Duisburg. Mit Teflon und Seifenlauge rutscht die neue Südbrücke der A 40 in Duisburg ihrer Vollendung entgegen. So laufen die Bauarbeiten über dem Rhein.
Die alte Rheinbrücke der A 40 zwischen Homberg und Neuenkamp wirkt inzwischen reichlich mickerig. Neben dem Altbau von 1970 wirkt die neue Südbrücke deutlich breiter und in der Höhe ist sie schon auf ihre endgültige Größe angewachsen: 76 Meter hoch sind die Pylone auf der Homberger Seite – und die Aussicht von da oben ist beeindruckend. Auch sonst flutscht der Fortschritt bei den Bauarbeiten – mit Seifenlauge und Teflonschicht.
Die wichtigste Frage zuerst: Wann ist das erste Brückenbauwerk fertig, wann kann der Verkehr sechsspurig fließen? Projektleiter Knut Ewald von der Deges will sich nicht festlegen und gibt vage die grobe Marschrichtung vor: „Nach Sommer 2023“, in einem Jahr also! Das Pendlerherz hüpft vor Freude. Denn das bedeutet auch: Hüben wie drüben keine Wiegeanlagen mehr, freie Fahrt zwischen Mülheim und Holland.
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A 40-Rheinbrücke in Duisburg: Autobahnstücke gleiten auf Seifenlauge in ihre Position
A40 in Duisburg- Das kosten die Lkw-Waagen den SteuerzahlerDie Bauweise ist für eine Brücke dieser Größenordnung bislang einzigartig – und klappt offenbar richtig gut. Ewald grinst beim raumgreifenden Erklären jedenfalls über das ganze Gesicht. „Freier Vorbau“ heißt das System: Jeweils dreißig Meter Autobahn werden in drei Teilen angeliefert, dann längs miteinander verschweißt. Das riesige Teilstück wird auf Teflon und Seifenlauge mittels hydraulischer Systeme immer weiter vorgeschoben und schließlich mit der weithin sichtbaren gelben Stahl-Konstruktion frei schwebend vor die Kante gehängt.
Das Fahrbahnstück wird nun quer angeschweißt. Damit hält das 520 Tonnen schwere Teil bereits. Damit es aber belastbar ist, kommen Seile zum Zug. Das sprichwörtliche „In den Seilen hängen“ meint hier keine Erschöpfung, sondern im Gegenteil: Nur dank der harfenähnlichen Aufhängung können künftig 100.000 Fahrzeuge vom Motorrad bis zum Giga-Liner täglich den Rhein passieren.
Die Seile sind zwischen 120 und 180 Meter lang, jeder einzelne Ankerkopf, an denen sie mit den Pylonen verknüpft sind, wiegt 300 Kilo. Zwei dieser Seilverankerungen sind schon eingebaut, die nächsten Seile kommen mit der Verankerung des nächsten Teilstücks in die nun auf Endmaß verlängerten Pylone. Man kann der Brücke in alle Richtungen beim Wachsen zusehen.
Stahlbau-Unternehmen optimiert die Bauweise parallel zum Baufortschritt
Im laufenden Prozess wird der Prototyp des freien Vorbaus optimiert – in dieser Größenordnung wurde die Bauweise noch nie durchgeführt. Statt Seifenlauge sollen beim Verschieben der letzten drei Fahrbahnstücke Aluplatten und Industriefett zum Einsatz kommen, „das wird eleganter“, glaubt Peter Lapschies. Der ehemalige Bergmann ist Bauleiter für das Stahlbau-Unternehmen MCE und wirkte schon am Kühlturm des Steag-Kraftwerks in Walsum mit, den er von seinem jetzigen Arbeitsplatz immer im Blick hat.
Lapschies ist hier auch der Richtmeister, verantwortlich fürs Messen und Ausrichten. Aber er bleibt ganz entspannt, als ihn der Fotograf fragt, ob er einen Knick in der Optik hat oder ob das Autobahnstück am Neuenkamper Rheinufer ein bisschen schief ist. 40 Zentimeter sagt Lapschies sofort, macht aber nichts, das gleiche sich wieder aus. Genau so wie die 30 Zentimeter breite Lücke, die nach dem Einsatz des letzten Fahrbahn-Puzzlestücks bleibt. Laienhaft übersetzt ist das einkalkuliert und „hängt sich aus“.
Gewerke bauen parallel und auf beiden Seiten der Brücke
Die neue Rheinbrücke in Duisburg nimmt Gestalt an
Die größte Herausforderung sei die Gleichzeitigkeit der Ereignisse, „alles läuft parallel“: Während die einen schweißen, sorgen die nächsten fürs Sandstrahlen, dritte für die Prüfung, dazwischen turnen die Industriekletterer, hantieren die Gerüstbauer. Und dann das ganze Material, das irgendwie hoch oder runter muss, ganze Kräne, tonnenschwer. Das Ganze dann mal zwei für beide Uferseiten. Logistisch ist das Tetris für Fortgeschrittene.
Aber es ist auch lukrativ, sagt Pressesprecherin Simone Döll von der Deges, „die Methode beschleunigt den Bau“. Zigtausend Kubikmeter Schweißnähte werden die Monteure am Ende gezogen haben, viele Lagen übereinander, bis zu 40 Millimeter breit. Darüber kommt die Beschichtung, die Pylone etwa werden nun hinter der Gerüsthülle weiß beschichtet. Optisch heben sie sich dann deutlich von der Vorgängerbrücke und ihren gelben Aufbauten ab.
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Lärmschutzwände werden ab Januar gebaut
Engpässe bei Materialien hat die Baustelle bislang nicht zu beklagen. Alle Lieferanten seien weiterhin mit im Boot. Stahl und Asphalt seien zwar teurer geworden, sagt Ewald, aber bei einem Bauprojekt dieser Größenordnung und bei so langen Zeiten wurde von Anfang an Preisgleitung verabredet, damit nicht der Auftragnehmer alle Risiken von Preissteigerungen alleine trägt.
Nach Abriss der alten A 40-Brücke wird die Nordbrücke weitgehend spiegelgleich gebaut, linksrheinisch dockt sie an der Kante der alten Brücke an, rechtsrheinisch wird sie etwas weiter Richtung Norden am Ufer ankommen, sagt Ewald. Auf eine Entlastung können sich die Neuenkamper schon früher freuen: Die Lärmschutzwände sollen möglichst ab Anfang Januar gebaut werden.
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>>DIE NEUE RHEINQUERUNG
- Die neue Rheinquerung wird mit einer Stützweite von 380 Metern Deutschlands längste Schrägseilbrücke. Die Autobahnbrücke selbst wird 800 Meter lang sein. Rund 33.000 Tonnen Stahl sollen bis 2026 verbaut werden.
- Das Niedrigwasser ist für die Bauarbeiten am Rhein eher von Vorteil: Im vergangenen Jahr behinderte Hochwasser die Bauarbeiten, „da standen die ganzen Rheinwiesen voll“, erinnert sich Knut Ewald.