Duisburg. Matthias Börger ist als Duisburgs Kulturdezernent seit sechs Wochen im Amt. Diese Baustellen will er in den nächsten Jahren vordringlich angehen.

Der Weg ins Amt war holprig. Musste doch der bereits im April 2021 zum Dezernenten für Umwelt und Kultur gewählte Matthias Börger nach der Klage einer Mitbewerberin und der Wiederholung des Auswahlverfahrens im Februar ‘22 erneut vom Duisburger Rat gewählt werden. Das Votum für den Diplom-Bauingenieur und Bauassessor, den die Grünen vorgeschlagenen hatten, war einstimmig. Offiziell ist er noch keine 100 Tage im Amt und noch dabei, sich in Duisburg zu orientieren. Dennoch stellte er sich den Fragen der Redaktion.

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Was hat sie am Dezernat in Duisburg gereizt, Herr Börger?

Matthias Börger: Vor allem zwei Dinge: Bei der Bezirksregierung hatte ich viel mit der Genehmigung, Überwachung von Projekten und mit Fördergeldern zu tun. Die konkreten Maßnahmen setzen Sie aber nicht um, sind also regelmäßig vor oder nach der Projektumsetzung im Boot. Ich hoffe, dass ich hier das eine oder andere unmittelbar anstoßen und realisieren kann. Zweites Thema: Den Klimaschutz konnte ich in meinem bisherigen Job nicht abbilden, in das Thema wollte ich unbedingt rein.

„Ich muss Mehrheiten finden, wenn ich meine Ideen durchbringen will“

Es hat ja nach der Kommunalwahl so ausgesehen, also könnte es eine rot-grüne Kooperation im Rat geben. Die ist nicht zustande gekommen, das hat Sie nicht abgeschreckt?

Nein, weil ich glaube, meine Ziele kann ich auch so verfolgen, unabhängig von der politischen Konstellation. Für grüne Ziele ist es dadurch nicht einfacher geworden, aber ich bin einstimmig vom Rat gewählt und in erster Linie dem Rat und der Stadt verpflichtet. Das ist mein Kernjob: Ich muss Mehrheiten finden, wenn ich meine Ideen durchbringen will. In dieser Konstellation kann ich nicht 100-prozentig grüne Politik durchsetzen.

Umwelt, Artenschutz, Abfall: Die Kultur gehörte bislang nicht zu Ihrem Berufsleben. Wie arbeiten Sie sich in das Thema ein?

Mit hohen Anstrengungen. Ich habe zeitweise 80 Prozent meiner Arbeitszeit in die Kultur gesteckt, es liefen ja gerade die Akzente. Ich versuche, die Akteure kennenzulernen und mir erstmal ein Bild zu machen. Duisburgs Kultur ist ja ein wahnsinnig breiter Bereich, das war mir bei Dienstantritt so nicht klar, was das alles bedeutet – von der städtischen Kultur bis zur Soziokultur, die man auch mehr unterstützen müsste. Das wird sicher in den nächsten Jahren auch mein Thema sein, die Balance zu finden zwischen den Ansprüchen der Etablierten und neuen Ansätzen, die ohne Geld nicht umsetzbar sind.

„Die Decke ist nach langen Jahren des Sparens an allen Enden zu kurz“

Was sind Ihre ersten Eindrücke vom Duisburger Kulturleben?

Vielfältiger und aktiver und viel fordernder, als ich gedacht habe. Ich sehe viele engagierte Leute, aber auch das Corona-Loch und die Sorge, dass der ein oder andere nicht mehr auf die Füße kommt. Darum muss man sich intensiv kümmern. Auch die städtischen Bereiche sind auch nicht auf Rosen gebettet, da ist die Decke nach langen Jahren des Sparens an allen Enden zu kurz. Der aktuelle Doppelhaushalt gibt den finanziellen Rahmen bis Ende 2023 vor. Bereits in diesem Jahr muss man Ideen und Vorschläge für den Haushalt 2024 entwickeln.

Ihr Vorvorgänger hat den Kulturentwicklungsplan auf den Weg gebracht. Sind Sie schon dazu gekommen, den zu lesen?

Nein, aber ich weiß, dass es wohl mit der Umsetzung etwas hapert. Ich bin heute 39 Tage im Amt, tief kann ich da noch nicht eingestiegen sein. Pläne sind schnell geschrieben, aber die konkrete Umsetzung ist viel schwieriger – auch im Klimaschutz. Ein weiteres Handlungsfeld für mich, die vielen konzeptionellen Ideen umzusetzen.

Baustelle Soziokultur: Deniz, Tonio, Lili, Marco und Max vom Organisationsteam des Zentrums Stapeltor hoffen nach der Corona-Pause auf finanzielle Unterstützung in einem Umfang, der eine erfolgreiche Arbeit möglich macht.
Baustelle Soziokultur: Deniz, Tonio, Lili, Marco und Max vom Organisationsteam des Zentrums Stapeltor hoffen nach der Corona-Pause auf finanzielle Unterstützung in einem Umfang, der eine erfolgreiche Arbeit möglich macht. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

„Wenn man was auf die Beine stellen will, muss man auch in Personal investieren“

Die Stadt hat bei der Kultur in den letzten Jahren einen harten Sparkurs gefahren und Stellen abgebaut. Wann wird es einen neuen Direktor für das Binnenschifffahrtsmuseum geben?

Da kann ich noch keine Lösung anbieten. Zumal: Die Stelle ist im Rahmen der Haushaltssicherung eingespart worden. Eine neue Stelle kann frühestens mit dem Haushalt ‘24 geschaffen werden.

Auch das Kulturbüro ist personell ausgedünnt. Dadurch sind die Festivals, ist die ganze Arbeit in Gefahr. Das kann doch so nicht weitergehen?

Ja, das hat man auch bei den Akzenten gemerkt. Wenn nur eine Person ausfällt, dann klappen die Veranstaltungen nicht mehr. Wir sind auf Kante genäht, und wenn man was auf die Beine stellen will, muss man zukünftig auch in Personal investieren. In anderen Bereichen wie im Gesundheitsamt gibt es zwar die Stellen, aber wir können sie wegen des Fachkräftemangels nicht besetzen. Im Kulturbereich sind viele Stellen weggefallen.

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„Ich werde in den nächsten Jahren für die Soziokultur in Duisburg streiten“

Das soziokulturelle Zentrum gibt es ja jetzt, aber es ist so unterfinanziert, dass es kaum arbeiten kann. Wie stehen Sie dazu?

Auch in Hochfeld würden wir Soziokultur gerne hochfahren. Das bleibt ein Thema für mich in den nächsten Jahren. Und dafür werde ich streiten, aber ich brauche Mehrheiten.

Für Duisburg wäre ja schon etwas gewonnen, wenn mit Kultur sensibler umgegangen würde, siehe die Logistikhallen um „Tiger & Turtle“.

Dafür kann ich nur plädieren. „Tiger & Turtle“ sieht man jeden Abend im WDR. Das Kunstwerk ist für Duisburg ein charakterbildender Magnet, mit dem man sorgfältig umgehen muss. Andererseits war die Halle ja wohl genehmigt.

In Duisburg wird eine starke Stimme für die Kultur vermisst, werden Sie die sein?

Da will ich hin, bin aber erst einmal ein guter Zuhörer für die Anliegen der Kulturschaffenden. Die Kultur ist mir neben dem Umwelt- und Klimaschutz besonders wichtig.

■ Im zweiten Teil des Interviews beantwortet Matthias Börger Fragen zu Osttangente, Baumschutzsatzung, Stadtwald und Gesundheitsamt.

>> ZUR PERSON: MATTHIAS BÖRGER

  • Der gebürtige Kamener (53), einst Rechtsaußen beim Zweitligisten TuRa Bergkamen, entschied sich gegen den Profi-Handball und studierte Bauingenieurwesen mit dem Schwerpunkt Abfallwirtschaft an der RWTH Aachen.
  • Seit dem Referendardienst stand Matthias Börger im Dienst des Landes NRW, war dort für die staatlichen Umweltämter in Köln, Bonn und Siegen tätig, ehe er 2002 zur Bezirksregierung Düsseldorf und zwischenzeitlich ins NRW-Umweltministerium wechselte.
  • Der dreifache Familienvater, der mit seiner Familie in Grevenbroich lebt, ist Fachmann für Hochwasserschutz und Kreislaufwirtschaft und war beteiligt an der Umsetzung der Wasser-Rahmenrichtlinie, dem Deichbau am Rhein und an der Genehmigung für die umstrittene CO-Pipeline des Bayer-Konzerns, die auch durch Duisburg führt.
  • In den fünf Jahren vor seiner Wahl zum Dezernenten in Duisburg leitete er die Obere Abfall- und Bodenschutzbehörde der Bezirksregierung Düsseldorf. Börger ist seit 2020 Mitglied der Grünen, deren Duisburger Ratsfraktion ihn für das Amt des Beigeordneten vorgeschlagen hat.