Duisburg/Witten. Warum es Ärger über einen Telefon-Vertreter der Blindenwerkstatt Kaniss in Duisburg gibt und wie hohe Provisionen die Preise nach oben treiben.
Gabriele und Harald Gatermann aus Witten sind seit Jahren Stammkunden der staatlich anerkannten Blindenwerkstatt Kaniss in Duisburg. Sie unterstützen gerne die Arbeit der gehandicapten Menschen, die Besen, Körbe oder Webwaren herstellen. Geschirrtücher mit entsprechender Qualität hat sich das Ehepaar in der Vergangenheit gerne auch mal etwas mehr kosten lassen. Über die integrierte Versehrtenwerkstatt bietet Kaniss zudem Papierwaren an.
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So ließ sich Harald Gatermann neulich von einem Telefon-Vertreter, der im Auftrag des Handwerksbetriebs Kunden kontaktiert, „für den guten Zweck“ überreden, 48 Rollen Toilettenpapier für die stattliche Summe von 96 Euro zu bestellen. Doch dabei blieb es nicht, wie der 68-Jährige zu seinem großen Ärger bei Lieferung und einem Blick auf die Rechnung feststellen musste.
Blindenwerkstatt Kaniss in Duisburg: Ärger über Telefon-Vertreter
„Mit Mehrwertsteuer und Versandkosten sollte ich plötzlich 123 Euro bezahlen“, so Gatermann. Dies entspricht insgesamt mehr als 2,50 Euro pro Rolle. „Ich habe mal recherchiert: Für 60 Cent pro Rolle hätte ich dieses Toilettenpapier woanders auch bestellen können. Und es hatte ja im Grunde zusätzlich nur die blaue Kaniss-Hülle. Das alles wäre es mir aber wert gewesen. Nur so habe ich mich veräppelt gefühlt“, stellt der Wittener klar.
Er beschwert sich, muss die zusätzlichen Kosten daraufhin nicht bezahlen, sondern „nur“ die vereinbarten 96 Euro. „Das habe ich dann auch gemacht“, so Gatermann. „Im Nachhinein hätte ich der Behindertenwerkstatt aber lieber etwas gespendet.“
Über 100 Kunden bestellen täglich
Jochen Kaniss, Inhaber der Blindenwerkstatt, ärgert sich auf Nachfrage der Redaktion sehr über das Vorgehen des Telefon-Vertreters. „Das ist für uns sehr schlimm, wenn so etwas passiert“, so Kaniss. „Aber es kommt zum Glück bei über 100 Kunden, die täglich bei uns bestellen, nur sehr selten vor.“
Rund zehn Vertreter seien für die Blindenwerkstatt im Einsatz und bieten die Waren „in der Regel nur Stammkunden“, so Kaniss, bundesweit telefonisch an. „Dass sie das so dürfen, habe ich mal gerichtlich erstritten. Wir sind dringend auf sie angewiesen“, sagt er und schiebt ein „Leider“ hinterher. Denn nach seinen Angaben lassen sich die Telefon-Vertreter ihr Engagement entsprechend vergolden.
50 Prozent Provision für jedes verkaufte Produkt
50 Prozent Provision erhalten sie demnach für jedes über sie verkaufte Produkt. „Das ist branchenüblich“, sagt Kaniss zähneknirschend. Dies treibe aber eben auch die Preise für die Kunden nach oben. Umso wichtiger sei es, dass die Telefon-Vertreter alle Kosten für die angebotenen Waren transparent darstellen.
Dazu gehören zum Beispiel verschiedene Besen, die knapp zehn blinde oder stark sehbehinderte Mitarbeiter für einen Stundenlohn, der laut Kaniss zehn Prozent über dem aktuellen Mindestlohn von 9,82 Euro brutto liegt, in der Blindenwerkstatt herstellen. „Dabei handelt es sich ausschließlich um Waren gemäß des Blindenvertriebsgesetzes“, betont der Inhaber. „Mit dem Verkauf der eigenen beziehungsweise der Produkte unserer zertifizierten Kooperationspartner könnten wir allein aber nicht überleben.“
Versehrtenwerkstatt sichert den Betrieb
Deshalb sei die Versehrtenwerkstatt gegründet worden. Dort beschneiden zwei geistig und körperlich gehandicapte Mitarbeiter die Besen und verpacken Toilettenpapier und Co. – mit dem Verkauf dieser Produkte werde der Betrieb der Blindenwerkstatt de facto gesichert.
Nach eigenen Angaben schafft das Unternehmen somit Arbeitsplätze für Menschen, „die auf dem freien Arbeitsmarkt nur geringe Chancen auf eine Anstellung hätten“. Für die Mitarbeiter bedeute die Arbeit „Unabhängigkeit und, was noch viel wichtiger ist, einen großen Beitrag zur Steigerung ihres Selbstwertgefühls“.
>> BLINDENWERKSTATT IN DUISBURG-NEUDORF
- Die Blinden- samt der integrierten Versehrtenwerkstatt ist seit sechs Jahren an der Kommandantenstraße in Duisburg-Neudorf beheimatet – davor war sie in Hochfeld.
- Weitere Informationen gibt es telefonisch unter 0203 66 30 84 und auf blindenwerkstatt.de.