Duisburg. Viele Grundschulkinder in Duisburg sind viel zu unbeweglich, manche auch übergewichtig. Wie Sport-Gutscheine den Problemen Beine machen sollen.
In Duisburg-Wehofen ist die (Schul)-Welt noch in Ordnung: Die kleine Grundschule Unter den Kastanien verfügt über eine eigene Turnhalle, ein eigenes Lehrschwimmbecken, es mangelt weniger an Personal als an den anderen 70 Grundschulen. Und ihren 100. Geburtstag feiert die Schule auch noch.
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Vor allem deshalb war sie nun Schauplatz der symbolischen Übergabe der ersten von 5000 Sport-Gutscheinen durch Oberbürgermeister Sören Link. Seit fünf Jahren bekommen alle Duisburger Erstklässler die Chance, kostenlos für ein Jahr eine Schnuppermitgliedschaft in einem Verein ihrer Wahl anzutreten. Mit einem beherzten Bauchklopfer mahnt Link die Kinder, fit zu bleiben, „man wird schneller alt und dick, als man denkt“, um dann mit den zumeist sechsjährigen Schülern der Klasse 1a eine Runde zu kicken.
5000 Sport-Gutscheine für die Erstklässler
Sie stürzen sich auf die Bälle, kicken auf ein paar Tore, die Ralf Plincner von Viktoria Wehofen mitgebracht hat. Der Fußballtrainer freut sich über neue Spielerinnen und Spieler für die Bambini oder die E-Jugend. Dass ausgerechnet Fußball hier der Pate ist, kommt nicht von ungefähr, denn die meisten Gutscheine werden für Fußballvereine eingelöst, sagt Christoph Gehrt-Butry vom Stadtsportbund. Nur vereinzelt gebe es Interessenten für Squash oder Tanz, noch weniger für Hockey, Handball oder Tennis.
Im Schnitt werden allerdings auch nur 250 der Gutscheine eingelöst, bekennt der stellvertretende Geschäftsführer. Das Angebot müsse bei den Elternabenden noch stärker beworben werden. Die gute Nachricht allerdings sei, dass „gut die Hälfte der fünf- bis siebenjährigen Kinder bereits in Vereinen ist“.
Bewegung und Miteinander im Verein stehen im Fokus
Wie zum Beispiel Lia: „Ich renne und laufe Rollschuh“, sagt die Sechsjährige, sogar im Verein. Wie der heißt, fällt ihr dann zwar nicht ein, aber sie ist sich sicher: „Ich bin gut!“ Mila möchte den Gutschein gern für „Singen und Schwimmen“ einlösen. Samantha ist für alles bereit „außer Tanzen, da war ich und da musste man Spagat machen, das will ich nicht“. Atakan ist ganz außer Atem, weil er gern Fußball spielt. Sein Hund habe ihm aber leider den Ball kaputt gemacht, deshalb will er schnell in einen Verein und dann „im Stadion spielen, da gibt es keine Hunde“. Und schon stürmen sie Richtung Tor.
Aber auch alle anderen sollen die Gelegenheit bekommen, „Spaß an der Bewegung, am Training und am Miteinander in der Gruppe und mit Freunden zu erleben“, so Gehrt-Butry. Das finanzieren Sponsoren wie Sparkasse, Gebag, Novitas BKK und Helios Klinikum Duisburg augenscheinlich gern.
Viele Kinder können kaum auf einem Bein stehen
Schulleiterin Beate Bischof beobachtet, dass immer mehr Erstklässler nicht mehr auf einem Bein stehen können und auch sonst motorische Schwächen haben. „Das Spiel auf der Straße fällt für viele weg, Eltern sind verängstigt, lassen ihre Kinder nicht alleine raus“, hat sie beobachtet.
Tablet und Co. seien zwar „wunderschön, aber man muss die Zeit begrenzen“. In den vergangenen zehn Jahren habe sich das Problem deutlich verschärft, gut 30 Prozent jedes Jahrgangs habe motorische Defizite. Und in jeder Klasse gebe es mindestens zwei Kinder, die zu viel Kilos mit sich herumtragen. Im Sportunterricht, in den Pausen, im Offenen Ganztag und mit bewegten Unterrichtsformaten steuern sie gegen, lassen die Kinder klettern und balancieren, Ballspiele und Parcours meistern. Da kommt der Sportgutschein als weitere Chance gerade recht.
Das ist die Grundschule Unter den Kastanien
Die Schule wird aktuell von 154 Kindern besucht, ist bis auf einen Jahrgang zweizügig. Jeden Morgen kommt ein Bus und bringt Kinder aus Marxloh, die sonst keinen Schulplatz hätten. Da die Schule zudem Lehrer im Rahmen von Abordnungen an andere Lernorte abgeben muss, ist die Situation auch hier knapp. Fächer wie Musik und evangelische Religion können nicht besetzt werden.
Im Rahmen des gemeinsamen Lernens gebe es durch Kinder mit emotional-sozialen Einschränkungen weitere Herausforderungen. Dennoch: „Wir sind hier sehr zufrieden und wir lieben unsere Kinder“, betont Bischof, „und eine Traumschule gibt es wohl in ganz Duisburg nicht mehr“.
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Schulhund Hermann
Schulhund Hermann lässt sich von dem Gekicke auf dem Schulhof nicht stören. Der sanftmütige, ausgebildete Therapiehund sorge selbst auch in den Klassen für eine gute Lernatmosphäre, sagt Sozialpädagogin Andrea Overlöper. „Für ihn nehmen die Kinder gern Rücksicht, denn Lärm mag er gar nicht.“
Erstaunlich sei für sie immer wieder, dass sich der Hund genau zu den Kindern legt, deren Verhalten am auffälligsten sind und die seine Unterstützung am nötigsten haben. Der Hund sei wie ein Schlüssel, ihm vertrauen sich manche Kinder an, erzählen ihm, was sie auf dem Herzen haben.