Neudorf.. Beate Rausch-Kaniss, Tochter der Firmengründer, betrachtet den nicht ganz freiwilligen Umzug aus Hochfeld mit einem lachenden und weinenden Auge.
Für die Mitarbeiter der Blindenmanufaktur in Neudorf sind es nur ein paar Schritte über den Hof bis zu einer kleinen, grünen Oase mit Brunnen, massivem Steintisch und vier Sitzgelegenheiten. Bei schönem Wetter genießen sie dort ihre Mittagspause. Das war vor einem halben Jahr anders. Da wurden Besen und Bürsten noch in der Kupferhütte in Hochfeld, mitten im Industriegebiet produziert – und dann nicht mehr, weil die Stadt brandschutztechnische Mängel festgestellt hat. Deshalb der nicht ganz freiwillige Umzug nach Neudorf.
Den betrachtet Beate Rausch-Kaniss, Tochter der Firmeneigentümer Rosemarie und Jochen Kaniss, bis heute mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Einerseits freut sie sich über das schönere Umfeld, andererseits ist die Firmenfläche um die Hälfte von 2000 auf 1000 Quadratmetern geschrumpft. Auf die Produktion habe dies allerdings grundsätzlich keine Auswirkungen. „Wir sind nur überall enger zusammengerückt“, sagt sie.
Bessere Anbindung
Die acht blinden oder sehbehinderten von insgesamt 26 Mitarbeitern können dem Wechsel nur Gutes abgewinnen – nicht nur wegen der kleinen Oase, sondern auch wegen der besseren Anbindung zum Hauptbahnhof. Davon profitiert auch Zabrak Loynab (43), obwohl er von seinem Wohnort Münster immer noch drei Stunden bis zu seiner Arbeitsstelle braucht. Morgens steht der 43-Jährige, der aufgrund eines Sehnervschwunds nur noch zwischen hell und dunkel unterscheiden kann, um 4 Uhr auf. Er nehme dies aber gerne in Kauf, weil er seinen gar nicht mal so schlecht bezahlten Job als Besenbürstenmacher einfach mag. Und das seit 23 Jahren, sagt er und zieht die Borsten mit einem Kupferdraht.
„Das funktioniert trotz des Handicaps völlig uneingeschränkt und problemlos“, sagt Beate Rausch-Kaniss, die für den Vertrieb verantwortlich ist. Abnehmer der Besen und Bürsten seien Firmen, die durch den Kauf bei staatlich anerkannten Blindenmanufakturen wie in Neudorf 50 Prozent einer so genannten Ausgleichsabgabe steuerlich geltend machen. Die werde, so Beate Rausch-Kaniss, bei Unternehmen über 15 Mitarbeitern fällig, wenn sie keine Menschen mit Handicap einstellen.
Ihre Eltern hatten als Gründer des seit vielen Jahrzehnten bestehenden Betriebs dagegen die Idee, blinde oder sehbehinderte Menschen einzustellen, um ihnen durch eine fundierte Ausbildung und gezielte Förderung zu mehr Selbstvertrauen und Selbstständigkeit zu verhelfen – anfangs am Sternbuschweg in Neudorf, dann viele Jahre in Hochfeld - und nun wieder in Neudorf.