Duisburg. Woher kommt die riesige Menge Wasserstoff, die allein in Duisburg künftig benötigt wird? Auch diese Frage beantwortete das „Zukunftsgespräch“.
Die erste Direktreduktionsanlage, mit deren Inbetriebnahme Thyssenkrupp Steel (TKS) 2026 die Herstellung von „grünem“ Stahl beginnen will, wird zunächst wohl mit Gas betrieben werden müssen. Mit regenerativer Energie erzeugter Wasserstoff steht dann noch nicht in ausreichender Menge zur Verfügung.
„Wir gehen von einer Umstellung in 2027/28 aus“, sagt die Beauftragte für Dekarbonisierung bei TKS, Dr. Marie Jaroni. Sie war Gast eines hochkarätig besetzten Podiums bei den 2. Duisburger Zukunftsgesprächen, zu denen die Wirtschaftsförderung DBI am Mittwochabend für den Duisburger Wasserstoff-Verein Hy.Region.Rhein.Ruhr ins Fraunhofer inHaus-Zentrum eingeladen hatte.
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Transformation geht nur gemeinsam: Der Titel des Abends ist gleichermaßen Feststellung wie Forderung. Einig waren sich die Gäste der von Jürgen Zurheide souverän moderierten Runde: Die Politik müsse zügig die regulatorischen Voraussetzungen liefern. Nicht nur Industrievertreterin Jaroni weist darauf hin, dass selbst die Definition für „grünen Strom“ in Brüssel und Berlin noch diskutiert werde: „Mehr Klarheit würde uns helfen.“ Nur so könne Thyssenkrupp Vorreiter bei der Produktion von klimaneutralem Stahl sein – es gelte, die „Pole-Position“ nicht zu gefährden. Marie Janoni: „Wir sitzen im ersten Zug in der ersten Klasse. Das muss unser Anspruch sein.“
Rhein-Ruhr: Einzigartige Kompetenz und Anwendungsnähe
Nicht nur TKS als großer Verbraucher verschaffe der Wasserstoffwirtschaft der Region eine hervorragende Ausgangsposition, glaubt Robert Schlögl. „Kompetenz und Anwendungsnähe gibt es nirgendwo in dieser Dichte wie hier“, so der Vizepräsident der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina und Professor am Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion in Mülheim. Als Energieträger der Zukunft sei Wasserstoff unverzichtbar: „Ohne Wasserstoff wird kein System der erneuerbaren Energien funktionieren.“
Die Technologie für die Wasserstoff-Anwendung ist das Geschäft des Zentrums für Brennstoffzellen-Technik (ZBT) der Uni Duisburg-Essen (UDE). „Wir sind dabei, die Technologien für die Massenproduktion zu verbessern“, sagt Prof. Dr. Harry Hoster. Die ZBT-Forscher arbeiten an der Optimierung von Brennstoff-Zellen, gemeinsam mit Nano-Wissenschaftlern wie Prof. Dr. Christof Schulz (CENIDE) tauschten sie sich am Mittwoch beim Ruhr-Symposium über neue Materialien und Werkstoffe für die Wasserstoff-Mobilität aus.
ZBT-Leiter: Deutschland muss 75 Prozent oder mehr des Wasserstoffs importieren
Elektrolyseure, wie sie die Thyssenkrupp-Tochter Nucera baut, sollen etwa auf der ehemaligen Zeche Walsum entstehen, um Wasserstoff für TKS zu produzieren. Reichen wird das nicht, um den gewaltigen Bedarf der NRW-Industrie zu stillen. „Wir werden 75 Prozent oder mehr des Wasserstoffs importieren müssen“, prognostiziert Hoster. Tanker könnten ihn, wie heute die fossilen Brennstoffe, etwa aus dem Nahen Osten in die Häfen Rotterdam und Antwerpen bringen, Pipelines die Industrie versorgen.
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Diese müssen, zumindest in Deutschland, noch gebaut werden. „Vorhandene Gasleitungen kann man erst dann nutzen, wenn kein Gas mehr transportiert werden muss“, sagt Robert Schlögl. Deshalb ist die Politik gefragt, nicht nur die Transformation bei TKS mit hunderten Millionen Euro zu fördern. „Um weitere Investitionen möglich zu machen, müssen wir die Planung beschleunigen“, so die NRW-Wirtschaftsstaatssekretärin Silke Krebs (Grüne). Die Transformation müssen Politik und Industrie mit der Unterstützung der Forschung und der Städte gemeinsam zum Erfolg führen. „Am Ende des Tages“, sagt Marie Jaroni, „muss es ein Geschäftsmodell geben, das funktioniert“.
UNI-REKTORIN: NEUER CAMPUS IN DUISBURG IST EINE RIESENCHANCE
- Es gehe bei der Energiewende „um nichts Geringeres als die Zukunft der kommenden Generationen“, sagte Prof. Dr. Barbara Albert. Als „extrem visionär“ bezeichnet die Chemikerin die Gründung des Zentrums für Brennstoffzellen-Forschung (ZBT), unter dessen Regie nun das Wasserstoff-Innovationszentrum TrHy in einer Halle der Hüttenwerke Krupp-Mannesmann (HKM) aufgebaut wird: „Das zahlt sich nun für Duisburg aus.“
- Die Wissenschaft könne „Lösungen finden“ für die Beherrschung der Folgen des Klimawandels, der auch „verheerende ökonomische Auswirkungen“ habe, so die Rektorin der Universität Duisburg-Essen weiter. „Aber die Zeit drängt.“ Der neue Ingenieurcampus, der in Wedau-Nord entstehen soll, sei „eine Riesenchance“ für die UDE, ihren Beitrag aus einem modernen Forschungsumfeld zu leisten.
- Entwickelt wird das Areal des ehemaligen Waggonwerks von der Gebag. „Forschung und Entwicklung zu Erzeugung, Transport und Nutzung von Wasserstoff müssen weitergehen“, sagte Stadtdirektor Martin Murrack. Die Stadt werde den Transfer von der Forschung in die Anwendung nach Kräften unterstützen und um Akzeptanz werben: „Sie ist wichtig für einen zügigen Hochlauf der Wasserstoff-Wirtschaft.“