Duisburg. Nach einer Bildungsstudie können Viertklässler schlechter rechnen und schreiben. So schätzen Duisburger Schulleiter die Situation ein.
Grundschüler sollen schlechter schreiben und rechnen können als in den Vorjahren, hat eine Studie ermittelt. In NRW schneiden sie dabei noch schlechter ab als in anderen Bundesländern. Duisburger Schulleiter von Grundschulen, Gymnasium und Gesamtschule finden ihre Schulen in dieser Studie nicht wieder. Wie sie die Kompetenzen ihrer Kinder bewerten.
Grundschule in Walsum: Schüler werden nach dem Corona-Tief wieder besser
Beate Bischof von der Grundschule Kastanienallee in Duisburg-Walsum bewertet die Situation positiver: „Ich glaube nicht, dass die Kinder nach vier Jahren Grundschule weniger gelernt haben als vor fünf oder zehn Jahren.“ Durch die Corona-Pandemie hätten sich bei einigen Kindern Verhaltensauffälligkeiten entwickelt, manche könnten sich nicht gut konzentrieren, „aber auch das relativiert sich gerade“, berichtet sie erfreut.
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Zu ihrer Schule im Duisburger Norden werden jeden Morgen Seiteneinsteiger-Kinder mit dem Bus gebracht. „Die meisten kommen gut voran und vor allem behindert keines von ihnen die anderen Kinder“, betont Bischof. Trotz Lehrermangels gebe es eine Fachkraft, die mit diesen Kindern zusätzlich Deutsch übt, „das ist nicht überall möglich“, weiß die Schulleiterin. Es sei nicht leicht, ein Kind, das kein Wort Deutsch spricht, im Unterricht zu integrieren. „Das langweilt sich auch mal“, beschreibt Bischof, die Differenzierung in den Klassen sei nicht permanent möglich.
Grundsätzlich würde es den Lehrerinnen und Lehrern helfen, wenn die Kinder weniger mit Handys und Playstations beschäftigt sind und sich mehr körperlich auspowern, appelliert sie an die Eltern.
Studien wie diese „zeigen uns, wo man mehr machen muss, andererseits bringen sie Aufruhr in die Elternschaft, dabei ist jeder Standort anders, hat besondere Herausforderungen“.
Grundschule in Rahm: Lehrermangel verhindert das Fördern und Fordern
Am anderen Ende der Stadt, in Duisburg-Rahm, schätzt Edith Winter die Lage anders ein: Die Schulleiterin der Grundschule Am Knappert sagt, dass „das Leistungsniveau in allen Bereichen gesunken ist“. Auch an ihrer Schule und obwohl die Kinder aus bildungsnahen Familien kommen.
Die Corona-Folgen seien nicht so drastisch wie andernorts, aber dennoch spürbar. Und der Lehrermangel verhindere es, das aufzufangen: „Wir hätten gern mehr Förderstunden, zum Fördern, aber auch zum Fordern.“ Aktuell könne nicht mal ein krankheitsbedingter Ausfall aufgefangen werden.
Die Studienergebnisse überraschen sie nicht, auch die Maßnahmen, wie man den Problemen begegnen könne, seien bekannt. Dabei fehle es am Nötigsten: „Ich habe kein WLAN in der Schule, Zusatzangebote finden auf dem Flur statt“, beschreibt Winter. Die Motivation des Kollegiums sei trotzdem hoch, „wir wollen das Beste für die Kinder“.
Welches Wissen haben Fünftklässler an Gesamtschulen?
Thomas Zander von der Grillo-Gesamtschule sieht die spezielle Situation in Marxloh durch die Studie nicht abgebildet: „Die Kinder kommen bei uns ganz anders an als vor zehn Jahren.“ Seine Schülerschaft stamme zu 95 bis 100 Prozent aus Familien mit Migrationshintergrund, sie haben eine Fluchtgeschichte oder sind aus Südost-Europa zugewandert. „Wer zu uns kommt, hat häufig einen Lernstand auf dem Niveau von Klasse 2 oder 3. Das ist allerdings kein Versäumnis der Marxloher Grundschulen, mit denen wir ganz eng kooperieren - im Gegenteil: Sie leisten Enormes!“
Das erste Jahr an der Gesamtschule wurde deshalb vor drei Jahren völlig neu konzipiert. Das sogenannte Ankommensjahr bietet den Kindern besonders viel Deutschunterricht, und am wöchentlichen Projekttag dürfen sie zeigen, wo ihre Stärken sind. Manche Kinder sind aber auch nach drei Jahren noch nicht auf einem Sprachniveau, dass es ihnen ermögliche, dem regulären Unterricht zu folgen, bedauert Zander.
Viele seien in ihren Herkunftsländern nicht zur Schule gegangen und müssten hier erst mal den Eltern helfen, beim Geldverdienen, bei Behördengängen, beim Babysitten, beobachtet der Schulleiter. „Bis diese Familien verinnerlicht haben, dass Schulbildung in unserer Gesellschaft ganz weit oben steht, braucht es zwei Generationen“, zitiert der Schulleiter Brigitte Hillebrand, eine erfahrene Lehrerin der ersten Stunde der Marxloher Gesamtschule.
Bis dahin müsse die Schule mit einer hohen Zahl von Kindern und Jugendlichen, die nur sehr unregelmäßig zur Schule erscheinen, umgehen. „Lehrer, die jeden Tag eine andere Lerngruppe vor sich haben, können nur schwer kontinuierlich arbeiten“, sagt Zander.
Der BildungsFairBunt innerhalb Marxlohs, die enge Kooperation zwischen den Grund- und weiterführenden Schulen sei allerdings hilfreich. So bekommen Viertklässler von den Marxloher Grundschulen „absolut aussagekräftiges Textzeugnis“, das Potenziale nennt und den Lernweg des Kindes beschreibt, statt nur miese Noten aufzuzählen. „Die Kinder sind nicht dumm, sie haben Potenziale und viele sind sogar leistungsstark, das reguläre System bildet das aber nicht ab.“
Mit welchem Vorwissen kommen Schüler an den Gymnasien an?
Es hat schon immer Unterschiede bei den Fünftklässlern gegeben, sagt Dr. Wibke Harnischmacher, abhängig vom Einzugsgebiet der Grundschule, auf der sie waren, abhängig vom Lehrermangel, der mal diese und mal jene Schule stärker getroffen hat. In den vergangenen Jahren habe zu Beginn der fünften Klasse mal die Mathematik-Kompetenz gelitten und mal die Deutsch-Kompetenz, so die Leiterin des Mercator-Gymnasiums. Pauschal zu beklagen, dass Grundschüler schlechter werden, ist in ihren Augen verfehlt.
In einer Stadt wie Duisburg sei es relevant, ob in einer Familie Deutsch gesprochen wird und wie viel miteinander geredet wird. „Wenn der Kompetenzerwerb nur an der Schule gesehen wird, dann sind wir gesamtgesellschaftlich verloren“, betont sie.
Aktuell seien die Spuren, die Corona bei den Kindern hinterlassen hat, deutlich zu sehen, „den Kindern ist einiges abhandengekommen, etwa in Bezug auf Konfliktlösungsstrategien“, berichtet die Schulformsprecherin.
Da ihre Schule eine Talentschule ist, könne das Kollegium „ab Klasse 5 gezielt zuarbeiten“. Es gebe jetzt etwa Lese-Patenschaften, um den kleinen Menschen Bücher außerhalb von Unterricht zugänglich zu machen. Die Fachkolleginnen und -kollegen würden darauf achten, sprachsensibler zu arbeiten, auch in Erdkunde oder Physik.
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Wie können Kinder in der Schule besser gefördert werden?
So unterschiedlich die Beurteilung der Lage auch ist, bei der Lösung sind sich alle befragten Schulleiterinnen und Schulleiter einig: Um Kinder optimal zu unterstützen, brauche es kleinere Klassen und mehr Personal. Mit deutlichem Abstand folgen auf den Wunschlisten je nach Standort noch mehr oder bessere Räume und eine bessere technische Ausstattung.