Duisburg. Kinderärzte in Duisburg haben nach harter Kritik an Lehrern eine Entscheidung zu Schulattesten getroffen. Was das konkret bedeutet.

Kinder- und Jugendärzte in Duisburg werden ab sofort nur noch in begründeten Einzelfällen Schulatteste ausstellen. Dies teilt Markus Schäfer, zuständiger Obmann in Duisburg, mit. Angesichts aktuell proppenvoller Praxen sei diese kurzfristige Entscheidung notwendig. Schäfer übt aber auch harte Kritik an Lehrern.

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Das grassierende RS-Virus und die vielen Influenza-Fälle bringen nicht nur die Kinderkliniken, sondern auch die Praxen derzeit an ihre Grenzen. „Das liegt aber auch daran, dass 30 Prozent der Kinder, die im Wartezimmer sitzen, Bagatellkrankheiten haben und nur ein Attest für die Schule brauchen“, so Schäfer, Doc im U18-Kinderarztzentrum in Rheinhausen. „Wir verschwenden dafür wertvolle Zeit, in der wir uns nicht um die Kinder kümmern können, die wirklich unsere Hilfe brauchen.“

Schulatteste: Kinderärzte in Duisburg mit harter Kritik an Schulen

Sein Kollege Christoph Fangmann mit Praxis in Marxloh nennt ein Beispiel: „Da kommt eine Mutter zu uns und hat extra einen Urlaubstag genommen, um ein Attest für ihr krankes Kind zu besorgen, weil die Schule das verlangt“, berichtet der stellvertretende Obmann. „Das ist völlig unnötig, zumal die Frau überhaupt keine Probleme hatte, ihr Kind zu Hause zu betreuen.“

Die Mutter, so Fangmann, habe sich außerdem gewundert, warum ihr Kind so viele unentschuldigte Fehlzeiten hatte. „Nur bis zum dritten Krankheitstag könne sie selbst ihr Kind entschuldigen, danach brauche es einen Attest und fehle andernfalls ab diesem Zeitpunkt unentschuldigt, hat man ihr gesagt“, so der Kinderarzt. „Das ist doch alles unfassbar!“

Atteste nur in begründeten Einzelfällen

Ärzte seien grundsätzlich nicht dafür da, Kinder zu entschuldigen, sondern die Eltern, betont auch Markus Schäfer. „Dies ist klar im Schulgesetz NRW geregelt.“ In Paragraf 43, Absatz 2, heißt es dazu: „Ist eine Schülerin oder ein Schüler durch Krankheit oder aus anderen nicht vorhersehbaren Gründen verhindert, die Schule zu besuchen, so benachrichtigen die Eltern unverzüglich die Schule und teilen schriftlich den Grund für das Schulversäumnis mit. Bei begründeten Zweifeln, ob Unterricht aus gesundheitlichen Gründen versäumt wird, kann die Schule von den Eltern ein ärztliches Attest verlangen und in besonderen Fällen ein amtsärztliches Gutachten einholen.“

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Ob begründete Zweifel eine Attestverpflichtung rechtfertigen, sei „stets eine Frage der Umstände des Einzelfalls“, heißt es dazu auf Nachfrage der Redaktion aus dem Schulministerium. „Entsprechende Anhaltspunkte können beispielsweise ein besonders häufig mit Krankheit begründetes Fehlen, eine außergewöhnliche Dauer der Krankheit, gehäufte Fehlzeiten bei Leistungsüberprüfungen oder Fehlzeiten unmittelbar vor Beginn oder im Anschluss von Ferien sein.“

Besondere Regelung bei Abschluss- und Nachprüfungen

Eine generelle Regelung, wonach im Falle eines Unterrichtsversäumnisses aus gesundheitlichen Gründen stets oder bei einem Versäumnis von mehr als drei Tagen ein Attest beizubringen ist, sehe das Schulgesetz aber nicht vor. Eine besondere Regelung, heißt es weiter aus dem Ministerium, gebe es allerdings für Abschluss- und Nachprüfungen: Hier sehen die Ausbildungs- und Prüfungsordnungen demnach eine Attestpflicht ausdrücklich vor.

„Wir werden das Schulgesetz nun konsequent umsetzen“, sagt Markus Schäfer, Obmann der Kinder- und Jugendärzte in Duisburg.
„Wir werden das Schulgesetz nun konsequent umsetzen“, sagt Markus Schäfer, Obmann der Kinder- und Jugendärzte in Duisburg. © FUNKE Foto Services | Arnulf Stoffel

„Wir werden das Gesetz nun konsequent umsetzen“, so Schäfer. Er habe das Schulamt und kurzfristig auch seine Kolleginnen und Kollegen über die Entscheidung informiert, die landesweit gelten soll. Sie sei demnach vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte mit dem Landesschulministerium abgestimmt.

Ärzte sprechen von „Missbrauch ihrer medizinischen Tätigkeit“

Der Verband hat zudem ein Schreiben verfasst, das zur Information der Eltern und Schulen in zahlreichen Praxen ausgegeben werden soll – mit deutlicher Kritik: „Die gesetzliche Grundlage kann auch nicht von Lehrern oder Schulen auf eigenen Wunsch oder weil es so bequem ist, außer Kraft gesetzt werden oder durch andere Regelungen ersetzt werden“, heißt es dort unter anderem. Und weiter: „Die meisten Ärzte empfinden es als Missbrauch ihrer medizinischen Tätigkeit, wenn überflüssige Praxistermine für Atteste von Schulen eingefordert werden und gleichzeitig wirklich erkrankte Kinder aufgrund des Arztmangels teilweise keine Versorgung mehr erhalten.“

Und: „Sollte aus Sicht der Schule im Einzelfall ein Attest tatsächlich benötigt werden, benötigen die betroffenen Schüler in Zukunft eine individuelle und begründete Bescheinigung der Schulleitung über die Attestpflicht für die jeweilige Fehlzeit.“ Die Angabe einer pauschalen Attestpflicht oder der Verweis allein auf umfangreiche Fehlzeiten könne nicht berücksichtigt werden. Vielmehr sei darzulegen, warum eine Entschuldigung der Eltern nicht ausreichend glaubwürdig ist, die Fehlzeit zu entschuldigen und warum ein Termin in der Praxis unumgänglich ist.

>> KINDERÄRZTE IN DUISBURG ÜBER BAGATELLKRANKHEITEN

  • Markus Schäfer, Obmann der Kinder- und Jugendärzte in Duisburg erklärt, was er unter Bagatellkrankheiten versteht, mit denen Kinder in den Praxen vorstellig werden. „Da reden wir wirklich von leichtesten Erkältungssymptomen“, so Schäfer. „Da wäre früher niemand auf die Idee gekommen, zum Arzt zu gehen. Tee, Erkältungsbad nehmen und drei Tage ausruhen – fertig!“
  • Christoph Fangmann, Kinderarzt in Marxloh und stellvertretender Obmann, hat nach eigenen Angaben schon erlebt, dass Kinder sogar wegen einfacher Mückenstiche in der Praxis behandelt werden sollten.