Duisburg. Janet Cardiff und George Bures Miller wurden 2020 mit dem Wilhelm-Lehmbruck-Preis ausgezeichnet. Jetzt zeigt das Museum in Duisburg ihre Kunst.

Eineinhalb Jahre nach der Verleihung des Wilhelm-Lehmbruck-Preises an das kanadische Künstlerpaar Janet Cardiff und George Bures Miller wird am 27. März die Ausstellung der Preisträger im Lehmbruck-Museum in Duisburg eröffnet. Sie vermittelt ein umfassendes, vielschichtiges, sehr berührendes Kunsterlebnis.

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Jeder Lehmbruck-Preisträger habe den Begriff der Skulptur erweitert, „und viele waren unsere Helden“, so der 1960 geborene Miller, der seine Künstlerlaufbahn als Maler begonnen hat. Seit den 1990er Jahren arbeitet er mit der 1957 geborenen Janet Cardiff zusammen, die von der Grafik kommt. Gemeinsam habe man den Klang entdeckt, so Cardiff. Und damit ein zentrales Element ihrer Kunst.

2001 wurde das Künstlerduo international bekannt, als es für seine Arbeit „The Paradise Institute“ mit dem Goldenen Löwen der Biennale in Venedig ausgezeichnet wurde. Auch sie ist im Lehmbruck-Museum zu sehen, in das für die Ausstellung mehrere geschlossene Räume gebaut oder abgedunkelt wurden, ist Dunkelheit doch unabdingbar für die effektvollen Arbeiten, skulpturale Konstruktionen mit Musik, Geräuschen, Sprache, Videos, Licht und theatralen Mitteln.

Das „Paradise Institut“ macht die Kinobesucher zu Akteuren

„Paradise Institut“ ist ein Mini-Kino. Während auf der Leinwand ein Film zu sehen ist, der den Zuschauern mit Spannung eine bedrohliche Geschichte erzählt, die sich etwa mit Schreckensbildern eines brennenden Hauses abwechseln, hört man über Kopfhörer nicht nur die eindringliche Filmmusik, sondern auch Geräusche, die Kinobesucher machen – vom Popcorn-Knuspern bis hin zum bimmelnden Handy. Das bild- und klanglich vermittelte Gefühl von mit Grusel unterlegter Hochspannung trifft auf die geflüsterte Alltagsobsession, den Herd nicht ausgemacht zu haben.

Der Escape Room von Janet Cardiff und George Bures Miller: Die dystopische Welt mit Gebäuden und Mal-Utensilien reflektiert die Erfahrungen der Corona-Pandemie.
Der Escape Room von Janet Cardiff und George Bures Miller: Die dystopische Welt mit Gebäuden und Mal-Utensilien reflektiert die Erfahrungen der Corona-Pandemie. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Die „Killing Machine“ ist 2007 unter dem Eindruck der Golfkriege und den Folterbildern aus dem irakischen Gefängnis Abu Ghraib entstanden. Ein Zahnarztstuhl, überzogen mit einem kuscheligen Stoff, an den Lehnen geöffnete Fesseln, darüber ein bewegtes spitzes Instrument, das aufs unsichtbare Opfer einzustechen scheint, dessen Wehrlosigkeit und Schmerz fast so automatisch transportiert werden wie die Maschine funktioniert.

Cardiff und Miller arbeiten für ein assoziierendes und denkendes Publikum, wie sie sagen. Nicht immer werden dabei (Ur)-Ängste angesprochen, wie auf eher spielerische Weise „The Instrument“ zeigt. Hinter jeder Taste des Klaviers stecken der Klang von Instrumenten, Stimmen oder etwa Vogelgezwitscher, so dass auch der ungeübteste Spieler zum Komponisten seines eigenen Soundtracks wird.

Das Drama eines misslungenen Tanzabends

In „Small Room“ erlebt der Besucher maschinengesteuerte Marionetten, die auf der von einer Schreibtischlampe beleuchteten Bühne das 20-minütige Drama eines misslungenen Tanzabends aufführen, melancholisch und anrührend. Wie Janet Cardiff sagt, sei Pina Bausch für sie und ihren Mann eine große Inspiration gewesen; ihre Choreographien hätten emotional bewegt – wie auch die Musik, die die Künstler lieben und etwa in der „40-teiligen Motette“ ausdrücken: 40 Lautsprecher für 40 einzelne Chorstimmen.

Den „Kleinen Raum“, in dem ein misslungener Tanzabend aufgeführt wird, konnte das Lehmbruck-Museum erwerben.
Den „Kleinen Raum“, in dem ein misslungener Tanzabend aufgeführt wird, konnte das Lehmbruck-Museum erwerben. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Zum ersten Mal in Europa ist die neue Arbeit der zwei „hybriden Bildhauer“ zu sehen, wie Cardiff und Miller sich als Künstler verorten. Der „Escape Room“ reflektiert den Lockdown während der Corona-Pandemie. Auch hier ist es ein düster-geheimnisvoll beleuchteter Raum, dessen surreale Szenarien durch den Besucher zum Leben erweckt werden. Ein menschenleeres Diorama aus unzähligen gebrauchten Gegenständen mit Hochhäusern und einer Industrieruine, einer utopisch wirkenden Stadt und einer Leseecke. Eine eigene Welt, die ohne Worte viele Geschichten erzählt.

Cardiff und Miller inszenieren auch körperlich wahrnehmbare Werke, deren gedankliche und emotionale Ausgestaltung denen überlassen sind, die sich in diese Erzählungen hineinbegeben. Sie reichen tief hinein in die Welt persönlicher (Alp)-Träume, aus denen man erleichtert und sehr fasziniert erwacht.

>> DIE KÜNSTLER IM GESPRÄCH KENNENLERNEN

  • Der Wilhelm-Lehmbruck-Preis, der 1966 von der Stadt Duisburg gestiftet wurde, ist mit 10.000 Euro dotiert; das Preisgeld wird seit 2020 komplett vom Landschaftsverband Rheinland getragen.
  • Die Ausstellung „Janet Cardiff & George Bures Miller“ wird am Samstag, 26. März, eröffnet. Dabei tragen sich die Künstler ins Goldene Buch der Stadt Duisburg ein.
  • Am Sonntag, 27. März, um 14 Uhr sprechen Museumsdirektorin Dr. Söke Dinkla und Kuratorin Ronja Friedrichs mit den Künstlern über ihr Werk.
  • Der Katalog (168 Seiten) erscheint im Wienand-Verlag und kostet 24,90 Euro an der Museumskasse. Darin werden auch wichtige Etappen im Leben des Künstlerpaars nachgezeichnet.