Duisburg. Mit einem „Clou“ will die Bahn für den Rhein-Ruhr-Express schneller bauen – mit der Ratinger Weststrecke als Umleitung. DB will Lärm „halbieren“.
Für den Rhein-Ruhr-Express (RRX) wird die Bahn den 3,2 Kilometer langen Streckenabschnitt zwischen dem S-Bahn-Halt Schlenk und dem Duisburger Hauptbahnhof in der zweiten Hälfte der 2020er-Jahre in eine gewaltige Dauerbaustelle verwandeln. Nun hat die DB Netz AG ihre konkretisierten Pläne vorgestellt. Duisburgerinnen und Duisburger werden wohl in zweifacher Hinsicht profitieren: Entlang der Strecke baut die Bahn in vielen Bereichen erstmals überhaupt Lärmschutzwände, zweitens wird die Reaktivierung der Ratinger Weststrecke für den Personenverkehr durch die RRX-Ausbaupläne noch wahrscheinlicher.
Von einem „Clou“ und einem „fast revolutionären“ Planungskniff spricht Michael Kolle, Projektleiter der DB Netze: „Wir bauen nicht nur für den RRX aus, sondern auch eine Umleitungsstrecke für die Bauarbeiten.“ Kolle meint einen neuen Bypass der „Wedauer Kurve“: Die Bahn will eine Verbindung herstellen, die unweit des Sternbuschwegs von der Hauptstrecke nach Osten am Sportpark vorbei zur Ratinger Weststrecke führt (siehe Grafik unten). Dieser neue Bypass wird die Weststrecke, über die aktuell bekanntlich ausschließlich Güterzüge rollen, und die Hauptverkehrsachse zwischen Duisburg und Düsseldorf so verbinden, dass Bahnen beim Richtungswechsel nicht die komplette Gleisanlage queren müssen, sondern direkt „abbiegen“ können.
Ratinger Weststrecke wird Ausweichroute für RRX-Ausbau zwischen Düsseldorf und Duisburg
Denn dieser Anschluss der Wedauer Kurve soll eine Umleitung des gesamten Regionalverkehrs über die Güterverkehrsstrecke ermöglichen, wenn die Bahn zwischen Duisburg und Düsseldorf für den RRX baut.
Dann nämlich werden langfristig nur zwei Gleise befahrbar bleiben, sagt Kolle: „In bestimmten Bauphasen werden nur noch Fernzüge auf der Hauptstrecke verkehren.“ Die Regionalzüge sollen die Großbaustelle dann über die Weststrecke umfahren, von der die Güterzüge darum für den Personenverkehr zeitweise weichen müssen. Für die S-Bahnlinie S 1, so Kolle, werde voraussichtlich Schienenersatzverkehr eingerichtet werden müssen.
Zur zeitlichen Einordnung: Die Bahn rechnet, sehr grob vereinfacht, nach dem jeweiligen Planfeststellungsbeschluss mit jeweils zwei bis drei Jahren Bauzeit. Und der Planfeststellungsabschnitt DU-Schlenk – DU Hbf („PFA 3.2a“) zählt zu drei von 15 Abschnitten zwischen Köln und Dortmund, bei denen die Planfeststellung erst in der Vorbereitung ist.
Der Grund für die Umleitung über die Wedauer Kurve? „Wir können so im laufenden Betrieb schneller ausbauen und haben weniger Verkehrsbehinderungen“, erklärt Projektleiter Kolle. Sehr willkommener Nebeneffekt: Durch den Anschluss der Weststrecke ans Regionalverkehrsnetz wird deren dauerhafte Reaktivierung für Personenzüge ab (frühestens) Ende der Zwanziger „wahrscheinlicher“, wie auch Kolle schlussfolgert.
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Neun neue Brücken auf drei Kilometern
Auf dieses Comeback hoffen nicht nur viele Ratinger und Düsseldorfer: Ein S-Bahn-Halt „6 Seen Wedau“ würde auch das neue Quartier bei Bissingheim anbinden, in dem künftig bis zu 12.000 Duisburger wohnen werden.
2019 bescheinigte eine erste Machbarkeitsstudie, dass der Kosten-Nutzen-Faktor für Personenverkehr auf der Weststrecke spricht. Auch VRR und Bahn unterstützen die Reaktivierung. Zurzeit arbeitet die Bahn an einer „Betriebsprogrammstudie“: Diese soll klären, wie viele zusätzliche Züge die bestehende Bahntrasse verkraftet.
Die Ratinger Weststrecke ist 27 Kilometer lang. 15,6 Kilometer davon müssen für den Personenverkehr neu errichtet werden – und den Anfang im Norden macht die Bahn wohl also mit dem Anschluss der Wedauer Kurve: Zur Verknüpfung der Strecken muss der Konzern beispielsweise eine neue Brücke am Sternbuschweg errichten und den Abschnitt bis zur Eisenbahnüberquerung Kruppstraße ausbauen.
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Im gesamten Planfeststellungsabschnitt 3.2 wird der Konzern für den RRX allein drei Eisenbahnkreuzungsbauwerke und sechs Brücken über Straßen bauen. Knackpunkt wird eine neue Bahnbrücke am Kalkweg – über alle bestehenden Gleise hinweg.
Bahn verspricht „Halbierung des Lärms“
Geplant sind zudem mehrere Kilometer Lärmschutzwände dort, wo noch nie welche standen: etwa auf beiden Seiten der Gleise südlich des Hauptbahnhofs („Duisburger Dünen“), in Neudorf, am Kalkweg sowie weiter südlich in Wanheimerort entlang der Trasse, bis zur Station Schlenk.
Aus diesem Grund und wegen der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung seit 2016, noch vor dem behördlichen Verfahren also, rechnet die DB Netz nicht mit Ärger mit Anliegern. Projektleiter Kolle sieht ein „sehr geringes Konfliktpotenzial, weil es für alle Anwohner leiser wird. Außerdem haben wir schon vielen Anwohnern persönlich unsere Schallschutzpläne erklärt, teilweise in ihren Gärten.“ Die Gespräche seien sehr konstruktiv verlaufen.
Kolle verspricht durch die neuen, vier Meter hohen Wände nicht weniger als „eine Halbierung des Lärms. Das sind zehn bis 18 Dezibel weniger.“ Der RRX-Ausbau bringt so Verbesserungen für Anwohner und Bahnkunden … wenn erstmal alles fertig ist.
>> RRX: DB NETZ AG INFORMIERT WEITER
- Die DB Netz AG hat ihre Pläne am Montagabend bei einer „Digitalen Bürgerinformation“ auf www.db-buergerdialog.de/rrx-duisburg vorgestellt.
- Die Bahn beantwortet Fragen telefonisch (0203 301-72799; Montag bis Freitag 9 bis 14 Uhr) und per E-Mail an rrx@deutschebahn.com
- Die DB Netz AG hat Anfang 2022 zwei Etagen im Mercator One am Hauptbahnhof bezogen: Auf einer Etage arbeiten nun 90 Mitarbeiter ausschließlich am RRX-Projekt.
- Ziel des RRX-Ausbaus ist ein 15-Minuten-Takt auf der Kernstrecke Köln–Dortmund. Der RRX bekommt dafür zwischen Düsseldorf-Benrath und Duisburger Hauptbahnhof ein eigenes Gleis.
- Als RRX-Bahnen werden 84 Züge unterwegs sein. Die grau-weiß-orange lackierten Fahrzeuge verkehren bereits – als Regionalexpresse.