Duisburg. Mit Abordnungen soll der Lehrermangel in Duisburg bekämpft werden. Warum eine Schulleiterin freiwillig an einer Grundschule in Marxloh blieb.

Sie hätte eine Rückfahrkarte nutzen können, hätte sich nach einem Jahr in Duisburg-Marxloh wieder nach Ratingen zurückziehen können. Aber Brigitte Weyand blieb als Schulleiterin der Grundschule Kunterbunt im Duisburger Norden. Gerne sogar!

Mit „Abordnungen“ will die neue Schulministerin den Lehrermangel in Duisburg bekämpfen. Die Verschiebung von Personal in eine andere Stadt ist unter Beamten nicht gerade beliebt. In Zeiten knapper Ressourcen einerseits und einem unfairen Wettkampf zwischen Premium-Standorten und weniger beliebten Brennpunkten andererseits ist es als Steuerungsmittel jedoch nötig. Und es gibt Lehrerinnen, die nach ihrer Zeit in Duisburg auf die Rückkehr verzichten und bleiben.

Längst nicht alle Vorurteile bestätigen sich an Brennpunktschulen

Brigitte Weyand hatte schon ihr Referendariat in Duisburg verbracht, an einer Grundschule in Rheinhausen, danach arbeitete sie 13 Jahre in Ratingen, „an einer Brennpunktschule“, sowas gibt es da auch. Sie habe gewusst, worauf sie sich einlasse, hatte aber auch Vorurteile im Kopf. Und welche bestätigten sich? „Zutreffend war nur der hohe Sanierungsstau in den Gebäuden“, sagt die 51-Jährige. Die Befürchtung, Schwierigkeiten mit den Eltern zu haben, die Sorge, viele Kinder mit individuell herausforderndem Verhalten bändigen zu müssen, sie bestätigten sich nicht.

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„Wir haben so tolle Kinder“, schwärmt Weyand, gern würde sie sie noch besser fördern, aber es fehle an vielem und reiche Sponsoren gebe es im Umfeld der Schule nicht. Immerhin helfe Inner Wheel beim Schulgarten und bei der Ausstattung geflüchteter Kinder. An den Mängeln hält sich die Lehrerin aber nicht lange auf, denn alles werde aufgefangen durch das empathische Team: „Jeder ist bereit, einzuspringen, alle sind leistungsfähig, da geht mir das Herz auf“, sagt Weyand und strahlt ihr mitreißendes Lächeln.

Schulleiterin freut sich, dass ihr Team an einem Strang zieht

Als sie im letzten Jahr anfing, sei in Rekordzeit ein Ankreuz-Zeugnis entwickelt worden. Statt der Textbaustein-Zeugnisse, die sonst in den ersten Klassen üblich sind, wollte sie mehr Transparenz herstellen, mehr Verständnis bei den Eltern erzeugen. „Sie wissen jetzt, wo das Kind Stärken hat und wo es noch üben muss“, erklärt sie, „und wir nutzen das System im Unterricht zur täglichen Dokumentation“.

Die Chefin von 262 Kindern aus 18 Nationen, 19 Lehrerinnen und weiteren Mitarbeitern hat nicht mal Probleme, offene Stellen zu besetzen: „Das spricht sich rum, dass es hier gut läuft, Studierende kommen nach ihrem Praktikum wieder, Referendare wollen bleiben.“ Das Team ziehe an einem Strang, „pädagogischen Konsens“ nennt sie das. Im Unterricht sei sie „der Joker“, ohne eigene Klassenleitung, dafür einspringbereit in Mathe und Deutsch, Sachkunde und Englisch, als Rettungsschwimmerin und mit einem Zertifikat in Evangelischer Religion.

Auch Helikoptereltern können eine Herausforderung sein

Bei aller Begeisterung: Gab es auch Bedenken vor der Abordnung? Eine Nacht habe sie schon darüber schlafen müssen, das wäre bei einer Abordnung in Richtung Premiumstandort ebenso gewesen, da dann eher wegen des Umgangs mit Helikoptereltern. Aber da sie Herausforderungen mag und zudem nach einem Jahr hätte zurückkehren können, ging sie darauf ein. Vorurteile habe es auch im Familien- und Freundeskreis gegeben, etwa dass sie Angst haben müsse vor den Menschen des Stadtteils. „Das war nicht eine Sekunde der Fall“, betont Weyand. Stattdessen sehen ihre Freunde nun, „wie gut es mir geht, dass es mir Spaß macht“.

Auch im Kreis der Schulleiterinnen und Schulleiter sei sie gut aufgenommen worden, das Netzwerk habe ihr schon oft helfen können. Einiges konnte sie so bewegen: Werkraum und PC-Raum waren wegen Schadstoffbelastung lange stillgelegt, die Sanierung habe sie anstoßen können „und alle sind begeistert, die Räume wieder nutzen zu können“. Auch die nächsten Ziele schrecken Brigitte Weyand nicht: die WC-Anlagen sind marode und die Fenster nur einfach verglast.

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>>NEUE ABORDNUNGEN NACH DUISBURG

  • Das Verfahren zur Sicherung der Unterrichtsversorgung an den Duisburger Grundschulen erfolgte im Mai 2022 in zwei Schritten. „In einem ersten Schritt wurden zunächst alle Schulleitungen aus den Schulamtsbezirken, aus denen abgeordnet werden soll, aufgefordert zu klären, welche Lehrkräfte grundsätzlich freiwillig für eine Abordnung zur Verfügung stehen. Es gab Lehrkräfte, die sich freiwillig gemeldet haben. Diese Lehrkräfte wurden der Schulaufsicht gemeldet“, erklärt eine Sprecherin der Bezirksregierung. „In einem zweiten Schritt hat die Schulaufsicht mit den Schulleitungen Kontakt aufgenommen, um etwaige Abordnungsmöglichkeiten gemeinschaftlich zu erörtern.“
  • Nach jeweils erfolgter Einzelfallprüfung konnten insgesamt 37 Lehrkräfte und zwei sozialpädagogische Fachkräfte nach Duisburg abgeordnet werden. Geplant waren Abordnungen in einem Umfang von 35 Vollzeitstellen. Um diesen Umfang zu erreichen, wurden insgesamt 39 Personen nach Duisburg abgeordnet.
  • Die Sprecherin betont: „Abordnungen werden von der Schulaufsicht im engen Austausch mit den Schulleitungen und den Lehrkräften vorbereitet, so dass in der ganz überwiegenden Anzahl der Fälle die Abordnungen einvernehmlich mit allen Beteiligten ausgesprochen werden.“