Duisburg. Weil Teststäbchen verseucht seien und Masken das Atmen hemmen, gehen Kinder nicht zur Schule. So reagieren Behörden auf Schulpflichtverletzungen.
Coronal-Leugner, Impfgegner, Maskenverweigerer – sie gehen nicht nur montags auf die Straße, um gegen die Pandemie-Maßnahmen zu protestieren, sie tragen ihren Disput auch an anderen Stellen aus: Eltern von Kindern, die keinen Mund-Nasenschutz tragen oder den Selbsttest verweigern, stellen Schulen in Duisburg aktuell vor Herausforderungen.
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An zwei Schulen fehlt derzeit jeweils ein Kind. Die Duisburger Mutter hatte auf der Impfgegner-Demo am Montag öffentlich erklärt, warum sie ihren Nachwuchs zu Hause hält: Die Teststäbchen für die Selbsttests seien verseucht und ihre Kinder durch die Tests belastet, unter anderem durch massives Nasenbluten.
Mutter hält Kinder aus der Schule und wirbt bei Impfgegner-Demo um Nachahmer
Die Schulen hat sie am Montag mit einem 13-seitigen Brief darüber informiert. Ihr Schreiben mit „unwiderlegbaren Fakten“ hat sie auch in Telegram-Gruppen zur Verfügung gestellt, um so Nachahmern den Weg zu bereiten.
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In dem Schreiben erklärt sie, warum ihre Kinder „pandemiebedingt nicht mehr am Präsenzunterricht in der Schule teilnehmen“ können. Die Frau, die nach eigener Aussage im medizinischen Bereich tätig sei und angeblich mal eine „Klinik in Gladbeck leitete“, bezieht sich auf das Grundgesetz. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit überwiege die Präsenzpflicht, schreibt die Mutter. Und das Grundrecht auf freie Atmung sei durch die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes eingeschränkt.
Impfgegnerin: Teststäbchen sollen verseucht sein
Weiter heißt es: „Anlasslose Reihentestungen“ hätten keine Rechtsgrundlage, die Teststäbchen seien verseucht, unter anderem mit „Chlorethanol, einem Zersetzungsprodukt von Ethylenoxid“, kurz EO.
Zur Einordnung: Immer wieder tauchen solche Behauptungen auf. Verschiedene Medien haben mehrfach darüber berichtet – so etwa der BR bereits im vergangenen April und kurz darauf auch das SRF in der Schweiz. In beiden Artikeln wird mit Verweis auf einschlägige Experten klargestellt, dass die Teststäbchen nicht krebserregend seien. Das Gas Ethylenoxid werde zwar als „giftig“ taxiert, aber eben auch als Desinfektionsmittel für medizinische Geräte eingesetzt. Auch die Corona-Teststäbchen werden demnach mit EO sterilisiert, wie auf der Verpackung zu lesen ist. Aber: Nach dem Sterilisierungsprozess werden die Stäbchen „entgast“, also ausgelüftet, das Gas verflüchtigt sich. Es blieben so keine Rückstände zurück, die gefährlich sein könnten.
Fakten, mit denen sich besagte Mutter in Duisburg offenbar nicht oder nicht tiefergehend beschäftigt hat. Außerdem erklärt sie: „Die Tatsache, dass nachweislich durch Testung nur gesunde Kinder an Ihrer Schule unterrichtet werden, stellt die von Ihnen unzulässige Anordnung der Maskenpflicht in Frage.“ Der darin enthaltene Logikfehler, dass diese Tatsache schwerlich zu erreichen ist, wenn Kinder wie ihre den Test verweigern, scheint ihr entgangen.
Durch die Widersetzung gegen die Schulpflicht erfülle sie die Pflicht, „die Kindeswohlgefährdung an Ihrer Schule unter den derzeitigen Gegebenheiten zu unterbinden“.
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„Unentschuldigtes Fehlen“ – so reagieren die Schulleiter
Sabine Kretschmann-Dulisch, Leiterin des Hildegardis-Gymnasiums, bestätigt den Eingang des Schreibens und betont: „Die Herausnahme eines Kindes aus dem Unterricht ohne ärztliches Attest kann ich natürlich nicht hinnehmen.“ Zunächst werde sie schriftlich Kontakt aufnehmen und die Stunden als unentschuldigte Fehlzeiten notieren.
Ähnlich geht ihr Kollege Carsten Höhr vor, er bekam diesen Brief ebenfalls. Der Leiter der Gustav-Heinemann-Realschule hat zudem die Rechtsabteilung in Düsseldorf eingeschaltet. Deren Entscheidung habe jedoch keine aufschiebende Wirkung: „Das Kind gilt als unentschuldigt fehlend, weil es schulpflichtig ist.“
Er habe seit Einführung der Tests im Mai letzten Jahres keinen einzigen Fall von Nasenbluten durch die Selbsttests erlebt. „Es reicht ja aus, wenn die Kinder mit dem Stäbchen im vorderen Bereich der Nase bohren“, sagt Höhr. Gefährlich sei das nicht.
Das Prozedere bei Schulpflichtverletzungen
Die Pressestelle der Stadt Duisburg erklärt, dass im Falle von Schulverweigerung die jeweilige Schulleitung zunächst versuche auf die Eltern und den Schüler/die Schülerin pädagogisch einzuwirken. „Wenn das keinen Erfolg bringt, wird von der Schule ein Bußgeld wegen Schulpflichtverletzung beantragt und über die zuständige Schulaufsicht verhängt“, erklärt Sprecher Peter Hilbrands. Bis Dezember gab es wegen Maskenverweigerung zwei Bußgeldverfahren.
Das Bistum Essen, das für das Hildegardis-Gymnasium zuständig ist, erklärt in einer Stellungnahme, dass es in einigen wenigen Einzelfällen angesichts der staatlichen Corona-Schutzmaßnahmen zu Diskussionen gekommen sei, in denen eine Verweigerung des Schulbesuchs im Raum stand. „Dabei zeigt die Erfahrung der vergangenen bald zwei Jahre, dass vielfach Ängste der Eltern für eine solche Entwicklung maßgeblich sind“, berichtet Pressesprecher Thomas Rünker. Vor allem durch ausgiebige Gespräche mit allen Beteiligten konnten die Kinder und Jugendlichen zuletzt in aller Regel zur Einhaltung der Vorgaben bewegt werden. In Zweifelsfällen werde die Bezirksregierung hinzugezogen.
Schulleiter wegen der Maskenpflicht von Eltern verklagt
Carsten Höhr hat als Leiter der Realschule gerade erst ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf gewonnen. Eltern hatten ihn verklagt, weil er ein ärztliches Attest zur Maskenbefreiung als nicht ausreichend bewertet hatte und darauf bestand, dass das Kind im Unterricht eine Maske trägt. Das Gericht habe diese Rechtsauffassung bestätigt.
„Die Mutter schickt das Kind nun trotzdem ohne Maske zur Schule und ich schicke es dann wieder heim“, berichtet Höhr. „Mir tut es für das Kind leid, das kann nichts dafür.“ Über ein Patensystem organisiere er den Transfer von Unterrichtsmaterialien. Einen Anspruch auf Distanzunterricht gibt es in solchen Fällen allerdings nicht.
>>SCHULPFLICHTVERLETZUNGEN IM REGIERUNGSBEZIRK
- 2021 wurden im Regierungsbezirk Düsseldorf circa 1800 Schulpflicht-Verletzungsverfahren eingeleitet und davon circa 1640 Verfahren mit einem Bußgeld geahndet.
- Eine Aufschlüsselung nach Kommunen und Gründen nimmt die Bezirksregierung nach Angaben einer Sprecherin nicht vor.
- Das Bußgeld kann bis 1000 Euro festgesetzt werden.