Duisburg. Dennis Kitschke erleidet einen Hörsturz, ist halbseitig gelähmt, hat Epilepsie. Warum der Duisburger immer an neue Chancen glaubt.
Dennis wacht auf. Es ist still im Zimmer. Er murmelt etwas vor sich hin und immer noch dringt kein Ton in sein Ohr. Nur Stille. Sonst nichts. Dennis hat einen Hörsturz, er ist plötzlich taub.
„Von der Welt abgekapselt“, so fühlte sich der 23-jährige Neudorfer. Doch Dennis Kitschke kämpft und leidet, bis er endlich wieder hören kann. Jetzt will der Mann mit Epilepsie und 24 Elektroden im Ohr auch beruflich „Fuß fassen“. Die Chance bekommt er in der Verwaltung der Neudorfer Blindenmanufaktur Kaniss.
Implantat hilft zu Hören
Am 1. August 2018 beginnt für Dennis das einjährige Berufspraktikum, eine Vorbereitungszeit für seine anschließende Ausbildung zum Kaufmann für Büromanagement. „Ich bin froh, dass ich hier sein kann und nächstes Jahr wahrscheinlich meine Ausbildung hier beginne“, freut sich Dennis Kitschke und seufzt erleichtert.
Denn in seinem Leben musste der Mann viele Herausforderungen annehmen: Von Geburt an ist er halbseitig gelähmt, als Kind bekommt er die Diagnose Epilepsie, mit 19 Jahren dann der Hörsturz. „Das war schlimm. Ich wusste ja, wie sich alles anhört und dann war da nichts mehr“, erinnert sich Dennis. Er fasste sich ein Ziel: „Ich will wieder Vögel zwitschern hören.“ Über die Medizinische Hochschule in Hannover erfährt er vom Cochlea-Implantat – eine Hörprothese, die durch den Schädelknochen hinterm Ohr in die Hörschnecke eingesetzt wird. Nach dem Ärztemarathon und der Operation dann die Gewissheit: Dennis hört wieder. Und er hört nicht auf, sich Ziele zu stecken.
Am Rheinisch-Westfälischen Berufskolleg (RWB) für Hörgeschädigte in Essen macht er den Realschulabschluss. Dort spezialisiert sich Dennis auch auf das Fachgebiet Wirtschaft und Verwaltung.
Keine Hürden mit Kunden
Im Sommer kontaktierte das RWB dann die Blindenmanufaktur auf der Kommandantenstraße – „Man kennt uns dort, weil einige aktuelle Mitarbeiter beim Nachbarkolleg für Sehgeschädigte waren“, erklärt Beate Rausch-Kaniss von der Blindenmanufaktur. Nachdem sie Dennis kennenlernte, war klar für sie, dass er eine ehrliche Chance auf eine Ausbildung brauche. Denn das Praktikum bei Kaniss ist nicht das erste für den jungen Mann.
„Bevor ich zum Berufskolleg wechselte, habe ich schon Praktika bei Stadtverwaltungen oder Speditionen absolviert“, berichtet Dennis. Doch diese seien mehr Arbeitsmaßnahmen als ernsthafte Beschäftigungsverhältnisse gewesen, so Kitschke. „Nach ein paar Monaten war immer Schluss – keine Möglichkeit für eine Ausbildung.“ Dennis sagt, es könne mit der Unwissenheit oder Unsicherheit der Personalchefs zu tun haben, wie sie mit einem hörgeschädigten Menschen umgehen müssten. „Die stellen sich dann vor, dass ich nicht mit Kunden sprechen kann oder einen Dolmetscher brauche, der Gebärdensprache kann.“ Dabei geht das alles recht unproblematisch wie Beate Rausch-Kaniss und Dennis selbst in den ersten Monaten bemerken.
Dennis hat Bock auf den Job
„Telefonieren, Kundengespräche – das alles klappt einwandfrei“, beobachtet Rausch-Kaniss. Sie verstehe nicht, warum sich viele Betriebe schwer damit tun, Hörgeschädigte zu beschäftigen. Zu den weiteren Aufgaben in den nächsten Monaten gehören für Dennis Kitschke zudem: Rechnungen schreiben, Mails beantworten, sich um die Buchhaltung kümmern. Dennis, der jetzt endlich beruflich Fuß fassen will, ist jedenfalls top motiviert. „Ich hab’ Bock“, sagt er und setzt sich wieder ans Telefon; derweil sieht man durch das Bürofenster einen Ahorn-Baum auf dessen Ästen eine Amsel zwitschert – Dennis hört das.
>>>> Besondere Besen von Kaniss zu Weihnachten
Die Blindenmanufaktur Kaniss ist bis zum 24. November auf dem Duisburger Weihnachtsmarkt. Beim Sozialstand (Höhe McDonalds) gibt es die Handwerks-Produkte zu kaufen.
In der staatlich anerkannten Blindenwerkstatt werden Besen oder Bürsten in Handarbeit hergestellt sowie Körbe geflochten. Für MSV-Fans gibt’s zu Weihnachten einen extra blau-weiß produzierten Besen.