Duisburg. . Friedemann Pardall ist seit 20 Jahren Solo-Cellist der Duisburger Philharmoniker – und sehr glücklich damit. Als Kind spielte er mit seinem Zwillingsbruder lieber Fußball.
Friedemann Pardall bestreitet gerade eine „Englische Woche“, als wir ihn treffen: Philharmonische Konzerte, „Herzmusik“ für Menschen mit Demenz, Profile-Konzert mit Streichquintett-Programm, „Der Ring an einem Abend“, der Puccini-Operndreiteiler „Il trittico“, dazwischen Proben – woher nimmt der Solo-Cellist der Duisburger Philharmoniker die Energie? „Das ist ein sich selbst befruchtendes System. So lange ich körperlich fit und gut vorbereitet bin, macht mir jeder Dienst Spaß“, sagt Pardall. „Das ist fast wie ein Perpetuum mobile.“
Körperliche Fitness gehört dazu – Laufen, Radfahren und Krafttraining für Schultern und Rücken, die Cellisten besonders beanspruchen. Kein Fußball, den Friedemann und sein fünf Minuten zuvor geborener Zwillingsbruder als Kinder anfangs mehr geliebt haben als das Üben. „Wir sind in Frankenthal in der Pfalz gegenüber von einem Fußballplatz aufgewachsen und haben immer die Instrumente verstimmt, um Fußball spielen zu können,“ schildert Pardall, dass die ersten musikalischen Schritte ähnlich ungeliebt waren wie Hausaufgaben machen. Fußball liebt er bis heute. „Ich freue mich aufs Pokal-Halbfinale Hertha gegen den BVB. Das ist der Vorteil meines Berufs, ich habe auch mal unter der Woche frei.“ Zum MSV ist er jetzt aber länger nicht gegangen. „Ich bringe dem MSV kein Glück. Wenn ich da war, hat er immer verloren.“
Beide sträubten sich gegen das Klavier
Er und sein Bruder sollten eigentlich Klavier lernen, dagegen sträubten sich beide, und weil in der Musikschule Ludwigshafen nur noch Stunden für Geige oder Cello zu vergeben waren, entschied er sich fürs Cello. Das bereut er bis heute nicht. Zum ersten Mal Spaß habe ihm das Musizieren allerdings erst zusammen mit anderen im Jugendorchester gemacht. „Dann habe ich jeden Tag mit Freude mehrere Stunden geübt.“ Dennoch habe er immer wieder darüber nachgedacht, Chemiker zu werden und sich die Musik als Hobby zu erhalten. Schließlich ist der Erfolg im Musikerberuf auch von Zufällen abhängig. Er studierte in Saarbrücken und Basel, wo er sich bereits mit der historischen Aufführungspraxis beschäftigte, als das noch „eher verpönt“ und nicht Standard war wie heute. Pardall wurde Solo-Cellist des Jugendorchesters der Europäischen Gemeinschaft unter Claudio Abbado, kam nach Stationen in Hamburg, Kiel und Bremen 1996 als erster Solo-Cellist zu den Duisburgern.
„Ich hatte großes Glück, diese Stelle zu bekommen. Ich bin ein Glückskind: Das Instrument hat mich gefunden und ich bin hier gelandet.“ Sein Bruder wurde Bratscher.
Den menschlichen Stimmen so nah
Wenn Friedemann Pardall über sein Instrument spricht, gerät er ins Schwärmen. „Es ist der menschlichen Stimme so nah und deswegen so gesanglich, fast nie aufbrausend und schnell. In der Oper wird es fast immer bei Liebes- und Sterbeszenen eingesetzt.“ Dabei habe sich das Cello erst spät richtig entwickelt, war lange Begleitinstrument, „es ging erst mit Bach als Solo-Instrument los“. Antonin Dvorak habe wunderbar für Cello komponiert, „erst Richard Strauss hat es an die Grenzen des Machbaren geführt“. Und der Zauber des Cellos halte bis heute an, präge Werke mit ruhigem Charakter emotional – darauf setzten auch Bands wie Jamiroquai oder Simply Red.
Friedemann Pardall ist froh, wieder eigene Kammermusik-Projekte zu haben, denn bei dieser Form des Musizierens werde ein „feinerer Kamm“ benötigt als im Orchester. „Und es ist eine sehr gepflegte Form der Kommunikation.“ Das Zusammenspiel sei nach wie vor die „größte Freude“. Fast alles hat er schon gespielt, was es für sein Instrument gibt. Ein Werk reizt ihn aber noch: das Cello-Konzert des französischen Komponisten Henri Dutilleux aus dem Jahr 1970.
Alte Instrumente hüten ihre Geheimnisse
Er habe lange gesucht, bis er sein Instrument gefunden hat, sagt Friedemann Pardall. Bei einem Essener Geigenbauer entdeckte er das Cello, das Anfang des 19. Jahrhunderts in Neapel gebaut worden ist. „Das ist auch ein Kulturgut.“ Alte Instrumente hüteten ihre Geheimnisse, die Lacke waren anders, und wie sie aufgetragen wurden, wisse man noch nicht. In Venedig sei schließlich mit allem gehandelt worden, was die Welt zu bieten hatte. Auch die Hölzer unterschieden sich von den heute verwendeten. „Die Bögen bestehen aus Tropenholz. Man vermutet, dass sie von Schiffen stammen, bei denen sie lange im Salzwasser waren, dann trocken und besonders hart wurden.“
Der Schriftsteller und Musikkritiker E.T.A. Hoffmann schrieb in seiner Rezension 1812 über die Coriolan-Ouvertüre von Beethoven, er gestehe zu, „dass diese Art, das Violoncello zu behandeln, ein offenbarer Gewinn für das Orchester ist, da manche Tenorfigur, von den gewöhnlich schwach besetzten und überhaupt dumpfklingenden Violen vorgetragen, nicht genug heraustritt, der durchdringende originelle Ton des Violoncellos dagegen von eingreifender Wirkung ist.“