Duisburg. Dr. Peter Gabriel leitet das Institut für Rechtsmedizin der Sana Kliniken. Ein Gespräch übers Ertrinken, Gefahren im Wasser und Wasserleichen.

Immer wieder sterben Menschen in den Sommermonaten im Rhein und in Baggerseen. Ein Phänomen dabei ist, dass manche Wasserleichen bereits nach ein paar Tagen wieder auftauchen, wie die des 33-Jährigen, der am 19. Juli im Masurensee untergegangen war und am 25. Juli im Wasser entdeckt wurde. Andere Verschollene aber findet man über Wochen und Monate nicht. Unsere Mitarbeiterin Eva Arndt sprach mit Dr. Peter Gabriel (55), Leiter des Instituts für Rechtsmedizin.

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Dr. med. Peter Gabriel, Leiter des Instituts für Rechtsmedizin der Sana Kliniken Duisburg GmbH.
Dr. med. Peter Gabriel, Leiter des Instituts für Rechtsmedizin der Sana Kliniken Duisburg GmbH. © Sana Kliniken Duisburg | Peter Gabriel

Der Facharzt arbeitet bei den Sana-Kliniken und nimmt für Duisburg in solchen Fällen die Obduktionen vor.

Was sind die Gründe, warum so viele Menschen in Seen und Flüssen sterben?

Dr. Peter Gabriel: Man muss Flüsse und Seen unterscheiden, denn im Rhein zum Beispiel kommt als Gefahr immer noch die Strömung dazu. Wenn wir bei den Baggerseen bleiben, ist bei Unfällen häufig Alkohol im Spiel. Es ist extrem gefährlich, Alkohol oder Drogen zu nehmen und dann ins Wasser zu gehen, weil diese Mittel zu Bewusstseinstrübungen führen und dann sehr häufig Unfälle passieren.

Welche anderen Ursachen sind ausschlaggebend, dass Schwimmer im Wasser sterben?

Gabriel: Es ist unterschiedlich. Es kann passieren, dass jemand im Wasser einen Herzinfarkt oder einen Krampf bekommt und in der Folge ertrinkt. Viele überschätzen sich aber auch, wenn sie ans andere Ufer schwimmen wollen und ertrinken dann, weil sie erschöpft sind. Ein anderes Problem sind die markanten Temperaturunterschiede in Baggerseen durch unterschiedliche Tiefen. Wenn der Körper erhitzt ist und man springt in sehr kaltes Wasser, kann es zu Herz-Kreislauf-Problemen kommen.

Was passiert eigentlich im Körper, wenn man ertrinkt?

Gabriel: Im Normalfall hält man unter Wasser die Luft an. Aber irgendwann muss man einatmen und dann kommt Wasser in die Lunge. Das hat zur Folge, dass nicht mehr genug Sauerstoff im Körper ist und die Konzentration von Kohlendioxid, was man normalerweise ausatmet, zunimmt. Dadurch wird das Atemzentrum gereizt, man bekommt einen Hustenreiz, atmet wieder mehr Wasser ein und so setzt sich diese Spirale fort. Es ist im Grunde ein Erstickungstod mit Wasser.

Und dann geht man unter?

Gabriel: Ja, weil der Kopf schwer ist, immer mit dem Kopf und den Gliedmaßen zuerst.

Warum dauert es denn manchmal nur Stunden oder Tage und manchmal Wochen oder Monate, bis man die Ertrunkenen findet?

Gabriel: Dass der 15-Jährige, der in der vergangenen Woche im Eyller See in Kerken ertrunken ist, von Polizeitauchern gefunden wurde, war reiner Zufall. Viele verfangen sich auch in Ästen unter Wasser, bleiben an Bojen hängen, geraten unter einen Steg oder unter ein Schiff. Außerdem ist die Sicht in den meisten Baggerseen ausgesprochen schlecht, so dass die Taucher kaum Chancen haben, Gesuchte zu finden. Das ist fast unmöglich.

Wenn man von solchen Fällen absieht, warum tauchen Ertrunkene nach so unterschiedlichen Zeiten auf?

Gabriel: Das hängt entscheidend von der Wassertemperatur ab. Es entwickeln sich bei den Toten Fäulnisgase. Wenn das Wasser recht warm ist, geht der Prozess schneller voran. Wenn sich genügend Gase entwickelt haben, gibt das der Leiche Auftrieb und man findet die Menschen dann an der Wasseroberfläche. Aber bei einer Wassertemperatur von beispielsweise nur fünf Grad am Boden eines Baggersees, kann es Wochen oder Monate dauern, weil die Prozesse deutlich langsamer vonstattengehen.

Und Sie obduzieren dann die Toten?

Gabriel: Ja. Unser rechtsmedizinisches Institut ist für die Städte Krefeld, Mülheim, Oberhausen, die Kreise Wesel und Kleve und Duisburg zuständig. Wir sind immer dann gefragt, wenn ein gewaltsamer Tod vorliegt oder die Todesursache unklar ist. Die Gebiete, für die Rechtsmediziner zuständig sind, sind im Übrigen nach Gerichtsbezirken aufgeteilt.

>> TÖDLICHE BADEUNFÄLLE IN DUISBURG

  • Auch am Masurensee gab es bereits vor dem jüngsten tödlichen Badeunfall mindestens ein Todesopfer: Im Juli 2013 hatte sich ein 42-jähriger Duisburger in stark alkoholisiertem Zustand ein Wettschwimmen mit Begleitern geliefert. Seine Leiche entdeckte ein Spaziergänger erst Wochen später.
  • Feuerwehr oder DLRG führen keine Statistik über Badetote in Flüssen und Seen, aber ein Blick ins Archiv zeigt, dass tödliche Badeunfälle in Duisburg keine Seltenheit sind – zur Übersicht.
  • In der Nacht auf den 3. Juli haben Polizisten einer 21-Jährigen das Leben gerettet, die alkoholisiert in den Masurensee gegangen war (wir berichteten).