Duisburg. Die Staatsministerin für Kultur, Claudia Roth, besuchte ein Duisburger Tonstudio. Wieso sie eine Spaltung der Kulturszene befürchtet.

Hoher Besuch in Wanheim-Angerhausen: Auf Einladung der drei Duisburger Landtagskandidaten der Grünen besuchten Staatsministerin für Kultur und Medien Claudia Roth (ebenfalls Grüne) und die grüne NRW-Spitzenkandidatin Mona Neubaur das Tonstudio Liebling. Im Gespräch mit dem Duisburger Musiker, Produzenten, Tontechniker und Studiobetreiber Beray Habip informierte sich Roth über die freie Kulturszene in Duisburg – und erklärte, warum ausgerechnet die Corona-Pandemie die Bedeutung der Kultur unterstrichen hat.

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Los geht das Treffen von Staatsministerin und Musiker mit einer Erkenntnis: „Diese Teppiche sind in allen Studios gleich“, sagt Claudia Roth und zeigt auf die Orientteppiche am Boden des Tonstudios Liebling. Als ehemalige Managerin der Band „Ton Steine Scherben“ um Rio Reiser weiß Roth, wovon sie spricht. Von Beray Habip will sie wissen, wie die Überlebensstrategie freier Künstler in Duisburg während der Corona-Pandemie aussah, und was er und seine Band sich von der Kulturpolitik wünschen.

Besuch in Duisburg: Claudia Roth hält nichts von Trennung in E- und U-Musik

Liveauftritte, das berichtete Habip, seien während der Pandemie „so gut wie flöten gegangen“. Er, als Musiker mit eigenem Studio, habe noch einigermaßen gut dagestanden, „mit großem Respekt vor den Menschen, die gelitten haben: Wir haben uns teilweise sogar gefreut, weil wie mehr Zeit hatten, an Songs zu arbeiten“. Das hört Claudia Roth natürlich gerne, und doch sorgt sie sich, auch ganz ohne Corona, um eine Spaltung der Szene.

Eine Spaltung in E- (ernste) und U- (Unterhaltung) Musik nämlich, mit Blick auf staatliche Förderungen. „Diese Trennung in E und U finde ich völlig gaga“, macht Roth ihren Standpunkt klar, und bedauert die starke Diskrepanz in Fördersummen, die zum größten Teil an die E-Kultur gehen, an Theater oder Oper zum Beispiel. Die Regierungen der vergangenen 16 Jahre, allesamt ohne Grünen-Beteiligung, kommen nicht gut weg. Claudia Roth berichtet vom Fall einer Band in Kiel, die mit dem Besuch der neuen Staatsministerin für Kultur das erste Mal überhaupt Kontakt mit dem Kulturministerium hatte.

Ritter: „In der Duisburger GroKo fällt die Kultur hinten runter“

Die Folgen der Corona-Pandemie, und auch die des Ukraine-Kriegs, würden auch in Zukunft die Haushalte belasten, sagt Roth. „Und wo spart man dann als Erstes? An der Kultur“, äußert sich die Staatsministerin vorwurfsvoll. In Duisburg sehe die Kulturlandschaft auch jetzt schon mager aus, das berichtet Habip auch Claudia Roth, ohne Grammatikoff und Djäzz gebe es quasi keinen Raum mehr für die freie Szene.

Die drei Duisburger Landtagskandidaten Jule Wenzel, Kevin Galuszka und Melih Keser berichten Claudia Roth über ihre Bemühungen, einen Ort für Kultur in einem der großen Neubauprojekte Duisburgs zu schaffen. „Aber in Duisburg müssen alle Planungen kostenneutral sein“, ergänzt der grüne Bürgermeister Sebastian Ritter. „In der Duisburger GroKo fällt Kultur hinten runter.“

Großes Thema im Gespräch zwischen Claudia Roth, Mona Neubaur und Beray Habip: Die Diskrepanz in der Förderung von „Hochkultur“ und der freien Szene.
Großes Thema im Gespräch zwischen Claudia Roth, Mona Neubaur und Beray Habip: Die Diskrepanz in der Förderung von „Hochkultur“ und der freien Szene. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Melih Keser bestätigt das. „In Duisburg sprechen wir über alles Mögliche, aber nicht über Kunst und Kultur.“ Welchen Stellenwert Kultur hat, sagt Claudia Roth, hätte man eigentlich in ihrer Abwesenheit während der Pandemie merken müssen. Dabei kritisiert sie die SPD. „Da wird Soziales wie Bildung gegen die Kultur ausgespielt, als wären es Gegensätze. Kultur wird als etwas Elitäres dargestellt.“ Deswegen will sie in ihrer Rolle als Staatsministerin Kultur zu „Pflichtaufgabe“ machen. „Die Kultur soll als Staatsziel im Grundgesetz verankert werden.“

Claudia Roth berichtet von „patriarchaler Mackerscheiße“ im Musikbusiness

Findet auch Mona Neubaur, die Kultur als „wichtigen Gamechanger in der Stadtentwicklung“ sieht. Dabei geht sie auch auf das soziale Gefälle der Stadt ein. „Das Grundnahrungsmittel Kultur hat in Marxloh eine andere Rezeptur als in Meiderich.“

Dass Kultur, gerade Musik, eine Möglichkeit der Integration ist, das sieht auch Claudia Roth so. „Musik ist eine Sprache, die überall verstanden wird. Kultur ist kein Luxus.“ Ein Anliegen ist Roth auch der Feminismus, deshalb freut sie sich über den „feministischen Sampler“, den Beray Habip plant: Songs von Männerbands, gecovert von Frauen. Roth, die als Managerin die „patriarchale Mackerscheiße“ der Musikszene selbst erlebt hat, ist von dem Projekt so überzeugt, dass sie weiter mit Beray Habip in Kontakt bleiben will. Wer weiß, vielleicht führt seine Sampler-Idee den Duisburger Musiker bald aus Wanheim-Angerhausen Richtung Reichstag.

>> LANDTAGSWAHL AM 15. MAI

  • Am Sonntag, 15. Mai, wird in Nordrhein-Westfalen der neue Landtag gewählt. Die Politiker werden für fünf Jahre gewählt. Wie bei der Bundestagswahl haben alle Wahlberechtigten zwei Stimmen: eine für einen Direktkandidaten des Wahlkreises und eine für eine Partei und deren Liste.
  • In Duisburg gibt es drei Wahlkreise, also einen mehr als bei Bundestagswahlen. Im Wahlkreis I (Süd), tritt für die Grünen Jule Wenzel an, im Wahlkreis II (Westen und Walsum) Kevin Galuszka und im Wahlkreis III (Nord und Mitte) Melih Keser.