiert Duisburg auf Platz 15.