Duisburg. Nach dem Tod eines Arbeiters bei Thyssenkrupp haben Hunderte Menschen in Duisburg demonstriert. Viele Bulgaren glauben an Mord und Vertuschung.

Bruckhausen trauert um Refat Süleyman. Mehrere Hundert Menschen haben sich am Sonntagmittag versammelt; die meisten tragen schwarze Kleidung. Der Trauermarsch für den im Stahlwerk tödlich verunglückten Bulgaren startet in der Reinerstraße, direkt vor dessen Wohnung. Doch die Teilnehmer wollen mehr als Trauer zum Ausdruck bringen. „Adalet“ – das türkische Wort für Gerechtigkeit – hallt durch den Stadtteil.

Das Verschwinden, und der Tod von Refat Süleyman sorgt in der bulgarischen Community für Aufregung, Spekulationen und Gerüchte. Der Fall mobilisiert Menschen aus der ganzen Region: Viele Autos sind kurz vor dem Trauermarsch in Bruckhausen unterwegs, es dauert lange, bis alle einen Parkplatz gefunden haben.

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Viele Bulgaren in Duisburg glauben der Polizei nicht

Vor allem über soziale Netzwerke verbreiten sich seit Tagen die Zweifel, die Angehörige und Freunde des Verstorbenen an der Darstellung der Polizei äußern. Akan Faik zum Beispiel hat mehrere Videos auf Tik Tok gesehen. Jetzt ist der junge Mann extra aus Neuss nach Bruckhausen gefahren. Er sagt: „Wäre das einem Deutschen passiert, wüssten alle schon längst, wie es dazu gekommen ist.“

Der Trauermarsch startete vor der Wohnung des Verstorbenen in der Reinerstraße in Bruckhausen.
Der Trauermarsch startete vor der Wohnung des Verstorbenen in der Reinerstraße in Bruckhausen. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Wie die meisten hier glaubt Akan Faik, der als Reinigungskraft beschäftigte Süleyman sei durch ein Gewaltverbrechen ums Leben gekommen. Für diese Zeitung übersetzt er die Sprüche auf den Plakaten: „Niemand soll mit Angst zur Arbeit gehen“, stehe dort unter anderem geschrieben.

Auf einem Plakat sind Fotos des Verstorbenen zu sehen. Sie zeigen den zuletzt 26-Jährigen lächelnd im Kreise seiner Familie. Drum herum wehen bulgarische Fahnen, auch eine deutsche.

Thyssenkrupp suchte tagelang vergeblich nach dem Arbeiter

„Wir wollen Antworten“, sagt Emin Azin, ein Verwandter von Refat Süleyman. Er und andere Demonstranten stützen sich vor allem auf zeitliche Zusammenhänge: Viele wollen nicht glauben, dass Polizei und Werkschutz mehrere Tage lang vergeblich nach dem Verschwundenen gesucht haben. Wie berichtet, haben Arbeiter die Leiche später zufällig in einem Schlackebecken entdeckt.

Die Demonstranten waren nicht nur aus Duisburg, sondern auch aus anderen Städten gekommen.
Die Demonstranten waren nicht nur aus Duisburg, sondern auch aus anderen Städten gekommen. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Nach einer guten Stunde ist der Trauermarsch vor dem Stahlwerk angekommen. Ein Mann greift zum Mikrofon: „Wie kann man vier Tage lang mit Hubschrauber und Hunden nach jemandem suchen, und ihn nicht finden?“ Die Leiche müsse schon viel früher entdeckt und dann in dem Schlackebecken versteckt worden sein.

Der Protest wird gefilmt und live unter anderem bei Facebook gestreamt. Auch dort verfolgen rund 500 Zuschauerinnen und Zuschauer das Geschehen, ungefähr genau so viele kommentieren unter dem Videostream. Oft zu lesen ist auch hier das Wort „Adalet“.

Demonstranten in Duisburg kündigen weitere Proteste an

Der Leichnam von Refat Süleyman ist bereits am Donnerstag obduziert worden. Auch danach gehen die Ermittler davon aus, dass der Mann durch einen Unfall ums Leben gekommen ist und Fremdeinwirkung dabei keine Rolle gespielt hat.

Die Teilnehmer des Trauermarschs wollen sich damit nicht zufriedengeben, und kündigen weitere Proteste an. Der Redner am Mikrofon sagt: „Wir wollen wissen, wer ihn getötet hat, und werden so lange weiter demonstrieren.“

>>POLIZEI DUISBURG BERICHTET VON SPRACHBARRIERE

In Bulgarien leben viele türkischsprachige Menschen. Beim Trauermarsch waren Plakate sowohl mit bulgarischen, als auch mit türkischen Wörtern beschriftet. Und auch türkischsprachige Medien haben über den Todesfall berichtet.

Nach Angaben der Polizei gestaltet sich die Kommunikation mit den bulgarischen Angehörigen schwierig. Auch die Deutschkenntnisse des Verstorbenen wurden als „gering“ eingestuft.