Duisburg. Der Duisburger Regisseur Nils Witt dreht einen Spielfilm über eine perfide Fehlfunktion des Körpers. Sie betrifft acht Prozent aller Deutschen.

Emilia reißt die Augen auf, ihr Blick scheint vor Panik zu schreien. Sie liegt in ihrem Hotelbett, doch das steht nicht mehr an dem Ort, an dem sie eben noch ihre Augen geschlossen hat. Türen öffnen und schließen sich, die Natur zieht vorbei und ihr schemenhafter Freund reicht ihr die Hand. Doch das schlimmste: Emilia kann sich weder bewegen noch atmen. Ihrem Alptraum schutzlos ausgeliefert liegt sie gelähmt und schweißgebadet in ihrem Bett, blaue Fäden regnen auf sie hinab.

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Zum Glück ist das alles nur gespielt. Emilia heißt eigentlich Eva Straeten und ist Schauspielerin, gerade liegt sie in einem Bett im Hotel Wyndham Duisburger Hof neben dem Theater und blickt in die Kamera des Duisburger Filmemachers Nils Witt. Doch „Paralyse“, so der Arbeitstitel des Spielfilms der gerade entsteht, hat einen ernsten Hintergrund. Das Phänomen Schlafparalyse gibt es wirklich, rund acht Prozent der deutschen Bevölkerung erleben den Horror mindestens einmal in ihrem Leben, junge Menschen scheinen besonders anfällig zu sein.

Duisburger Filmemacher thematisiert gruseliges Phänomen

Wen die Schlafparalyse erwischt, der kann seine Extremitäten nicht bewegen und hat das Gefühl, nicht atmen zu können. Schuld ist ein Fehler des Körpers: In der REM-Phase, also der Tiefschlafphase, ist die Muskellähmung ganz normal und wichtig, um sich nicht zu verletzen. Wer nun aber aufwacht, von seinem Gehirn aber weiterhin im REM-Zustand gehalten wird, erlebt die besagte Schlafstarre – im schlimmsten Falle verbunden mit Halluzinationen, Illusionen und Ortsverschiebungen. Die gute Nachricht: Das Herz-Kreislauf-System und die Atmung funktionieren weiter, doch das Gefühl der Hilflosigkeit kann Angststörungen hervorrufen. Experten glauben, dass beruflicher Stress, Jetlag, Medikamente und Drogen Auslöser des Phänomens sein können.

Profis am Werk: Regisseur Nils Witt (l.) gibt Schauspielerin Eva Straeten im Duisburg Hotel Wyndham Duisburger Hof klare Anweisungen, seine Regieassistenten sorgen für den richtigen Look.
Profis am Werk: Regisseur Nils Witt (l.) gibt Schauspielerin Eva Straeten im Duisburg Hotel Wyndham Duisburger Hof klare Anweisungen, seine Regieassistenten sorgen für den richtigen Look. © Jonas Schlömer

Aber wie kommt man auf die Idee, einen Film über diesen gruseligen Zustand zu drehen? „Ich habe noch nie von einem Spielfilm zu dem Thema gehört“, erklärt Nils Witt, während er an der großen Kamera schraubt und die nächste Einstellung vorbereitet. „Bei dem Projekt unterstützen uns neben dem Kulturbüro Duisburg, dem Wyndham-Hotel und dem Tectrum in Duisburg auch die Deutsche Stiftung Schlaf und die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin“, ergänzt der Filmemacher. Science Reality sozusagen.

Von Filmtricks und Hollywoodglamour

Im Tectrum in Neudorf werden die Szenen in Emilias Büro gedreht – Stress auf der Arbeit ist einer der Gründe für ihre nächtliche Tortur. Damit die auch echt aussieht, besprüht ein Regieassistent Eva Straeten mit Wasser, später im Film von Angstschweiß nicht zu unterscheiden. Die Scheinwerfer tauchen den abgedunkelten Raum in ein unwirkliches Licht. Noch kurz die blauen Wollfäden entwirren, die für die nötige Surrealität sorgen – dann geht es weiter.

Wenig Hollywood-Zauber: Die Dreharbeiten zu „Paralyse“ im Hotel Wyndham Duisburger Hof an sich sehen unspektakulär aus. Doch was Regisseur Nils Witt (r.) mit den Aufnahmen vor hat, verspricht Großes.
Wenig Hollywood-Zauber: Die Dreharbeiten zu „Paralyse“ im Hotel Wyndham Duisburger Hof an sich sehen unspektakulär aus. Doch was Regisseur Nils Witt (r.) mit den Aufnahmen vor hat, verspricht Großes. © Jonas Schlömer

Die Filmklappe knallt, die futuristisch anmutende Kamera läuft: „Und bitte“, ruf Witt, der selbst hinter der Kamera steht. Plötzlich Stille im Hotelzimmer über den Dächern der Stadt, Nils Witt schiebt sich durch die blauen Fäden, ganz nah an Emilias Gesicht. Dann zwei, drei schnelle Schritte zurück – und das war’s schon wieder. Ein paar Sekunden höchste Anspannung und die Szene ist im Kasten: Vom Glamour und Zauber eines fertigen Spielfilms bleibt bei den Dreharbeiten nicht viel übrig.

„Paralyse“ wird ein Horrorfilm des modernen Schlags

Was trotz der ungeschönten Realität des Filmemacheralltags klar wird: Hier entsteht ein ungewöhnlicher, deswegen sehenswerter Film. Ein Horrorfilm, wenn man ihn so kategorisieren möchte, aber keiner der plumpen Sorte. Viel eher einer der Art, mit denen sich Jordan Peele („Get Out“, „Us“) in der jüngeren Vergangenheit einen Namen gemacht hat: Er bildet die schnöde Realität ab, mit allem was wir tagtäglich erleben – bloß ein beunruhigendes Detail verzerrt die ganze Welt in ein groteskes Kunstwerk. Kein Wunder also, dass Nils Witt Gemälde von Salvador Dali zu seiner Inspiration zählt.

Wer den Film ins seiner wohlig-bedrohlichen Gänze sehen möchte, muss sich noch ein wenig gedulden. Im August oder September soll das Werk zunächst bei Filmfestivals in der Region eingereicht werden, auch mit deutschen, französischen und englischen Untertiteln. Später soll der Film auch der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Wer auf dem Laufenden bleiben möchten, kann das auf der Internetseite von Nils Witt, nilswitt.com, tun.

>> DAS IST FILMEMACHER NILS WITT

  • Diplom-Designer Nils A. Witt aus Duisburg hat unter anderem in Los Angeles eine „Cinematography Masterclass“ absolviert. Mit dem Film „The Awakening“ gewann er Preise auf Filmfestivals in Athen, Prag und Neapel.
  • Zweimal wurde ihm das Künstlerstipendium des Landes NRW verliehen. Seine Arbeiten waren, unter anderem, auf den Festivals Max-Ophüls-Filmfest, ARTE Grenzenlos, Montreal World Filmfest und dem deutschen Menschenrechtsfilmfestival zu sehen.
  • Neben „The Awakening“ hat Witt bisher die Filme „Mein letztes Konzert“ (mit Musik von Giora Feidmann) , „Mandarinenbaum“ (in der Auswahl für das Filmfestival in Cannes), „Washer“, „First Contact“ und „The Illusion“ gedreht.