Duisburg. Das 10. Philharmonische Konzert der Duisburger Philharmoniker dirigierte Bejun Mehta. Klarinettistin Sharon Kam spielt eine überraschende Zugabe.
Wenn ein international erfolgreicher Opern- und Konzertsänger noch eine zweite Karriere als Dirigent verfolgt, ist das ein ungewöhnlicher Fall. Countertenor Bejun Mehta war jetzt im 10. Philharmonischen Konzert in der Mercatorhalle in Duisburg zu erleben – und sang keinen Ton.
War er doch der Dirigent des Programms, das unter dem Motto „Sturm und Drang“ Werke von Joseph Haydn und Wolfgang Amadeus Mozart kombinierte. Wie ernst Bejun Mehta seinen „Nebenjob“ als Dirigent nimmt, zeigt sich daran, dass er die beiden Sinfonien auswendig dirigiert. Mit Joseph Haydns Sinfonie Nr. 44 e-Moll, der Trauersinfonie, und Wolfgang Amadeus Mozarts Sinfonie Nr. 29 A-Dur stehen zwei wichtige Werke der Wiener Klassik auf dem Spielplan.
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Die Haydn-Sinfonie geht der gebürtige Amerikaner herb und robust an. Mit den Duisburger Philharmonikern hat er sehr fein an den dynamischen Abstufungen gearbeitet. Man hat den Eindruck, dass sich das Orchester in einem pfiffigen Selbstgespräch befindet. Die melodischen Höhepunkte des Adagios bringt Mehta schön zu Geltung. Im Presto-Finale gelingt es Orchester und Dirigenten, trotz des intensiven Miteinanders der Stimmen, ein gut durchhörbares Klanggeschehen zu entwickeln.
Mozart-Sinfonie elegant musiziert
Der Dirigierstil Mehtas ist von weit ausholenden Bewegungen und einer klaren Zeichengebung geprägt. Immer wieder wendet er sich den verschiedenen Gruppen des Orchesters zu, gibt Einsätze, zeigt die Dynamik an. Wenn er vom Orchester weiche Bögen verlangt, vollziehen seine Arme runde Bewegungen, wird der Rhythmus stärker akzentuiert, sind seine Bewegungen härter und eckiger. So gelingt es ihm, den Philharmonikern und dem Publikum immer klar zu zeigen, was er möchte.
Wesentlich eleganter, aber nicht so verspielt wie die Haydn-Sinfonie lässt Bejun Mehta Mozarts A-Dur Sinfonie musizieren. Das Adagio wird sehr fein ausgesungen, während das finale Allegro con spirito munter dahin wirbelt.
Weltklasse-Klarinettistin setzt ein Zeichen für die Ukraine
Im Zentrum des Programms steht Mozarts Konzert für Klarinette und Orchester A-Dur, für das die Philharmoniker mit Sharon Kam eine der besten Musikerinnen ihrer Zunft engagieren konnten. Die aus Israel stammende Klarinettistin entwickelt ihren Part ganz natürlich aus dem musikalischen Geschehen, und oft wirkt ihr Musizieren wie aus dem Moment heraus improvisiert. In der Höhe lässt sie ihre Bassettklarinette zart wie Vogelgesang klingen, in der Tiefe holzig wie eine Baritonstimme. Die virtuosen Läufe, die Mozart der Solistin abfordert, sprudeln ihr rasant aus dem Instrument.
Im 2. Satz formt Bejun Mehta mit den Duisburger Philharmonikern einen seidenweichen Klangteppich, über dem Sharon Kam Mozarts Melodien warm aufleuchten lässt. Der Rondo-Schlusssatz reißt mit seinem starken Zusammenspiel zwischen Solistin und Orchester mit.
Mit der Zugabe setzt Sharon Kam ein Zeichen der Solidarität mit der Ukraine: Begleitet von den Orchestermusikern Tonio Schibel, Annelie Haenisch-Göller und Friedemann Pardall, spielt sie mit viel Gefühl, aber ohne jeden Kitsch eine Melodie des ukrainischen Komponisten Myroslaw Skoryk.
>> DIRIGENT, COUNTERTENOR UND LITERATURKENNER
- Bejun Mehta ist der Großneffe des Dirigenten Zubin Mehta. Als Countertenor tritt er regelmäßig an den großen Opernhäusern der Welt in Werken der Barockzeit auf.
- So verkörperte er 2019 die Titelrolle in Händels „Giulio Cesare“ an der Mailänder Scala. Er singt aber auch zeitgenössische Werke wie George Benjamins Oper „Written on Skin“.
- Mehta, der an der Universität Yale einen Abschluss in deutscher Literatur machte, wohnt in New York und Berlin.