Duisburg. Die Duisburger Bundestagsabgeordnete Lamya Kaddor fliegt zur Fußball-WM nach Katar. Warum sie gegen einen Boykott der Spiele ist.

Die Fußball-WM mitten im Advent wird kritisch diskutiert. Manche Duisburger Kneipen sagen schon jetzt, dass sie die Spiele nicht zeigen wollen, Fußball-Fans planen den Boykott. Was sagt die Duisburger Bundestagsabgeordnete Lamya Kaddor dazu, die für ihre Fraktion Bündnis 90/Die Grünen für die Arabische Halbinsel zuständig ist?

Sollten die Duisburger auf die WM verzichten?

Das muss jeder selbst für sich entscheiden. Aber ich halte einen Boykott der WM für falsch. Ich war als zuständige Berichterstatterin im Juni vor Ort und habe zum Beispiel mit der ILO, der Internationalen Arbeitsorganisation, sprechen können. Ich konnte sie fragen, ob sich aus ihrer Sicht was getan hat auf den Baustellen, wo Arbeiter in brütender Hitze unter katastrophalen Bedingungen schuften. Und sie haben mir versichert: Ja, es hat sich etwas getan. Wir sind sicherlich noch weit weg vom Optimum, aber die Lage ist besser als vorher. Es scheint sich etwas zu bewegen in Katar, und das darf man auch anerkennen. Das sind wichtige Schritte. Abgesehen davon: Wir haben uns die Olympischen Spiele angesehen und die Menschenrechtsverletzungen in China sind quantitativ und qualitativ größer. Aber wir müssen selbstverständlich dran bleiben – in Katar wie in China.

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Die Arbeitsbedingungen in Katar haben sich teilweise verbessert

Was genau hat sich denn in Katar verändert?

Die Arbeitnehmerrechte sind besser geworden. Das System wird aufgeweicht, die Menschen, die angeworben wurden, durften zuvor nur bis zum letzten Arbeitstag im Land bleiben. Jetzt dürfen sie länger bleiben, sie dürfen auch ihren Arbeitsplatz wechseln.

Ein großes Problem sehe ich allerdings bei den domestic workers, also meist Frauen, die in Privathaushalten arbeiten, das erinnert oft noch an eine Form der modernen Sklaverei. Da ist Veränderung schwierig, weil es die häusliche Intimsphäre der Kataris betrifft, aber auch da versucht man, heranzugehen.

Menschenrechtsorganisationen sagen, dass Katar zumindest keine politischen Gefangenen hat. Die Vereinigten Arabischen Emirate, die viele Deutsche schätzen, haben sehr wohl politische Gefangene.

Die Duisburger Bundestagsabgeordnete Lamya Kaddor reist im Winter zur Fußball-WM nach Katar.
Die Duisburger Bundestagsabgeordnete Lamya Kaddor reist im Winter zur Fußball-WM nach Katar. © FUNKE Foto Services | Jonas Schlömer

Wie werden die Kataris auf der Fan-Meile mit Alkoholkonsum umgehen?

Sie werden rund um die WM nach Katar fliegen, warum machen Sie das?

Wie soll man sonst versuchen, sich ein eigenes Bild zu machen, um die Lage möglichst realistisch beobachten zu können? Ob sich Katar tatsächlich bewegt in seinen Reformbestrebungen und auch nach der WM daran festhält? Ich muss mit Menschen sprechen, um Schlüsse daraus ziehen zu können für unser politisches Handeln.

Einer der bekanntesten Muslimbrüder lebt in Katar. Katars Außenminister bezeichnete ihn jedoch als harmlosen alten Mann, das muss man zur Kenntnis nehmen. Graduelle Veränderungen sind erkennbar, der arabische Sender Al Jazeera hat früher viel mehr islamistisches Material gesendet.

All das reicht meines Erachtens nicht, um die WM zu boykottieren. Aber es reicht, um Katar weiter kritisch zu beobachten. Und es reicht, um zu sagen, ich fliege hin und schaue mich selbst um. Wie bereiten sich die Behörden auf die Fans und Feierlichkeiten vor? Wie wird mit Alkoholkonsum umgegangen? Was passiert, wenn getrunken wird? Was, wenn sich queere Menschen zeigen, wenn die Regenbogenfahne gehisst wird? Ich betrachte es als meinen Auftrag, meiner Fraktion und meinen Wählerinnen und Wählern gegenüber, genau hinzusehen.

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Werden Sie sich ein Spiel angucken?

Wenn ich während der WM im Land sein sollte, würde ich mir ein Spiel der deutschen Mannschaft ansehen, ich bin sehr sportinteressiert, noch habe ich aber kein Ticket. Mich interessiert natürlich auch, wie die Reaktionen sind, wenn Manuel Neuer als Kapitän eine Regenbogen-Armbinde tragen würde. Da ich arabisch spreche, kann ich auch die Berichterstattung in den Medien des Landes verfolgen.

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